Der Pilot AIH wird fortgesetzt und ausgeweitet. Blauer Bund

Umsetzung des Konzepts AIH aus Sicht des Geschäftsprozessverantwortlichen

Dieser Bericht steht im Zusammenhang mit dem Vortrag des Autors anlässlich der Informationsveranstaltung Blauer Bund e.V. im November 2023.

In den vergangenen Jahren konnte der Bedarf an einsatzfähig aus- und weitergebildetem logistischen Personal für die Einsatzkontingente im Erweiterten Aufgabenspektrum der Bundeswehr durch zielgerichtete Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen der Einsatz-Vorausbildung stets gedeckt werden. Dies geschah mitunter auch unter Inkaufnahme von temporären Fähigkeitsverlusten im Grundbetrieb.

Durch die Refokussierung insbesondere auf Landesverteidigung/Bündnisverteidigung muss auch das Konzept der Ausbildung- und Inübunghaltung größer und umfassender angesetzt werden. Die vielfach geforderte „Kaltstartfähigkeit“ bedingt zwingend die ständige Aus- und Weiterbildung aller logistischen Kräfte der Bundeswehr. Diesem Grundsatz folgend, berücksichtigt das Konzept K2-9000/2 „Ausbildung und Inübunghaltung der Logistikkräfte“ (Konzept AIH) die Umsetzung in den Teilbereichen Logistische Führung (LogFü), Materialbewirtschaftung (MatBew), Instandhaltung und Fertigung (IHF), Verkehr und Transport (VuT), Logistische Sonderaufgaben (LogSdAufg) sowie die Logistischen Dienste (LogDst). Jedoch ist festzuhalten, dass der Teilbereich Instandhaltung und Fertigung in größtem Maße von der Zuarbeit der anderen Teilbereiche abhängig ist, damit die Ausbildung und Inübunghaltung (AIH) der Instandhaltungskräfte (IHKr) überhaupt funktionieren kann.

Als grundsätzliche „Leitlinien“ zur Umsetzung des Konzepts AIH gelten:

  • die Handlungsfreiheit der verantwortlichen Kommandeure bei der Schwerpunktsetzung für die fachliche AIH,
  • ein ausgewogenes Verhältnis zwischen fachlicher AIH und allgemeinmilitärischer Ausbildung,
  • regelmäßige Einbindung der Logistischen Verbände (LogVbd) in Übungsvorhaben sowie
  • die Unterstützung der LogVbd durch übergeordnete Stäbe bei Planung/ Nutzung der Zentralen Ausbildungseinrichtungen und des notwendigen Materials für die AIH.

Das Konzept benennt eine Reihe von Handlungsoptionen, um die AIH in den LogVbd umsetzen zu können. Für den Teilbereich der IHF ist neben der Teilnahme und Durchführung von Übungsvorhaben mit der Möglichkeit der logistischen Leistungserbringung sowie der Nutzung von zentralen Ausbildungseinrichtungen (z.B. Technisches Ausbildungszentrum an der Technischen Schule des Heeres) insbesondere die verstärkte Einbindung der LogVbd im Grundbetrieb von herausragender Bedeutung. Flankiert wird dies durch eine Weisung BMVg Fü SK, durch die ein Sollwert von jährlich ab 2024 zu erbringenden 600 IH-Std je IH-Soldat der LogEbene 2 in eigener Infrastruktur unter Anwendung des Konzepts AIH verbindlich vorgegeben ist. Diese Forderung kann nur durch eine erheblich stärkere Einbindung aller IH-Kräfte der LogEbene 2 in die Leistungserbringung im Grundbetrieb und nur im Verbund mit den anderen Teilbereichen sichergestellt werden. Darüber hinaus kommt einer zielgerichteten IH-Steuerung – auch über den AIH-Bedarf hinaus – eine noch höhere Bedeutung zu.

Aus Sicht des Geschäftsprozessmanagers IHF/TLM sind hinsichtlich der AIH im Teilbereich IHF folgende Forderungen zu erfüllen:

  1. Das Konzept AIH ist konsequent anzuwenden.
  2. Die Umsetzung der IH-Stundenvorgabe für die IHKr der LogEbene 2 muss der Vorbereitung auf Einsätze im Schwerpunkt LV/BV (Kernauftrag) dienen.
  3. Verfügbare IH-Kapazitäten müssen zuverlässig gemeldet und ausgelastet werden können.
  4. Zuverlässige Leistungserbringung im Rahmen der Systemfähigkeit ist sicherzustellen.
  5. Einsatzorientierte Variation von Schadgerät und Schadbildern für die AIH ist sicherzustellen.
  6. IH-Steuerung muss über regional etablierte SK/HIL-gemeinsame Steuerungseinrichtungen erfolgen.
Der Pilot AIH wird fortgesetzt und ausgeweitet. Blauer Bund
Der Pilot AIH wird fortgesetzt und ausgeweitet. ©LogKdoBw

Seit September 2022 wurde an der LogStSt DELMENHORST im Rahmen eines Piloten erfolgreich ein Verfahren getestet, in dem durch eine SK/HIL-gemeinsame StrgEinr unter militärischer Führung der IH-Bedarf der HTrT ausgewertet und ein geeigneter Leistungserbringer (LE) ausgewählt und angesteuert wurde.

Absicht war es, durch forderungsgerechte quantitative und qualitative IH-Bedarfsdeckung die Einsatzfähigkeit der mobIHKr zu verbessern, um damit die materielle Einsatzbereitschaft der Truppe zu erhöhen.

Hierbei erfolgte bei HIL-Gerät zunächst eine Sichtung der IH-Meldung, ein Abgleich mit dem AIH-Bedarf der mil LE sowie eine Steuerempfehlung seitens des IH-Steuerpersonals der LogStSt. Nach Prüfung durch HIL-Personal (Abgleich mit HIL-SAP, z.B. anstehende planmäßige IH-Maßnahmen) wurde das Schadmaterial anhand einer abgestimmte Steuerentscheidung zum passenden mil LE gesteuert.

Im Rahmen des Piloten wurden Handlungsfelder erkannt und bereits gemeinsam an Lösungen gearbeitet. Die Gesamtbewertung ist positiv, so dass das derzeit in der SK/HILgem StrgEinr in DELMENHORST etablierten Verfahren und die Zusammenarbeitsbeziehungen über das Ende des Piloten hinaus beibehalten wurden. Es ist geplant, ab 2024 beginnend, in enger Zusammenarbeit mit der HIL GmbH weitere SK/HIL gem StrgEinr an den Standorten der LogStSt für die IH-Steuerung im gesamten Grundbetrieb zu etablieren.

Autor: Engel, Oberstlt u DezLtr Strg IHF

Der Präsident des Blauer Bund e.V., GenMaj Gerald Funke, begrüßt die Teilnehmenden der Informationsveranstaltung in Garlstedt

„Logistik der Bundeswehr im Umbruch“ war das Leitthema der Informationsveranstaltung des „blauer Bund e.V.“

Welchen Fortschritt in der Umsetzung können die Absichtserklärungen zur Zeitenwende inzwischen aufweisen? Oder anders formuliert: Wo stehen wir beim Umbruch der Bundeswehr und im Schwerpunkt beim Umbruch in der Logistik der Bundeswehr? Dieser Leitfrage widmete sich die Informationsveranstaltung des blauen Bundes (bB) in der Lucius-D.-Clay-Kaserne in Osterholz-Scharmbeck. Rund 150 Besucher aller TSK/OrgBer aus Logistik und Rüstung sowie Vertreter der zivilen Logistik und Wehrindustrie, wurden vom Präsidenten des bB,
GenMaj Gerald Funke, zur Veranstaltung begrüßt.

Der Präsident des Blauer Bund e.V., GenMaj Gerald Funke, begrüßt die Teilnehmenden der Informationsveranstaltung in Garlstedt
Der Präsident des Blauer Bund e.V., GenMaj Gerald Funke, begrüßt die Teilnehmenden der Informationsveranstaltung in Garlstedt

 

Rund 150 Besucher nutzten die Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. um sich weiterzubilden und zu informieren.
Rund 150 Besucher nutzten die Informationsveranstaltung des Blauer Bund e.V. um sich weiterzubilden und zu informieren.

 

Mitgliederversammlung bB

Zuvor wurde jedoch in der Mitgliederversammlung des bB ein Blick auf das zurückliegende Jahr im Verein geworfen und über die Pläne für die Zukunft berichtet.

Der Präsident: „Mit rund 1.150 Mitgliedern konnten wir unsere Mitgliederzahl halten. Das bewerte ich in der heutigen Zeit als Erfolg.“

GenMaj Funke führte diesen Umstand auf die ansprechenden Vereinspublikationen, den attraktiven Webauftritt und die Informationsveranstaltung -als Zugpferd- zurück. Besonders das neue Corporate Design und die Neugestaltung des MAGAZIN bB seien hervorzuheben. Auch die Mitarbeit des bB innerhalb des „Beirat für Reservistenangelegenheiten“ sehe er als wichtig an, um im Sinne der Reservisten im Verein mitgestalten zu können.

Im kommenden Jahr werden weiterhin die Zeichen auf Moderne stehen, denn junge Mitglieder sollen nach wie vor verstärkt im Verein eingebunden werden. Im November 2024 stehen die Wahlen im Bundesvorstand des bB an und der Appell, bei der Suche nach einem Redakteur, Schatzmeister und Webmaster zu unterstützen, ging an alle Mitglieder.

 

Die Informationsveranstaltung

Die folgenden zwölf Einzelvorträge mit dem Leitthema „Logistik der Bundeswehr im Umbruch“ waren geprägt von erfreulicher Offenheit und höchst aktuell. An der Vielzahl der gestellten Fragen konnte man das große Interesse des Publikums an den Inhalten ablesen.

Den Aufschlag machte Oberstleutnant Steffen Engel, Dezernatsleiter Steuerung IHF im LogKdo Bw, zur Umsetzung des Konzepts Ausbildung und Inübunghaltung (AIH) aus Sicht des Verantwortlichen für den Geschäftsprozess.

Oberstleutnant Steffen Engel vom LogKdo Bw, zum Konzept AIH. Blauer Bund
Oberstleutnant Steffen Engel vom LogKdo Bw, zum Konzept AIH.

Er führte aus, dass das Konzept Ausbildung und Inübunghaltung der Logistikkräfte sich über alle Teilbereiche der Logistik erstreckt und zwingend notwendig sei, um die Kriegstauglichkeit der Logistikkräfte der Logistischen Ebene 2 sicherzustellen. Die Vorgabe von 600 produktiven IH-Stunden, je IH-Soldat (LogEb 2), je Jahr, ist Treiber für alle Teilbereiche der Logistik. Neben der Einbindung in den Grundbetrieb sei der Teilnahme an Übungsvorhaben unter realen Bedingungen, die also der Vorbereitung zur Landes‑/Bündnisverteidigung dienen, ein besonders hoher Stellenwert einzuräumen.

Ein Garant für das Gelingen der AIH sei das zuverlässige Steuern von einsatzrelevantem Gerät durch die Logistischen Steuerstellen zusammen mit der HIL GmbH. Das Verfahren solle aus dem Pilotprojekt in DELMENHORST verstetigt und im Bundesgebiet ausgedehnt werden.

So kommentierte GenMaj Funke die lebhafte Diskussion um die feste Forderung nach 600 Stunden:
Verstehen sie die 600 Stunden pro IH Kraft pro Jahr nicht als Dogma sondern als Chance und 3a) der Führung der Streitkräfte!

 

Im Anschluss erläuterte BrigGen Bernd Schneider, Geschäftsführer der HIL GmbH, die Einbindung der HIL in den Prozess AIH.

BrigGen Bernd Schneider, Geschäftsführer der HIL GmbH, zur Einbindung der HIL in den Prozess AIH. Blauer Bund
BrigGen Bernd Schneider, Geschäftsführer der HIL GmbH, zur Einbindung der HIL in den Prozess AIH.

Er zeigte auf, dass der Erhalt der Einsatzbereitschaft der militärischen Logistikkräfte Unternehmensziel der HIL GmbH sei, welches auf drei Wegen verfolgt werden könne.
Erstens: Am Standort der militärischen IH-Kräfte, wobei eine frühzeitige und verlässliche Planung erforderlich sei und so auch die Akzeptanz beim Haltertruppenteil wüchse.
Zweitens: Bei Übungen, dort sollten mit Priorität militärische IH-Kräfte berücksichtigt werden.
Drittens: In HIL Betriebsstätten, ein Angebot das in 2023 nur zu 17% in Anspruch genommen wurde und ausbaufähig sei. Die HIL GmbH kalkuliere bei der Umsetzung des AIH Konzepts zunächst eine Anwendungsquote von 30%.

 

Danach trug Oberstleutnant Sven Heidel, Kommandeur des Versorgungsbataillons 131, zu den Herausforderungen bei der Umsetzung des Konzepts AIH aus Sicht des Kommandeurs eines Versorgungsbataillons vor.

Oberstleutnant Sven Heidel, Kommandeur des Versorgungsbataillons 131, zu den Herausforderungen bei der Umsetzung des Konzepts AIH aus Sicht des Kommandeurs eines Versorgungsbataillons. Blauer Bund
Oberstleutnant Sven Heidel, Kommandeur des Versorgungsbataillons 131, zu den Herausforderungen bei der Umsetzung des Konzepts AIH aus Sicht des Kommandeurs eines Versorgungsbataillons.

Er stellte fest, dass die Dislozierung seines Verbandes und der zu unterstützenden Verbände die Anwendung des Konzepts AIH erschwerten. Die anstehende Umgliederung in die neue Struktur der Heereslogistik brächten zusätzliche Herausforderungen.
Der multinationale Ansatz in der AIH, der aus der NRF Verpflichtung des Bataillons resultiert sei erfolgversprechend. Die Berücksichtigung mit Schadgerät, der Einbindung bei Übungen und der AIH bei der HIL, sei zufriedenstellend und der Zweck des Konzepts mit knapp 50% Berücksichtigung der eingemeldeten Kapazitäten im jetzigen Stadium akzeptabel.

 

Danach trug Oberstleutnant Benjamin Eberhardt, Kommandeur des Logistikbataillons 161, zu den Herausforderungen bei der Umsetzung des Konzepts AIH nun aus Sicht des Kommandeurs eines Logistikbataillons vor.

Oberstleutnant Benjamin Eberhardt, Kommandeur des Logistikbataillons 161, zu den Herausforderungen bei der Umsetzung des Konzepts AIH aus Sicht des Kommandeurs eines Logistikbataillons. Blauer Bund
Oberstleutnant Benjamin Eberhardt, Kommandeur des Logistikbataillons 161, zu den Herausforderungen bei der Umsetzung des Konzepts AIH aus Sicht des Kommandeurs eines Logistikbataillons.

Er merkte an, dass auch sein Bataillon durch die Umgliederung in das NATO New Force Model belastet sei und neben Engpässen bei Lehrgängen für IH-Kräfte auch die Steuerung von „seltenem“ Schadgerät die Umsetzung des Konzepts AIH erschwerten.

Der Verband behelfe sich mit dem Einsatz von Instandsetzungskommandos zur HIL und zum Heer. Er plädierte für eine Einbindung der IH-Kräfte der SKB in Übungen und betonte den Stellenwert des Teilbereiches Verkehr und Transport. Das Etablieren von Dauermarschkrediten hätte sich stark positiv ausgewirkt.

 

Aktuelles aus der Technischen Schule des Heeres berichtete Oberst Jens Grabowski, stellvertretender Kommandeur der TSH.

Oberst Jens Grabowski, stv Kommandeur der Technischen Schule des Heeres, informierte über Aktuelles aus der TSH. Blauer Bund
Oberst Jens Grabowski, stv Kommandeur der Technischen Schule des Heeres, informierte über Aktuelles aus der TSH.

Es bestehe nach wie vor eine Ablage zwischen den gemeldeten Bedarfen und den leistbaren Umfängen an Trainings. Zur Verbesserung könne eine Umstellung des Meldeverfahrens, mit zwei oder mehr Meldungen der Bedarfe pro Jahr, beitragen. Zur Mitigation sollen auch die Kooperationen mit der HIL GmbH und den NDL sowie den GBR Streitkräften beitragen. So solle den wesentlichen Herausforderungen begegnet werden, die der Aachener folgenden Ursachen zuordnete: Die Ausbildungsunterstützung der Ukraine, der steigende Bedarf durch neue Systeme aus dem Sondervermögen und die mehrfache Ausbildung von Personal, welche durch die Umgliederung der Logistikkräfte resultieren.

„Wir müssen die Ressourcen zur Ausbildung der IH-Kräfte flexibel und effizienter Nutzen.“

 

Aktuelles aus der LogSBw, BrigGen Holger Draber, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr

BrigGen Holger Draber, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr berichtete über Aktuelles aus der LogSBw. Blauer Bund
BrigGen Holger Draber, Kommandeur der Logistikschule der Bundeswehr berichtete über Aktuelles aus der LogSBw.

Der Gastgeber berichtete über das etablierte Projekt „Modernes Lernen“, in das auch digitale Ausbildungsformen mit Augmented Reality Anteilen (z.B. Train AR und Virtual Battle Space) eingebettet sind. Gerade in der Führerausbildung müsse sich die Zielrichtung konsequent an der Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung ausrichteten.

 

Gesellschaftsabend

Netzwerk festigen und erweitern ist ein wichtiges Ziel des bB, welches während des Gesellschaftsabends mühelos erreichbar war. Die Sammlung für das Soldatenhilfswerk ergab die Summe von 1.075 Euro, die vom bB auf 1.500 Euro aufgestockt wurde. Vier Mitglieder wurden für ihre 25-jährige Treue zum bB vor Ort geehrt. Weitere Jubilare werden die Urkunde von den Vorsitzenden ihrer Kameradschaft erhalten.

Ehrung für 25jährige Treue zum bB durch den Präsidenten. Von links: Herr Bätz, Frau Bätz, GenMaj Gerald Funke, Präsident im bB, Oberstlt Ralf Bredendiek, Oberstlt a.D. Wilhelm Kölling © Frank Buerschaper. Blauer Bund
Ehrung für 25jährige Treue zum bB durch den Präsidenten. Von links: Herr Peter Prinz, Frau Amelie Prinz (beide Fa. EDS Systemtechnik), GenMaj Gerald Funke, Präsident im bB, Oberstlt Ralf Bredendiek, Oberstlt a.D. Wilhelm Kölling © Frank Buerschaper

 

Personelle und materielle Herausforderungen bei der parallelen Aufstellung von Division 2025 und der Litauen Brigade (Brig LTU) aus Sicht des Kommando Heer

Personelle und materielle Herausforderungen bei der parallelen Aufstellung von Division 2025 und der Litauen Brigade aus Sicht des Kommando Heer, BrigGen Hans-Peter Fennel, Kdo H, AbtLtr Unterstützung. Blauer Bund
Personelle und materielle Herausforderungen bei der parallelen Aufstellung von Division 2025 und der Litauen Brigade aus Sicht des Kommando Heer, BrigGen Hans-Peter Fennel, Kdo H, AbtLtr Unterstützung

Der Gast aus Strausberg machte zu Beginn des zweiten Tages deutlich, dass die Division 2025 Priorität bei der Zuweisung von Ressourcen genieße und dennoch Kompromisse und Kreativität erforderlich seien, um das Ziel zu erreichen. Sowohl Umverteilung als auch Zuläufe aus der Industrie und das Nutzen von Ausweichsystemen müssten herangezogen werden.

„Die größte Herausforderung stellt derzeit die Mobilität dar!“

Die Brigade für Litauen sei noch nicht bis 2025 gefordert und so bestünden zeitliche Spielräume für die beiden parallelen Herausforderungen.

Während für die Division 2025 die erforderlichen Personalmaßnahmen begonnen hätten, bestünde für die Brig LTU das Prinzip der Freiwilligkeit unter Anwendung von Attraktivitätsangeboten.

 

Materielle Aufstellung der Division 2025 aus Sicht des Bedarfsdeckers, GenMaj Thorsten Puschmann, Vizepräsident (mil) im BAAINBw

GenMaj Thorsten Puschmann, Vizepräsident (mil) im BAAINBw, zur materiellen Aufstellung der Division 2025 aus Sicht des Bedarfsdeckers

Der Vizepräsident des zentralen Bedarfsdeckers aus Koblenz ging im Wesentlichen auf die Beschleunigung in der Beschaffung ein.

„Wir sehen das Papier als einen Ermöglichungserlass!“

Der Erlass des Staatssekretär Zimmer böte viele Möglichkeiten den Rüstungsprozess zu beschleunigen. Voraussetzung sei jedoch Entscheidungsfreude und Mut zum Wandel bei dem Personal, welches in Vergangenheit eher der Absicherung hohen Stellenwert eingeräumt hätte. Daran werde mit dem Personal im Sinne einer Anpassung von Werten und Schaffung von Leitlinien zur „Unternehmenskultur“ bereits gearbeitet. Die zentralen Ausbildungseinrichtungen werden zu dem Zweck ebenfalls eingebunden.

Ein entscheidendes Nadelöhr zur Beschleunigung sei der Vertragsschluss. Durch Umpriorisierung und Erleichterungen in der Bearbeitung werde dieses Handlungsfeld angegangen.

 

Wie spontan die Community rund um den bB ist, zeigte sich nach krankheitsbedingten Ausfall eines Vortragenden. Unvermittelt erklärten sich zwei Teilnehmer der Veranstaltung bereit, mit eigenen Beiträgen die Lücke zu füllen.

 

Einer von ihnen war Oberst Christoph Schladt, Kommandeur im LogRgt 1, zur bevorstehenden Übung BLUE LIGHTNING

Oberst Christoph Schladt, Kommandeur im LogRgt 1, zur bevorstehenden Übung BLUE LIGHTNING. Blauer Bund
Oberst Christoph Schladt, Kommandeur im LogRgt 1, zur bevorstehenden Übung BLUE LIGHTNING.

Der Regimentskommandeur gab Einblick in die unmittelbar folgende Übung BLUE LIGHTNING bei der 2.800 Personen und 1.200 Fahrzeuge zum Einsatz kommen sollen. An einem NATO Art. 4-Szenar solle der gesamte RSOM-Prozess unter Einsatz verschiedenster Verkehrsträger geübt werden und die Einsatzbereitschaft der beteiligten NRF Kräfte demonstriert werden.

„Ich verspreche nach Abschluss der Übung weiter zu berichten!“

Die Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet üben im Schwerpunkt im Nordosten Deutschlands bis hin zu grenzüberschreitenden Anteilen nach Polen.

 

Der zweite spontane Vortragende zur Steigerung der logistischen Effizienz durch Additive Fertigung war Joachim Kasemann, Geschäftsführer von Mark3D,

Additive Fertigung, Joachim Kasemann, Geschäftsführer von Mark3D, Blauer Bund
Additive Fertigung, Joachim Kasemann, Geschäftsführer von Mark3D.

Zunächst erklärte Herr Kasemann wie beeindruckend schnell und autark die luftlandefähige 3D-Druck Anlage (Fieldmade NOMAD® LW) in Betrieb gehen kann.

„Nur drei Minuten und wir sind „ready to produce“!“

Ferner wies er darauf hin, dass jenseits einfacher Kunststofferzeugnisse temperaturfeste (bis 145ºC) und mechanisch belastbare Teile (Festigkeit vglb. Alu) erzeugt werden könnten. Diese Vorteile ließen sich auf die Verwendung von Verstärkungen aus Carbonfasern im Kunststoff zurückführen. In anderen Anlagen ließen sich auch Metalle wie Stahl und Kupfer verarbeiten. Selbst die Herausforderungen wie das Schrumpfen des Materials oder die Herstellung in Sinterverfahren seien gemeistert worden.

 

Auswirkungen der aktuellen Weltlage auf die zivile Logistik, Prof. Dr. Frank Giesa, Lehrstuhlinhaber an der HS Bremen und Sprecher der BVL Regionalgruppe Weser-Ems.

Prof. Dr. Frank Giesa, Lehrstuhlinhaber an der HS Bremen und Sprecher der BVL Regionalgruppe Weser-Ems, zur Auswirkungen der aktuellen Weltlage auf die zivile Logistik. Blauer Bund
Der Präsident des bB und der Vortragende Prof. Dr. Frank Giesa, Lehrstuhlinhaber an der HS Bremen und Sprecher der BVL Regionalgruppe Weser-Ems, zur Auswirkungen der aktuellen Weltlage auf die zivile Logistik

Der Bremer Professor erklärte die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und des Finanzhandels als logistische Indikatoren und vermeldete einen leicht positiven Trend.

Insgesamt sei in der Logistikbranche ein Trend im Engagement der Cybersicherheit, der Digitalisierung und der Gewinnung von qualifizierten Arbeitskräften zu verzeichnen. Die Bemühungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit seien erstmals unter den Top-Trends gelandet.

Weitere Details zu den Ausführungen wurden unter dem Link

Top-Trends sind Cybersicherheit, Digitalisierung und Fachkräftemangel – Die BVL: Das Logistik-Netzwerk für Fach- und Führungskräfte

angeboten.

 

Die guten Geister "hinter den Kulissen" sorgten für einen Reibungslosen Ablauf. OStFw a.D. Wolfgang Jahn und Oberstlt a.D. Michael Janczyk. Blauer Bund
Die guten Geister „hinter den Kulissen“ sorgten für einen reibungslosen Ablauf. OStFw a.D. Wolfgang Jahn und Oberstlt a.D. Michael Janczyk.

Am Ende der Veranstaltung bedankte sich der Präsident im bB GenMaj Gerald Funke bei allen Mitwirkenden und warb bereits jetzt für die Informationsveranstaltung im Herbst 2024 in Aachen/Eschweiler, die entweder am 24./25.10.24 oder 14./15.11.24 stattfinden soll.

Text: Oberstleutnant Roman Schlosser, Redakteur im blauer Bund e.V.

Bilder: Bundeswehr/Petra Reiter oder laut Bildbeschriftung

Der Fieldmade Nomad LW ist mit seinem Stabilisierungssystem, der unterbrechungsfreien Stromversorgung, einem Unterstützungspakete für längere Einsätze perfekt auf das drucken in allen Umgebungen vorbereitet; Blauer Bund

Mark3D GmbH – ein Partnerunternehmen stellt sich vor

Wie der 3D-Druck die Art und Weise der militärischen Instandhaltung im Einsatzgebiet grundlegend verändert

Ein Soldat richtet den Fieldmade Nomad LW ein. Fertigung an fast jedem Ort; Blauer Bund
Ein Soldat richtet den Fieldmade Nomad® LW ein. Fertigung an fast jedem Ort ist möglich

Die Mark3D GmbH ist Partner für den industriellen 3D-Druck in Militäreinrichtungen in Europa.
Wir helfen die richtige Lösung für die oft schwierigen Aufgaben zu finden, um an (fast) jeden Ort dieser Welt fertigen zu können.

“Gefechte werden aufgrund der Logistik gewonnen oder verloren.” – Eisenhower

Die Worte von General Dwight D. Eisenhower haben auch heute noch große Bedeutung. In militärischen Einsätzen, insbesondere in abgelegenen Gebieten, können Lieferengpässe von benötigten Bauteilen, wie beispielsweise Ersatzteile, schwerwiegende Auswirkungen haben.
Eine Unterbrechung der Versorgungskette kann dazu führen, dass wichtige Teile wochenlang nicht verfügbar sind. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass Streitkräfte in der Lage sind, Reparaturen direkt vor Ort im Einsatzgebiet durchzuführen, unabhängig von der Verfügbarkeit von Ersatzteilen. 3D-Drucker machen das möglich. Die British Army hat bereits, in Kooperation mit den US- und australischen Streitkräften, große Erfolge erzielt. Durch den Einsatz von Mark3D – Markforged Composite 3D-Druckern können mechanisch belastbare
und qualitativ hochwertige Ersatzteile direkt im Einsatzgebiet hergestellt werden.

Der 3D-Drucker als Ersatzteillager

Der Fieldmade Nomad LW ist mit seinem Stabilisierungssystem, der unterbrechungsfreien Stromversorgung, einem Unterstützungspakete für längere Einsätze perfekt auf das drucken in allen Umgebungen vorbereitet; Blauer Bund
Der Fieldmade Nomad® LW ist mit seinem Stabilisierungssystem, der unterbrechungsfreien Stromversorgung und einem Unterstützungspakete für längere Einsätze perfekt auf das Drucken in allen Umgebungen vorbereitet.

Die Vorteile des 3D-Drucks, auch additive Fertigung genannt, werden immer deutlicher. Den Vorteil wollen die Soldaten im Einsatzgebiet nutzen. Früher war die Festigkeit der Bauteile nicht ausreichend oder die Prozesse zu kompliziert, doch der industrielle 3D-Druck hat sich inzwischen rasant weiterentwickelt. Intuitive Bedienung, integrierte Notstrom-Aggregate, Stabilisierungstechnologien und hochleistungsfähige Kunststoffe und Metalle sind die notwendigen Voraussetzungen für die grundlegenden Anforderungen an 3D-Drucker in militärischen Umgebungen.

Der Bedarf an vor-Ort-Lösungen ist groß. Aus einem militärisches Forschungsprojekt ist eine Fertigungslösung für die Einsatzgebiete entstanden. Vom Entwurf über das Design bis hin zur Herstellung einsatzbereiter Ersatzteile im Einsatzgebiet vergehen nur wenige Stunden. Die ersten mobilen 3D-Drucker wurden ausgiebig von Spezialeinheiten getestet. Unter extremen Bedingungen, von eisiger Kälte in den nordischen Ländern, bis hin zu glühend heißer Wüste, wurde die Einsatzfähigkeit erfolgreich nachgewiesen.

Der Fieldmade Nomad® LW, das Ergebnis des Forschungsprojektes, wird mit speziell konfigurierten Paketen geliefert, die ausreichend Verbrauchsmaterial und alle notwendigen Ersatzteile für einen dreimonatigen Druckbetrieb enthalten. Sobald die Einheiten zur Basis zurückkehren, werden die Pakete aufgefüllt und für die nächste Mission vorbereitet.

Erheblicher Mehrwert für die Instandhaltung der British Army

Die Instandhalter der British Army profitieren enorm von diesem System. Sie sind in der Lage, Teile direkt im Einsatzgebiet herzustellen und den Soldaten innerhalb von Stunden, statt Tagen oder Wochen die benötigten Bauteile bereitzustellen.
Heute werden 3D-Drucker für die Herstellung von Teilen in verschiedenen Anwendungen genutzt. Beispiele sind: Teile der persönlichen Schutzausrüstung und an Nachtsichtgeräten, Scheibenwischerhalterungen, Lukendeckel für
Militärfahrzeuge, Werkzeuge und Kleinserienteile. Der 3D-Druck bietet die Möglichkeit, schnell und flexibel auf notwendige Veränderungen zu reagieren.

Datenaustausch massiv vereinfacht und beschleunigt

Ein weiterer Vorteil besteht in der vereinfachten und beschleunigten Datenkommunikation zwischen verbündeten Streitkräften. Ein bedeutender Erfolg war die Fähigkeit, Entwürfe und Dateien von US-Unterstützungskräften zu erhalten, sie in ein geeignetes britisches Dateiformat zu konvertieren und die benötigten Teile zu drucken. So konnte die US Army der British Army Dateien für Ersatzteile schicken, die sie nicht über ihre eigenen Lieferketten
erhalten konnten. Diese konnten dann vor Ort gedruckt und den Vereinigten Staaten für den Einsatz im Feld zur Verfügung gestellt werden.
Die hergestellten Bauteile bestehen aus dem Basismaterial ONYX, einem Polyamid 6 mit Carbon-Kurzfasern, dass zusätzlich mit einer Carbon-Endlosfaser verstärkt wird, um zusätzliche Festigkeit zu gewährleisten. So werden Festigkeiten erreicht, die über Aluminium hinaus gehen.

Ein 3D gedrucktes Werkzeug. In gelb gut zu erkennen, die Kevlar Endlosfaser für maximale Festigkeit. Die Verschleißteile wurden zusätzlich mit dem Markforged Metal X in Metall gedruckt. Blauer Bund
Ein 3D gedrucktes Werkzeug. In gelb gut zu erkennen, die Kevlar Endlosfaser für maximale
Festigkeit. Die Verschleißteile wurden zusätzlich mit dem Markforged Metal X in Metall
gedruckt.

Der 3D-Druck hat zweifellos die Möglichkeiten der militärischen Instandhaltung im Einsatzgebiet erweitert. Mit der Fähigkeit, Ersatzteile vor Ort herzustellen, werden Lieferengpässe überwunden und die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte gesteigert. Dies führt zu einer effektiveren und effizienteren Durchführung von militärischen Operationen und trägt dazu bei, Gefechte zu gewinnen.

Mark3D GmbH
Rodenbacher Strasse 15
35708 Haiger
Tel: 07361 63396 00
E-Mail: markforged@mark3d.de

Text und Bilder: Mark3D GmbH

Konzeptioneller Bedarf der Bundeswehr im Bereich Landmobilität im gesamten Aufgabenspektrum

[Red.:] Ersterscheinung Juni 2021 im Mittler Report Verlag, Wehrtechnischer Report „Mobilität für Landstreitkräfte.

Um sich mit dem konzeptionellen Bedarf der Bundeswehr im Bereich Landmobilität im gesamten Aufgabenspektrum zu beschäftigen, ist es angezeigt, sich zunächst mit den Rahmenbedingungen zu befassen, die in der jüngeren Vergangenheit planungsleitend waren.

Wenn man sich diese vergegenwärtigt, wird auch klar, welche tiefgreifenden Änderungen die laufende Neuausrichtung der Bundeswehr mit sich bringt und was diese für die Ermittlung der konzeptionellen Bedarfe der Bundeswehr bedeutet.

Die Rahmenbedingungen der Vergangenheit

Die ausschließliche Ausrichtung der Streitkräfte auf Einsätze im erweiterten Aufgabenspektrum im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements (IKM) bescherte der Bundeswehr Streitkräftestrukturen mit Verbänden und Einheiten, die darauf optimiert waren, dauerhaft Kontingente in festgelegter Größe und mit festgelegten Fähigkeiten in mandatierte Einsätze entsenden zu können. In sogenannten Stabilisierungseinsätzen/-operationen waren dabei unterschiedlichste Aufgaben zu erfüllen, welche von humanitärer Hilfeleistung bis hin zum erfolgreichen Führen eines hochintensiven Gefechts reichen konnten. Trotz dieser anzunehmenden Bandbreite einer möglichen Bedrohung war die Durchsetzungsfähigkeit dieser Kräfte begrenzt und insbesondere zu Beginn dieser Stabilisierungsoperationen standen Sicherungs- und Unterstützungsaufgaben für die parallel ablaufenden Missionen der Vereinten Nationen und staatliche oder nichtstaatlicher Hilfsorganisationen im Vordergrund.

Die Vorbereitung und Ausbildung der Einsatzkräfte folgte einem langfristigen Rotationsplan und entsprechend vollzog sich die Organisation der personellen Aufstellung der Einsatzkontingente. Unterschiede in den Einsatzkontingenten und deren Vorbereitung ergaben sich allenfalls durch Entwicklungen bzw. Lageänderungen in den jeweiligen Einsatzgebieten.

Materiell war diese Phase der Ausrichtung auf Stabilisierungsoperationen gekennzeichnet durch erhebliche Einsparungen im Verteidigungshaushalt durch das Einbringen der sogenannten „Friedensdividende“. Dies bedeutete, dass bis weit in die 2000er Jahre hinein notwendige Regenerationsprojekte für einzelne Landsysteme und ganze Flottenanteile innerhalb des Systems der Landmobilität zwar in der Regel planerisch berücksichtigt wurden aber aufgrund fehlender Finanzierbarkeit nicht verwirklicht werden konnten. Gleichzeitig wuchs der Druck, Landsysteme in die Streitkräfte einzuführen, die über ein höheres Schutzniveau für die Besatzung verfügen, insbesondere auch für Kräfte, die lediglich Sicherungs- und Unterstützungsaufgaben durchführen und hierfür zunächst nicht über geeignete geschützte Fahrzeuge verfügen konnten. Die Minimierung der Wahrscheinlichkeit von Verlusten eigener Kräfte war neben der geforderten Funktionalität bestimmend für die damals eingeführten Landsysteme. Hieraus entstanden die Fahrzeugkategorien der geschützten Führungs- und Funktionsfahrzeuge (GFF) und der geschützten Transportfahrzeuge (GTF).

Bild 1: Mit dem Allschutz-Transport-Fahrzeug Dingo von KMW begann 2000 die Ausstattung mit geschützten Führungs- und Funktionsfahrzeugen (GFF) (Quelle: Bw)

Bild 2: Der Zetros von Mercedes Benz ist der erste als geschütztes Transportfahrzeug (GTF) beschaffte Lkw der Bundeswehr (Quelle: Daimler)

 Aufgrund der haushalterischen Rahmenbedingungen war es jedoch zu dieser Zeit nicht möglich, die Streitkräfte aufgaben- und strukturgerecht auszustatten. Stattdessen ging insbesondere die Beschaffung der GFF in aller Regel auf die Formulierung einsatzbedingter Sofortbedarfe (ESB) zurück. Das heißt, eine kurzfristige operative Bewertung der Bedingungen in den Einsatzgebieten lieferte die Vorgaben für die Beschaffung hinsichtlich Funktionalität und Stückzahl und wurde in der Folge unter hohem Zeitdruck umgesetzt.

Vielfach war es den für die Bedarfsdeckung zuständigen Stellen dabei kaum möglich, wesentliche Projektelemente vollständig umzusetzen, sodass beispielsweise die tatsächliche Einsatzreife der GFF erst hergestellt werden konnte, als diese bereits in den Einsätzen verwendet wurden. Zudem wurden aus den gleichen Gründen Ersatzteilvorräte nicht ausreichend konfiguriert. Sonderwerkzeugsätze wurden erst nachträglich realisiert. Das Herstellen der Befähigung militärischer Instandhaltungskräfte zur Durchführung der klassischen Feldinstandsetzung, also das Beherrschen aufwändiger Instandsetzungsarbeiten, erfolgte zum Teil mit jahrelanger Verspätung.

Aus dieser Lage ergab sich zusätzlich das Erfordernis, Firmenteams der Fahrzeughersteller vertraglich zu verpflichten, auch in Standorten im Ausland bzw. in den Einsatzgebieten Instandhaltungsleistungen zu erbringen, um die materielle Einsatzbereitschaft entsprechend den operativen Anforderungen aufrecht zu erhalten. Statt einer kontinuierlichen Beschaffungsplanung für einsatzwichtige Landsysteme wie GFF ergab sich ein stückweises, anlassbestimmtes Vorgehen entlang der über die Jahre eingebrachten ESB. Die daraus entstandene Fahrzeugflotte zum Beispiel der GFF 3 Dingo 2 weist deshalb erhebliche Unterschiede in den Varianten auf und ist bis heute im sich daraus ergebenden Nutzungsmanagement sehr aufwändig zu betreuen.

Alle mit Aufstellung und Ausbildung von Einsatzkontingenten beauftragten Anteile der Streitkräfte standen vor dem Dilemma, dass GFF und GTF nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung standen, um alle Verbände der Bundeswehr gleichzeitig und im erforderlichen Umfang auszustatten. Die aus diesem Zwang geborene Lösung hierfür war die Schaffung von Pools für Einsatzgerät, welches – dem Rotationsplan folgend – nach jeder Einsatzvorbereitung auf Ebene Bataillon bzw. Brigade an jeweils andere Verbände weitergegeben wurde. Dieses Poolgerät unterlag damit einem erheblich höheren Verschleiß als unter normalen Umständen und letzten Endes waren dadurch die Verbände einer steten materiellen Umgliederung unterworfen. Konzeptionell wurde dieser „Status Quo“ weiter zementiert, indem zwar die Strukturen der Landstreitkräfte materiell ausgeplant wurden, aber in Anerkennung der haushalterischen Einschränkungen durch Einführung von Stückzahlobergrenzen bindende Vorgaben für die Beschaffung von einsatzwichtigem Großgerät gemacht wurden.

Die bisherigen Ausführungen sind nicht im Sinne einer Abrechnung zu verstehen, sondern sollen exemplarisch deutlich machen, in welch schwierigem Umfeld die Entwicklung des Systems der Landmobilität stattfinden musste, als die Realität der Einsätze im Rahmen des IKM und der Kampf gegen einen überwiegend „asymmetrisch“ agierenden Gegner planungsleitend waren.

Der aktuelle Aufgabenbereich

Traurige Realität ist heute, dass zwischenstaatliche Konflikte wieder wahrscheinlicher geworden sind und eine zusätzliche sicherheitspolitische Herausforderung darstellen. Damit ergibt sich von selbst, dass die möglichen Einsatzszenare der Streitkräfte nicht nur zu erweitern waren, sondern dass nach Jahren der ausschließlichen Ausrichtung auf Einsätze im Rahmen IKM die umfassende Befähigung der Streitkräfte zur kollektiven Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) zurückzuerlangen ist und dass diese gleichzeitig mit der Befähigung zur Teilhabe am IKM vorzuhalten ist. Alle Fähigkeiten und Strukturen sind an der anspruchsvollsten Aufgabe, also der Befähigung zur kollektiven LV/BV, auszurichten und einsatzbereit zur Verfügung zu stellen.

Im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr (FPBw) sind die sich daraus ergebenden Fähigkeiten beschrieben. Unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen im Szenar LV/BV werden in sogenannten Ressourcenverbünden die Fähigkeiten beschrieben, die beispielsweise innerhalb der Systemverbünde Bündnisverteidigung Land und Unterstützung Bundeswehr zur Erfüllung der damit einhergehenden Aufgaben und Teilaufgaben erforderlich sind. Dabei gilt die grundsätzliche Festlegung, dass die Aufgaben LV/BV und IKM aus der sogenannten „Grundaufstellung“ zu erbringen sind und das gewissermaßen als Ausnahme zusätzliche „Missionspakete“ gebildet werden, wenn die materielle Ausstattung der Grundaufstellung nicht ausreicht.

Um dies anschaulich zu verdeutlichen: Sondergeschützte handelsübliche Fahrzeuge sind in einer bestimmten Anzahl in der Grundaufstellung vorhanden, wenn sie zur Aufgabenerfüllung in allen Szenaren benötigt werden. Einsatzspezifisch können höhere Bedarfe entstehen, die dann in einem Missionspaket abzubilden sind. Grundaufstellung bedeutet aber auch, dass frühere Stückzahlobergrenzen keine Bedeutung mehr haben und dass alle Einheiten und Verbände aufgaben- und strukturgerecht ausgestattet werden müssen. Für das System der Landmobilität ergibt sich damit ein schrittweiser Aufwuchs, der den Umfang an Landsystemen nach gegenwärtigem Planungsstand bis 2031 um rund 50 Prozent anwachsen lassen wird.

Das Konzept „Landmobilität der Bundeswehr“

Auf diesen grundsätzlichen Vorgaben hat das durch den Generalinspekteur der Bundeswehr 2019 gebilligte Konzept „Landmobilität der Bundeswehr“ aufgesetzt und den einzuschlagenden Weg zur Modernisierung des Systems Landmobilität beschrieben. Es enthält zukunftsweisende und klare Vorgaben, die als „Leitplanken“ für den Aufwuchs und die dringende Regeneration der Landsysteme dienen. Im Folgenden sollen die vier im Konzept abgebildeten Gestaltungsfelder „Schutz“, „Trennung von Mobilität und Funktionalität“, „Kraftstoffresilienz“ und „Automatisierung und unbemanntes Fahren“ und deren konkrete Auswirkung bei der Ermittlung der konzeptionellen Bedarfe der Bundeswehr im gesamten Aufgabenspektrum eingehender betrachtet werden.

Schutz

Um Festlegungen für den Schutzbedarf von Landsystemen zu treffen, wurde im Konzept „Landmobilität der Bundeswehr“ eine Bedrohungsmatrix entwickelt. Sie berücksichtigt unterschiedliche Bedrohungsarten für Landsysteme innerhalb des Einsatzraumes und stellt diese der Dauer gegenüber, die das Landsystem der Bedrohung durchschnittlich ausgesetzt ist. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich das Verhältnis von Landsystemen mit Schutzbedarf zu ungeschützten Landsystemen bei etwa eins zu drei eingependelt hat, wobei sich naturgemäß Unterschiede zwischen den Systemverbünden ergeben, wie etwa innerhalb des Systemverbunds Bündnisverteidigung Land im Vergleich zur Basis Inland in Deutschland. Innerhalb der generischen Fahrzeugkategorie, zum Beispiel Lkw aller Zuladungsklassen (ZLK), wurde dann, abgeleitet aus den Strukturen der Ressourcen- und Systemverbünde, heruntergebrochen bis auf die Ebene des Trupps bzw. Einzelsystems ermittelt, wie viele Landsysteme mit welchem Schutzbedarf als konzeptioneller Bedarf für die planungsleitende Aufgabe LV/BV einzuplanen sind.

Bild 3: Geschützter Eagle IV auf dem Flughafen Bamako (Quelle: Bw/Sebastian Grünberg)

Bereits aus dieser generischen Betrachtung konnte abgeleitet werden, dass sich mit Blick auf die Zielerreichung für den Zwischenschritt 2 FPBw bis 2027 im Bereich der geschützten Fahrzeuge ein Mehrbedarf ergeben wird. Dieser Mehrbedarf ist parallel zu dem bestehenden Regenerationsbedarf für Bestandssysteme zu decken, denn es darf nicht übersehen werden, dass im Bereich der GFF große Flottenanteile bis 2027 bereits länger als zwanzig Jahre in der Nutzung sein werden. Insgesamt prognostiziert die Ermittlung der konzeptionellen Bedarfe ein Anwachsen des Umfangs des Systems Landmobilität um rund 20 Prozent bis 2027 und rund 50 Prozent bis 2031, jeweils bezogen auf den heutigen Umfang. Damit ist auch absehbar, dass sich der Beschaffungsschwerpunkt insgesamt von Landsystemen mit hohem Schutzbedarf hin zu solchen mit niedrigem Schutzbedarf bzw. ungeschützten Systemen verschieben wird, da eine Vollausstattung mit Landsystemen, die zur Abdeckung eines hohen Schutzbedarfs über passiven Schutz (insbesondere Panzerung) verfügen, finanzplanerisch derzeit nicht abbildbar sein wird.

Die besondere Herausforderung der Ausplanung lag also darin, festzustellen, in welchen Anteilen der Ressourcen- und Systemverbünde Landsysteme mit niedrigem Schutzbedarf bzw. ungeschützte Landsysteme aufgaben- und strukturgerecht eingeplant werden konnten. Dabei wurde auch eine Betrachtung von sogenannten Hochwertzielen durchgeführt, die aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für die Operationsführung einen hohen Schutzbedarf haben, obwohl sich dies aus der Bedrohungsmatrix nicht unmittelbar ableiten lässt.

Diese aufwändige Ermittlung der konzeptionellen Bedarfe, also die Fortschreibung des Systems der Landmobilität auf der Grundlage des FPBw, wurde am 26. Juni 2020 durch den Generalinspekteur der Bundeswehr als Grundlage für die weitere konzeptionelle Arbeit gebilligt. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich das Verhältnis von Landsystemen mit Schutzbedarf zu ungeschützten Landsystemen bei etwa eins zu drei eingependelt hat, wobei sich naturgemäß Unterschiede zwischen den Systemverbünden ergeben, wie etwa innerhalb des Systemverbunds Bündnisverteidigung Land im Vergleich zur Basis Inland in Deutschland.

Bewertet wurde außerdem, an welcher Stelle innerhalb der Ressourcen- und Systemverbünde Produkte der Bundeswehr Fuhrpark Service GmbH (BwFPS) aufgaben- und strukturgerecht zur Bedarfsdeckung herangezogen werden können. Neben rein handelsüblichen Fahrzeugen (hü) ist absehbar, dass handelsübliche Fahrzeuge mit militärischer Sonderausstattung (hümS) und handelsübliche Sonderfahrzeuge (hüSd) auch künftig einen wesentlichen Beitrag zur Deckung der Mobilitätsbedarfe innerhalb des Systems der Landmobilität leisten werden und dass dieser Beitrag über den reinen Ersatz der in den 80er und 90er Jahren eingeführten teilmilitarisierten (tmil) Fahrzeuge hinausgehen wird.

Zwischenzeitlich ist die weitere Konkretisierung der oben dargestellten Bedarfe angelaufen in Form einer projektbezogenen konkreten Betrachtung einzelner Materialplanungsobjekte (MPO) als Zielsystem für die Zwischenschritte 2 (2027) und 3 (2031) des FPBw. Dabei kann es sich um Landsysteme handeln, die bereits eingeführt sind, jedoch noch nicht in ausreichender Stückzahl zur Zielerreichung zur Verfügung stehen, oder um gänzlich neue Rüstungsprojekte.

Dem gegenüberzustellen ist die Entwicklung der Bestandssysteme auf der Zeitachse. In einer fortlaufenden Delta-Analyse ist dann im jährlichen Planungszyklus abzuleiten, welche Schritte der Bedarfsdeckung in welchem Umfang bis wann einzuleiten sind, um Fähigkeitslücken zu vermeiden und den erforderlichen Fähigkeitsaufwuchs zu gewährleisten. Die hiermit erzeugte Datenbasis wird im jährlichen Planungszyklus zur Auswertung herangezogen und regelmäßig zu aktualisieren sein.

Die Datenbasis selbst wurde erstellt und wird gepflegt mit dem Ressourcen Informations- und Planungssystem (RIPS), welches innerhalb der durch das FPBw vorgegebenen Strukturen die Ausplanung bis auf die Ebene des einzelnen Landsystems erlaubt. Durch zu vergebende Materialsondercodes lassen sich zahlreiche weitere Informationen einpflegen, wie beispielsweise der Schutzbedarf, über den das Zielsystem verfügt oder nach der Realisierung/Einführung verfügen soll. Alle abgeleiteten Maßnahmen zur Bedarfsdeckung haben sich grundsätzlich innerhalb der konzeptionellen Vorgaben zu bewegen oder werden in weiteren Iterationsschritten zu deren Anpassung und erneuten Billigung führen.

Bild 4: Logistische Transporte mit Standard-Wechselpritsche, verlastet auf Lkw (Quelle: Bw/Wilke)

 Trennung von Mobilität und Funktionalität

Die Trennung von Mobilität und Funktionalität ist ein in seiner Bedeutung vielfach unterschätztes und leider gelegentlich missverstandenes Gestaltungsfeld. Grundlegende Idee ist es, soweit möglich und sinnvoll, funktionsbestimmende Rüstsätze (Funktionalitäten) nicht fest in bestimmte Mobilitätsträger zu integrieren. Vielmehr ist dafür Sorge zu tragen, dass die Funktionalität auf standardisierten Ladungsträgern (zum Beispiel Standard-Wechselpritsche 10ft, 15ft oder 20ft) verlastet oder in einer Funktions-Containerhülle (10ft, 20ft) untergebracht bzw. integriert werden kann.

Damit ergibt sich der große Vorteil, dass die Funktionalität durch unterschiedliche Mobilitätsträger, so wie diese verfügbar sind, für den jeweiligen Auftrag als Ladung übernommen und an den vorgesehenen Einsatzort verbracht werden kann. Im Idealfall sind die auf Standard-Ladungsträgern verlasteten bzw. in Funktions-Containerhüllen untergebrachten Funktionalitäten dabei so beschaffen, dass es keiner weiteren spezifischen Anpassung der Mobilitätsträger bedarf, um diese aufnehmen zu können.

Die Trennung von Mobilität und Funktionalität zielt also ausschließlich darauf ab, der Truppe ein Höchstmaß an Flexibilität bei der Nutzung ihrer Funktionalitäten und Mobilitätsträgern einzuräumen. So können beispielsweise Funktionscontainer auch mit hümS Fahrzeugen der BwFPS im Straßentransport befördert werden, obwohl diese an sich auf einem militarisierten Lkw zu verlasten wären, der höchsten Mobilitätsanforderungen genügt, um auch entlegene Einsatzstellen in schwierigem Gelände zu erreichen.

Sowohl in den aktuellen Projekten querschnittlicher militarisierter Lkw als auch bei den durch die BwFPS bereitgestellten Lkw ist das Prinzip der Trennung von Mobilität und Funktionalität konsequent umgesetzt. In der technischen Realisierung ist außerdem sichergestellt, dass auch bereits eingeführte Kabinen transportiert werden können.

Bild 5: Der von RMMV gelieferte MAN TGS 8×4 Abrollkipper zählt zu den handelsüblichen Fahrzeugen mit militärischer Sonderausstattung (hümS) (Quelle: Rheinmetall)

Damit das Prinzip voll zur Wirkung kommen kann, ist es zwingend erforderlich, dass eine möglichst große Anzahl von Funktionalitäten auf Standard-Ladungsträgern verlastet bzw. in Funktions-Containerhüllen untergebracht bzw. integriert wird. Hier haben die Streitkräfte noch einen langen Weg vor sich, die damit einhergehende Regenerationsplanung für funktionsbestimmende Rüstsätze wurde am 17. September 2020 angewiesen.

Absicht ist es, unter Berücksichtigung der Vorgaben des FPBw

  • die bestehenden Rüstsätze (Rüstsatztypen) bzw. die damit verbundenen funktionalen Forderungen bezüglich ihrer Zukunftsfähigkeit zu bewerten,
  • den Grundsatz der Trennung von Mobilität und Funktionalität wo immer möglich und unter Rückgriff auf standardisierte Ladungsträger (Standard-Wechselpritschen), Funktionscontainer bzw. Funktionscontainerhüllen zur künftigen Aufnahme bzw. Integration der Rüstsätze umzusetzen und
  • unter Berücksichtigung des durch den Bedarfsträger für erforderlich gehaltenen Fähigkeitserhalts/-aufwuchses der Rüstsätze und der Mobilitätsträger (Lkw) die Umsetzung der Regeneration der Rüstsätze auf der Zeitachse zu priorisieren.

Die Bedarfe sollen mit dem diesjährigen Planungszyklus beginnend, also ab 2023, und dann in jährlichen Teilpaketen in den Planungsprozess eingebracht und realisiert werden.

Kraftstoffresilienz

Auch das Gestaltungsfeld der Kraftstoffresilienz beeinflusst die Überlegungen und Entscheidungen zu den konzeptionellen Bedarfen der Streitkräfte innerhalb des Systems der Landmobilität. Wie bekannt, erfolgt die Versorgung der Landsysteme mit Betriebsstoff entlang der Vorgaben der NATO-weit akzeptierten Single Fuel Policy. Die sieht – vereinfacht ausgedrückt – vor, dass Landsysteme in Krise und Konflikt mit Flugturbinenkraftstoff betrieben werden können müssen, welcher lediglich durch Zugabe von Additiven entsprechend aufbereitet wird.

Dies folgt dem Rational, dass die eingesetzten Luftfahrzeuge die Großverbraucher sein werden und damit bestimmen, welcher Treibstoff dann auch für die Landsysteme als Single Fuel zur Verfügung steht. Daraus ergibt sich das Erfordernis, dass Landsysteme in der Lage sein müssen, mit Betriebsstoffen zurecht zu kommen, bei denen der Schwefelgehalt bis zu 3.000 parts per million (ppm) betragen kann, also um ein Vielfaches höher ist als in handelsüblichen Dieselkraftstoffen, die der entsprechenden Euronorm genügen.

Das hat Auswirkungen auf die Gestaltung der Abgas- und Abgasnachbehandlungsnachsysteme der Landsysteme, denn die für die Umsetzung der Single Fuel Policy erforderliche Kraftstoffresilienz steht in Konkurrenz zu den gesetzlichen Vorschriften zur Luftreinhaltung, das heißt, den einzuhaltenden gesetzlichen Abgasnormen. Für Gefechtsfahrzeuge und militarisierte Lkw ist gefordert, dass diese ohne Einschränkung gemäß Single Fuel Policy betrieben werden können. Hierzu erforderliche Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Bau- und Zulassungsbestimmungen sind die natürliche und unumgängliche Folge.

Etwas schwieriger wird die Situation, wenn man an die vorangehend erläuterte Bedeutung des Anteils, der durch die BwFPS GmbH bereitgestellten hümS und hüSd Fahrzeuge denkt. Schließlich gilt hier für die Beschaffung der Grundsatz der Anmietung und Bereitstellung von handelsüblichen Fahrzeugen und Geräten. Damit stehen zunehmend nur noch Produkte zur Verfügung, deren Abgas- und Abgasnachbehandlungssysteme auf die Einhaltung der aktuellen Abgasnormen optimiert sind.

Damit sind unweigerlich Einschränkungen hinsichtlich der Kraftstoffresilienz beim Betrieb gemäß Single Fuel Policy verbunden, sodass gegenwärtig für diese Flottenanteile (im Schwerpunkt hümS) unter den zu erwartenden Einsatzbedingungen lediglich eine Mindestreichweite ohne funktionale Einschränkungen gefordert wird. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Gestaltungsfeld Kraftstoffresilienz weiter auswirken wird unter dem Aspekt einer künftigen Verwendung von synthetischen Kraftstoffen und den allgemeinen gesetzlichen Vorgaben zur Verringerung von Abgasemissionen und Maßnahmen zur Nachhaltigkeit, denen sich die Streitkräfte nicht verschließen können und werden.

Automatisierung und unbemanntes Fahren

Automatisierung und unbemanntes Fahren ist ein Gestaltungsfeld, welches sich insbesondere auf die konzeptionellen Bedarfe in den Jahren ab 2027 ff. auswirken wird. Bis dahin soll in den Streitkräften eine Anfangsbefähigung geschaffen werden, die es ermöglicht, auf der Grundlage der laufenden F&T-Projekte, wie etwa dem Interoperablen Robotik Konvoi, querschnittliche militarisierte Lkw so auszustatten, dass bemannte Führungsfahrzeuge eine Reihe weiterer unbemannter gleichartiger Fahrzeuge führen können.

Neben der offensichtlichen Reduzierung des Gefährdungspotentials durch Einsparung von Besatzungen in der konkreten Einsatzsituation lässt sich durch den entschlossenen Ausbau dieses Gestaltungsfeldes im Optimalfall zumindest teilweise kompensieren, dass Dienstpostenumfänge in den Strukturen logistischer Leistungserbringer in der Domäne Unterstützung mit jenen in den übrigen Domänen Führung, Aufklärung und Wirkung konkurrieren müssen. Es ist davon auszugehen, dass zur Aufgabenerfüllung in der Domäne Unterstützung ein höherer Grad an Automatisierung zwingend notwendig werden wird.

Bild 6: Die elektronische Kolonne hat noch keinen Eingang in die Truppe gefunden (Quelle: Fraunhofer FKIE)

In den weiteren jährlichen Bedarfskonkretisierungen sind in den Ressourcen- und Systemverbünden die Einheiten und Teileinheiten zu identifizieren, in denen die Automatisierung eine Chance bietet, die logistische Leistungserbringung bruchfrei und mit insgesamt verringertem Personalbedarf sicherzustellen. Dabei darf nicht aus den Augen verloren werden, dass sich nicht jede logistische Aufgabe für eine Automatisierung anbietet und dass letzten Endes die konkreten Einsatzbedingungen diktieren, wo auf eine gut ausgebildete und selbständig handelnde Besatzung verzichtet werden kann und wo dieses ausgeschlossen ist.

Die Bewegung von Marschgruppen mit logistischen Fahrzeugen auf Hauptversorgungsstraßen ist sicherlich ein mögliches Szenar für einen gewissen Automatisierungsgrad im Gegensatz zur Wahrnehmung von logistischen Aufgaben innerhalb der Versorgungsdienste von verbrauchenden Truppenteilen, welche auch unter taktisch schwierigen Einsatzbedingungen zu erbringen sind. Neben der Identifikation von Einsatzmöglichkeiten automatisierter Landsysteme innerhalb von Versorgungsketten muss aber auch herausgearbeitet werden, ob durch die Einsparung von militärischen Kraftfahrern und Beifahrern tatsächlich Personal für andere Aufgaben eingespart bzw. freigesetzt werden kann oder ob dieses dann nicht – entsprechend höher qualifiziert – benötigt wird, automatisierte Landsysteme zentral zu steuern bzw. um diese überwachen zu können. Technisch bieten die bereits heute eingeführten bzw. zur Einführung heranstehenden modernen militarisierten Lkw auf jeden Fall vielfältige Möglichkeiten zur nachträglichen Implementierung von Steuerungskits, Sensorik und Aktuatoren, um diese Fahrzeuge nach erfolgter Einrüstung auch ohne Besatzung einsetzen zu können.

Bild 7: Der Probot V2 wurde vom Fraunhofer FKIE für seine Rolle als MULE getestet (Quelle: Fraunhofer FKIE)

Weiterentwicklung des Systems Landmobilität

Die Entwicklung des Systems der Landmobilität innerhalb der beschriebenen Gestaltungsfelder sowie die konkrete Umsetzung bzw. Realisierung der konzeptionellen Bedarfe in Rüstungsprojekte zur Sicherstellung des notwendigen Fähigkeitserhalts und -aufwuchses ist eine planerische Herkulesaufgabe. Sie fußt auf den Vorgaben des FPBw und leitet im Rhythmus der jährlichen Planungszyklen im Rahmen des Strategischen Fähigkeitscontrollings ab, welche Mobilitätsbedarfe in welcher Priorität und in welchem Umfang auf der Zeitachse zu decken sind. Selbstredend ist damit lediglich die planerische Voraussetzung geschaffen, das System Landmobilität so weiter zu entwickeln, dass die Zielerreichung in den Zwischenschritten des FPBw (2027 bzw. 2031) möglich ist. Dieses planerische Ergebnis lässt sich natürlich nur dann in die Tat umsetzen, wenn es gelingt, identifizierte Maßnahmen als Rüstungsprojekt auf den Weg zu bringen und zeitgerecht im erforderlichen Umfang zu realisieren. Trotz der eingeleiteten Trendwenden Personal und Material ist hier ein weiter Weg zu gehen und im Bereich der rüstungsinvestiven Ausgaben eine bis 2031 stetig steigende Finanzlinie unerlässlich.

Absehbar dagegen ist die planerische Herausforderung, das System der Landmobilität innerhalb der haushälterischen Rahmenbedingungen so fortzuentwickeln, dass verfügbare Finanzmittel entlang der ermittelten konzeptionellen Bedarfe zielgerichtet und zum größtmöglichen Nutzen eingesetzt werden.

Autor: Oberstlt i.G. Ralph Willi Jeroma, Referent in der Abteilung Planung des BMVg.

Schutzbedarfsmatrix für Landfahrzeuge der Bundeswehr

Landmobilität der Bundeswehr Schutz

Dieser Artikel ist der Vierte von fünf einer Reihe, der im Informationsheft des Blauer Bund e.V. fortgesetzt wird. [Red]

Seit der Annexion der Krim durch Russland und den anhaltenden Kampfhandlungen im Osten der Ukraine ist die regelbasierte euroatlantische Friedens- und Stabilitätsordnung offen infrage gestellt. Diese „Rückkehr“ zwischenstaatlicher Konflikte stellt eine zusätzliche sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit dar, die sich nicht zuletzt auch wesentlich auf den Charakter möglicher zukünftiger Einsatzszenare der Streitkräfte auswirkt.

Für die Bundeswehr bringt das nach Jahren der ausschließlichen Konzentration auf Einsätze im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements (IKM) die Notwendigkeit mit sich, nun zusätzlich die umfassende Befähigung zur kollektiven Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) zurückerlangen zu müssen.

Dazu ist es erforderlich, diesen Charakter insbesondere bezüglich LV/BV zu analysieren und spezifische Anforderungen abzuleiten. Dabei hat in Bezug auf den Erfolg der Operationsführung insbesondere der Aspekt Schutz der Operation einen sehr bedeutenden Stellenwert. Eine wesentliche Fragestellung richtet sich dabei auf die Art und die Intensität der Bedrohung und damit verbunden auch auf die Frage, mit welchem Schutz dieser zu begegnen ist. Dies wird absehbar auch für die Landmobilität zu einem fundamentalen Umdenken führen. Mit dem Konzept Landmobilität der Bundeswehr wird zum einen der bisher erfolgreich eingeschlagene Weg der Modernisierung bruchfrei fortgesetzt und zum anderen werden zukunftsweisende und klare qualitative Vorgaben gegeben. Diese sind die Leitplanken für den notwendigen Aufwuchs und die dringende Regeneration – u.a. auch mit Vorgaben zur Ableitung einer sinnvollen Gewichtung von geschützten zu ungeschützten Fahrzeugen. Dem elementaren Stellenwert im militärischen Kontext angemessen, ist Schutz eines von vier Gestaltungsfeldern dieses Konzepts und Schwerpunkt dieses Artikels.

 Begriff Schutz in Bezug auf Fahrzeuge

Militärische Fahrzeuge müssen einen nach Zweck, Risiko und Funktion abgestuften Schutzgrad aufweisen. Grundsätzlich sollte der Einsatz von Soldaten immer mit bestmöglichem Schutz erfolgen. Aus dieser singulären Überlegung heraus eine Vollausstattung der Bundeswehr mit geschützten Fahrzeugen abzuleiten, wäre jedoch aus mehreren Gründen nicht sinnvoll.

Zum einen sind die klassischen geschützten Fahrzeuge deutlich schwerer als die ungeschützten Varianten, was immer zu Lasten von Mobilität und Geschwindigkeit geht sowie regelmäßig einen höheren Verschleiß mit sich bringt. Auch die deutlich höheren Beschaffungskosten im Vergleich zu fähigkeitsbezogen gleichwertigen, ungeschützten Fahrzeugen machen schnell klar, dass eine Vollausstattung mit geschützten Fahrzeugen im Spannungsfeld der effizienten Nutzung von Ressourcen und auftragsgerechter Ausstattung nicht sachgerecht wäre.

Außerdem sind bei LV/BV neben rein konstruktiven Maßnahmen regelmäßig auch taktische Schutzmaßnahmen vorzusehen, welche die eigenen Wirkungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Fähigkeiten eines Gegners optimal zur Entfaltung bringen, um auf diese Weise das Schutzniveau der Fahrzeuge zu erhöhen. Es kommt demzufolge insbesondere bei LV/BV darauf an, unter anderem die eigene Wirkungsmöglichkeit mit hoher Priorität einzubeziehen. Der alte Grundsatz „Wirkung geht vor Deckung“ macht diesen bewährten Gedanken greifbar.

Schutz ist also als System sich ergänzender Maßnahmen und Mittel zu verstehen, das dem Erhalt der Handlungs- und Einsatzfähigkeit dient und so essentiell zur Landmobilität als wesentlicher Pfeiler in Landoperationen beiträgt.

Schutzbedarf

Für die LV/BV ergibt sich der Schutzbedarf aus dem konkreten Auftrag und der daraus abgeleiteten differenzierten Bedrohung. Die Ableitung erfolgt regelmäßig als Kombination der zu erwartenden Bedrohungsart (Bedrohungscluster) und der Einsatzdauer/-häufigkeit innerhalb dieses Bedrohungsclusters.

Der zu erwartende Zeitraum, in dem ein Fahrzeug einer spezifischen Bedrohung ausgesetzt ist, unterscheidet den dauerhaften, den überwiegenden und den punktuellen Einsatz der jeweiligen Kräfte im entsprechenden Bedrohungscluster. Ein dauerhafter Einsatz ist gegeben, wenn der Kernauftrag durchweg im angegebenen Bedrohungscluster erfüllt wird. Unter überwiegendem Einsatz ist zu verstehen, dass der Kernauftrag dazu zwingt, sich regelmäßig und für längere Zeit in dem angegebenen Bedrohungscluster aufzuhalten. Bei punktuellem Einsatz ist ein zeitlich eng begrenzter Aufenthalt möglich, aber nicht Teil des Kernauftrags.

Es sind grundsätzlich also die Fragen „Welcher Bedrohung bin ich ausgesetzt?“ und zusätzlich „Wie lange bin ich dieser Bedrohung ausgesetzt?“ zu beantworten. Daraus ergibt sich ein abgestufter Schutzbedarf von „höchstem Schutz“, „hohem Schutz“, „niedrigem Schutz“ bis „ungeschützt“.

Nach Ableitung des grundsätzlichen Schutzbedarfes ist zu entscheiden, welche Maßnahmen geeignet sind, um den ermittelten Bedrohungen angemessen zu begegnen und damit das notwendige Schutzniveau zu erreichen.

Schutzniveau

Schutzbedarfe können u. a. konstruktiv durch Maßnahmen gemäß den unterschiedlichen Schutzklassen nach dem NATO Standardization Agreement (STANAG) 4569 gedeckt werden. Dies ist die vermutlich gängigste Maßnahme, da es sich um passiven Schutz durch Panzerung handelt. Hierbei sind bezüglich der Schutzklassen ballistischer Schutz, Minenschutz und Schutz gegen Improvised Explosive Devices (IED) zu betrachten. Niedriger Schutz kann prinzipiell auch mit modularen Schutzelementen erreicht werden, während hoher und höchster Schutz in aller Regel eines integrierten Schutzansatzes bedarf.

Diese Panzerungsmaßnahmen sind jedoch bei weitem nicht die einzigen Maßnahmen zum Erreichen eines adäquaten Schutzniveaus, zudem sind sie meist sehr teuer und reduzieren aufgrund des vergleichsweise hohen Gewichts auch die Mobilität und die Zuladungsreserven für mögliche weitere Fähigkeiten. Die Agilität eines Fahrzeuges wird jedoch durch ein geringes Leistungsgewicht erreicht. Daher sinken bei unveränderten Leistungsdaten Agilität, Mobilität und Nutzlast, sobald die Masse durch Schutzkomponenten am Fahrzeug steigt. Für die Mobilität sind sowohl Aspekte einer Befahrbarkeit verschiedener Oberflächenprofile (z. B. Befahrbarkeit von (feuchten) Böden mit reduzierter Tragfähigkeit) als auch Einschränkungen bei der Verlegefähigkeit (z. B. hinsichtlich Größe und Gewicht) zu betrachten. Es geht beim Thema Schutz also auch um die möglichen Einsatzoptionen eines Fahrzeugs.

Ergänzend oder wenn das abgeleitete notwendige Schutzniveau nicht alleine durch Maßnahmen entsprechend STANAG 4569 systemverträglich erreicht werden kann, können weitere Schutzfaktoren zum Erreichen des erforderlichen Schutzniveaus beitragen. Diese sind bspw. Bewaffnung, aktive Schutzsysteme, Wirkmittelwerfer, (multispektrale) Silhouettenreduzierung, Schutzzeichen, Geländegängigkeit und taktische Verfahren.

Entscheidend für das Erreichen des angestrebten Schutzniveaus ist demzufolge das Gesamtsystem, das die konstruktiven Maßnahmen zur Härtung/Panzerung und alle weiteren auf die spezifische Bedrohung bezogenen Schutzfaktoren umfasst. Nur durch die unterschiedliche Gewichtung all dieser Aspekte zur Herstellung eines adäquaten Schutzniveaus der Landfahrzeugflotte ist die bestmögliche Ausstattung erreichbar.

Es bleibt festzuhalten, dass Wirkung und Auftragserfüllung bei LV/BV stets Vorrang haben, Risiken daher gegebenenfalls hinzunehmen sind. Ein angemessenes Schutzniveau hilft jedoch, diese Risiken deutlich zu reduzieren und damit wiederum zum Gesamterfolg beizutragen.

Gesamtsystem Schutz

Unter Schutz sind alle Maßnahmen und Mittel zur Begegnung von Bedrohungen, insbesondere durch gegnerische Einwirkung, sowie zum Erhalt der eigenen Handlungsfähigkeit und der Einsatzfähigkeit eigener Kräfte und Mittel zu verstehen. Im Schwerpunkt sollen Aufklärung, Zielerfassung, Treffer, Durchschlag und Wirkung im getroffenen Ziel durch gegnerische Kräfte verhindert werden. Mögliche Kollateralschäden sind in die eigene Bewertung mit einzubeziehen. Der Schutzbedarf eigener Kräfte kann an der Führungs-, Aufklärungs- und Wirkungsfähigkeit möglicher Gegner gemessen werden. Schutz besteht somit aus einem integralen System von Maßnahmen in Abhängigkeit von und im Spannungsfeld zwischen Auftragslage und Bedrohung.

Dabei ist Schutz wie folgt zu differenzieren:

  • Indirekter Schutz zielt auf Verfahren und organisatorische Maßnahmen, um das Auftreten einer Bedrohung schon im Vorfeld zu verhindern oder deren Wirksamkeit zu minimieren.
  • Direkter Schutz besteht aus aktiven und passiven Schutzmaßnahmen bei vorhandenen Bedrohungen:
    • Aktiver Schutz zielt auf Vorbeugung, Vereitelung oder Verhinderung von Maßnahmen gegnerischer Kräfte.
    • Passiver Schutz hat die Eingrenzung der Wirksamkeit eines Angriffs bzw. seiner Folgen zum Ziel und wird vor allem durch Ausbildung, eine bedrohungs- und gefährdungsgerechte persönliche Schutzausstattung, taktische Beweglichkeit, materielle Schutzmaßnahmen (einschließlich geschützter Plattformen) und widerstandsfähige Infrastruktur erreicht. Er muss dort greifen, wo aktiver Schutz fehlt oder unwirksam ist bzw. nicht ausreicht.

Indirekter Schutz ist am wirksamsten, je höher die Ebene ist, die solche Rahmenbedingungen vorgibt. Strategisch können so langfristige und organisationsdurchdringende Maßnahmen greifen (bspw. durch Aus- und Weiterbildung). Auf taktischer Ebene werden diese Maßnahmen viel konkreteren Charakter haben, und zwar als unmittelbare, angemessene Antwort auf die vermutete Absicht des Opponenten, aber eben keine systemübergreifende Gültigkeit haben.

Besonders in einer auf Initiative zielenden Operationsführung sind auf allen Ebenen Maßnahmen des aktiven Schutzes grundsätzlich vorrangig gegenüber Maßnahmen des passiven Schutzes.

Die verschiedenen Maßnahmen von Schutz sind interdependent, bilden ein Gesamtsystem und sind deshalb umfassend zu betrachten.

Landfahrzeuge können mit baulichen Elementen passiven Schutz gewährleisten, etwa in der Art eines Zwiebelschalenprinzips. Zuerst soll die Entdeckbarkeit und Identifizierbarkeit gemindert werden, da damit die Zielauffassung des Gegners erschwert wird. Falls es dennoch zur Auslösung eines kinetischen Penetrators – also klassisch zu einem Beschuss – gekommen ist, sollen sich treffervermeidende Komponenten schützend auswirken. Ist deren Erfolg nicht gegeben, muss die Wirkung vermindert, also am besten ein Durchschlag verhindert werden. Und als innerster Kern dieser Zwiebelschale bleibt, zumindest einen Totalausfall zu verhindern bzw. ein Überleben der Insassen und die weitere, wenn auch eingeschränkte, Nutzbarkeit des Fahrzeugs zu sichern.

 Zielkonflikt Schutz und Mobilität

Um für Streitkräfte die bestmögliche Ausstattung auch bei Landfahrzeugen zu erreichen, gilt es ganz besonders, das Spannungsfeld zwischen Schutz und Mobilität auf der Suche nach Optimierungen im Auge zu behalten.

Schon bei der Konfiguration und späteren Konstruktion von Fahrzeugen stellt dieses vielleicht die größte technische Herausforderung dar. Ziel ist es, hohe Mobilität und bedrohungsgerechten, einsatzoptimierten Schutz des Fahrzeugs und seiner Besatzung in einem ausgewogenen Verhältnis zu vereinen. Wie aufgezeigt, benötigt passiver Schutz durch Panzerung regelmäßig viel Masse, was immer zulasten von Agilität, Mobilität und Nutzlast geht.

Daher ist es sinnvoll, Fahrzeugsysteme abgestuft und bestmöglich angepasst auf den vorgesehenen Einsatzzweck auszustatten. Dabei ist insbesondere unter Berücksichtigung des Familiengedankens auch die Möglichkeit zu betrachten, ungeschützte Fahrzeuge für den Betrieb Inland einzusetzen, die mit skalierbarem Schutz gehärtet oder – im Falle von LKW – darüber hinaus für den Einsatz mit geschützten Fahrerhäusern ausgestattet werden können.

Die Fähigkeit, sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen, ist neben Panzerung, Tarnung und dem Vermögen, sich gegnerischer Bedrohung durch eine hohe taktische Beweglichkeit zu entziehen, essentieller Bestandteil des Gesamtsystems Schutz. Folgerichtig muss auch die Bewaffnung beim Abwägen von Schutzmaßnahmen mit einbezogen werden.

Mit Priorität auf der Erfüllung des Kernauftrages sind die zur Wahl stehenden Maßnahmen effektiv auszubalancieren. Eine gezielte und gewichtete Kombination aller Mittel (bspw. Bewaffnung, aktive Schutzsysteme, Maßnahmen zur Silhouettenverkleinerung und taktische Verfahren) liefert demzufolge den bestmöglichen Beitrag zur Erhöhung des Schutzniveaus.

Eine Landmobilität, die dieses Verständnis des Gesamtsystems Schutz mit Leben füllt, leistet einen wichtigen Beitrag, dass Deutschland auch in Zukunft in der Lage sein wird, seinen sicherheitspolitischen Verpflichtungen gemäß Grundgesetz und auch innerhalb der verschiedenen Bündnisse, wie NATO und EU, angemessen nachzukommen.

Autor und Abbildungen: Oberstleutnant i.G. Daniel Gerlach, BMVg Plg II 5

Blauer Bund Die vier Gestaltungsfelder des Konzepts Landmobilität der Bundeswehr

Landmobilität der Bundeswehr – Kraftstoffresilienz

Dieser Artikel ist der Dritte von fünf einer Reihe, der in den Newslettern des Blauer Bund e.V. fortgesetzt wird. [Red]

„Ohne Mampf kein Kampf, ohne Verpflegung keine Bewegung“ ist ein allseits bekanntes, geflügeltes Sprichwort im militärischen Kontext. Die grundsätzliche Richtigkeit dieser Aussage wird wohl auch niemand in Frage stellen. Gleiches gilt auch für Landfahrzeuge. Nur sind der „Mampf“ bzw. die „Verpflegung“ in diesem Fall der Kraftstoff.

Kraftstoff ist maßgeblich zur Sicherstellung der Durchhaltefähigkeit militärischer Landoperationen. Die Versorgungssicherheit mit Kraftstoff wird durch eine weitgehende Standardisierung signifikant verbessert.

Für die Bundeswehr mit ihrem großen und vielschichtigen Fuhrpark gilt es in diesem Themenfeld mehrere Spannungsfelder zu berücksichtigen. Fahrzeuge der Bundeswehr müssen auch ausfallsicher mit Kraftstoffen betrieben werden können, die nicht klassisch an den Tankstellen in der EU erhältlich sind. Insbesondere dann, wenn diese bei Gefechtshandlungen und Stabilisierungsoperationen eingesetzt werden. An Fahrzeuge, die rein für die Durchführung von Dienstreisen im Grundbetrieb vorgesehen sind, werden solche Anforderungen nicht gestellt. Diese sind grundsätzlich handelsüblich.

Im Spannungsfeld zwischen gesetzlichen Vorgaben nach immer emissionsärmeren Fahrzeugen und militärischen Forderungen unter anderem nach Versorgungssicherheit mit vereinheitlichten Kraftstoffen und einer weitestgehenden Störunanfälligkeit in Bezug auf die Motorentechnik ist technische Flexibilität der Schlüssel zum Erfolg – hier sprechen wir von Kraftstoffresilienz. Diese wurde neben „Schutz“, „Automatisierung und Unbemanntes Fahren“ und „Trennung von Mobilität und Funktionalität“ im neuen Konzept Landmobilität der Bundeswehr als eines von vier Gestaltungsfeldern identifiziert, die die Leitlinien für die zukünftigen Fähigkeiten in der Landmobilität sind (siehe Abbildung 1). Sie stellt nicht einfach eine technische Funktionalität dar, sondern ist eine wesentliche Grundlage für die sichere Auftragserfüllung.

Im Betrieb im Inland, aber auch innerhalb Einsatzliegenschaften, werden darüber hinaus bereits heute schon Fahrzeuge mit Elektro-, Benzin- oder Gasantrieb eingesetzt. Diese sind in militärischen Einsatzszenaren allerdings selbst mittelfristig nur bedingt nutzbar und sind hier nicht näher zu betrachten.

Aufgrund ihrer Relevanz werden im Folgenden die Gesichtspunkt Abgasnorm, NATO Single Fuel Policy und Nachhaltigkeit sowie deren technische und konzeptionelle Ausgestaltung eingehender beleuchtet.

Gesichtspunkt Abgasnorm

Bestehende Abgasnormen (z.B. EURO-Norm) legen für Abgase von Kraftfahrzeugen die Grenzwerte von zum Beispiel

  • Kohlenstoffmonoxid (CO),
  • Stickstoffoxid (NOx),
  • Kohlenwasserstoff (HC) und
  • Partikeln (PM)

fest und unterteilen die Fahrzeuge somit in Schadstoffklassen. Die Grenzwerte unterscheiden sich dabei sowohl nach der Art des Motors (Otto- oder Dieselmotor) als auch nach Kraftfahrzeugtyp (PKW, LKW etc.) und unterliegen weltweit einer zunehmenden Verschärfung. Diese bedingt bei Verbrennungsmotoren eine immer diffizilere Technik und auch immer höhere Ansprüche an den zu verwendenden Kraftstoff.

Die aktuell gültigen Abgasnormen, die ohne die Nutzung von Ausnahmetatbeständen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis eingehalten sein müssen, sind für PKW „Euro 6d Temp“ und für LKW „Euro VI“. Auf die Auswirkungen dieser Abgasnormen auf das Gestaltungsfeld Kraftstoffresilienz wird im Weiteren verwiesen.

Gesichtspunkt NATO Single Fuel Policy

Zielsetzung des Single Fuel Concepts ist die Nutzung eines einzigen standardisierten und kompatiblen Kraftstoffs für landgestützte militärische Operationen der NATO. Diese Single Fuel Policy (SFP) wendet die Bundeswehr durchgehend an. Sie fordert unter anderem auch die Verträglichkeit aller Fahrzeuge für Flugkraftstoff auf Kerosinbasis.

Grundlagen dieser hohen Standardisierung im Zusammenhang der SFP sind die NATO Standardisation Agreements (STANAG) 1414 „Guidelines to Ensure that Contractors Design and Supply New Equipment Capable of Using Standardized Products“ und die STANAG 1135 “Interchangeability of Fuels, Lubricants and Associated Products Used by the Armed Forces of NATO”. Für Landfahrzeuge gilt die STANAG 4362 „Fuels for Future Ground Equipment using Compression Ignition or Turbine Engines”.

Bei ausschließlich kraftstoffgeschmierten Diesel-Einspritzsystemen führt die reine Verwendung von Kerosin aufgrund seiner niedrigen Schmiereigenschaften zu teils katastrophalem Verschleiß mit Frühausfällen. Um die Verfügbarkeit auch dieser Dieselmotoren nicht zu gefährden, dosiert die Bundeswehr bei der Umsetzung der NATO SFP dem Kraftstoff F-34 ein Additiv mit dem NATO-Kode „S-1750“ hinzu, was auch bei handelsüblichem Dieselkraftstoff nach EN 590 ein übliches Verfahren ist. Derart „aufdosiertes“ F-34 bezeichnet die NATO mit dem Kode „F-63“.

Solche standardisierenden Vorgaben haben allesamt das primäre Ziel, die Versorgungsketten für Kraftstoff so einfach wie möglich zu halten und damit auch unter schwierigsten militärischen Rahmenbedingungen zu funktionieren. Deswegen verwenden die Streitkräfte der NATO nahezu ausschließlich dieselangetriebene Landfahrzeuge, da deren Betrieb einheitlich mit F-34 möglich und dieser Kraftstoff weltweit verfügbar ist. Die zukunftssichere Bereitstellung solcher Fahrzeuge in den hier beschriebenen Spannungsfeldern ist eine gestalterische Aufgabe in Planung und Rüstung.

Anwendung der NATO SFP im Zusammenhang mit gesetzlichen Abgasnormen für die Bundeswehr

Da bei Verbrennungsmotoren Ölperformance und Abgaszusammensetzung eng mit der Qualität des Kraftstoffs verknüpft sind, erreicht die Bundeswehr bei typischen Einsatzfahrzeugen, insbesondere bei Gefechtsfahrzeugen, maximal die EURO 3-Technologie. Höhere Abgasstandards sind mit den Kraftstoffen der NATO SFP in der Regel aufgrund der vergleichsweise höheren Schwefelgehalte nicht erreichbar.

Der Betrieb von Motoren, die nach Euro 4-Norm oder höher zertifiziert sind, ist mit NATO Single Fuel technisch nur unter Verschlechterung der Abgasqualität möglich, was für die militärische Nutzung explizit in Kauf zu nehmen ist.

Eine generelle Abkopplung von den Entwicklungen bei der Motorentechnik im Zusammenhang mit der jeweils gültigen Abgasnorm ist jedoch auch für militärische Fahrzeuge nicht vorgesehen. Vielmehr soll es möglich werden, Abgasreinigungseinrichtungen derart zu verbauen, dass das Fahrzeug im Normalbetrieb mit handelsüblichem Kraftstoff die möglichst beste Abgasnorm erfüllt. Bei Bedarf ist dann die Abgasreinigungseinrichtung durch Instandsetzungspersonal zu entfernen und die Motorsteuerung so umzuprogrammieren, dass ein durchhaltefähiger Betrieb auch mit Kraftstoffen der NATO SFP dauerhaft möglich ist. Umgekehrt kann später die entfernte Abgaseinrichtung wieder montiert und die Motorsteuerung in den Ursprungszustand zurückgebracht werden, damit das Fahrzeug im Normalbetrieb wieder mit der ursprünglichen Abgasnorm genutzt werden kann.

Die uneingeschränkte Funktions- und Betriebssicherheit neuer Motoren für die Nutzung von F-34 wird bei einer Erprobung nachgewiesen. Hier werden im Rahmen des NATO-Prüflaufs nach AEP-5[1] die Hälfte der Erprobungszyklen grundsätzlich mit F-34 absolviert, was auch den sicheren Betrieb bei späterer Nutzung von F-63 gewährleistet. Handelsübliche Motoren, deren Einspritzausrüstung absehbar inkompatibel mit F-34 ist, werden bei der Erprobung mit F-63 betrieben. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass auch besonders geeignete Motorenöle helfen können. So hat die Bundeswehr in Ergänzung zum bewährten Motorenöl (O-236) ein aschearmes Motoröl (O‑1180) eingeführt, das unter solchen Betriebsbedingungen zur Durchhaltefähigkeit des Motors entscheidend beiträgt.

Die Bundeswehr setzt, abgeleitet aus den Vorgaben der NATO (bspw. SFP), auch weiterhin auf den Dieselmotor als primären Antrieb in der Landmobilität. So wird die Forderung, Treibstoffe auf der Basis schwefelhaltiger Kerosin-Kraftstoffe (F-34) nutzen zu können, am besten erfüllt. Aufgrund der weiter voranschreitenden Verschärfung geltender Abgasnormen wird dabei die bewährt enge Einbindung des Zentrums für Kraftfahrwesen der Bundeswehr immer wichtiger werden.

Gesichtspunkt Nachhaltigkeit

Das gesamtstaatliche Ziel der Nachhaltigkeit manifestiert sich bei Kraftstoffen maßgeblich durch das Ziel der schrittweisen CO2-Neutralität (Decarbonisierung) und die Abkehr von fossilen Kraft- und Brennstoffen (Defossilierung). Zusätzlich ist das künftig erwartete Erreichen des Erdöl-Fördermaximums („Peak Oil“) ein zusätzliches Risiko der Versorgungssicherheit. Die resultierende notwendige gesamtstaatliche Reaktion auf die beiden Effekte sind bekanntlich:

  • eine Klimawende unter Reduktion durch fossile Energieträger freigesetztes CO2 auf Null bis zum Jahre 2050 (nationale Zielvorgabe im Bundesklimaschutzgesetz) und
  • eine Energiewende hin bis zur ausschließlichen Nutzung erneuerbarer Energien und alternativer, klimaneutraler Energieträger.

Welche Auswirkungen dies für militärische mobile Systeme und dabei vor allem für Landfahrzeuge hat, ist zeitnah zu identifizieren, zu analysieren und zu bewerten. Entsprechende Untersuchungen wurden im BMVg bereits auf wissenschaftlicher Basis durch den Expertenkreis „Mobile Energiesysteme“ des Gesprächskreises „Nachhaltige Innovative Energiesysteme“ durchgeführt. Erste Handlungsempfehlungen liegen vor.

Alternative Energieträger und militärische Mobilität

Die Nutzbarkeit alternativer Energieträger für die Bundeswehr hängt maßgeblich von der Leistungsdichte ab, da diese in militärischen Szenaren maximal hoch sein muss. Zusätzlich gibt die NATO SFP Rahmenbedingungen für solche Energieträger vor.

Die aktuellen zivilen Megatrends in der Energiewende fokussieren sich derzeit in der Landmobilität primär auf die künftige Nutzung von Akkumulatoren und/oder mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen für die Elektromobilität sowie mit Wasserstoff betriebenen Verbrennungsmotoren.

Ob solche militärisch geeignet sind, hängt vor allem vom Gewicht des Landfahrzeugs ab. Die Leistungsdichte derzeitig zur Verfügung stehender wiederaufladbarer Lithiumbatterien, des chemischen Energieträgers Wasserstoff und von Erd-/Methangas ist zu gering, um beispielsweise gepanzerte Fahrzeuge und Luftfahrzeuge betreiben zu können. Dies zeigt die folgende Abbildung anhand von Berechnungen eines „Kampfpanzeräquivalents“ mit einem Gewicht von 60 Tonnen und einer Motorleistung von 1.100 kW. Ein solcher Elektroantrieb für gepanzerte Fahrzeuge ist absehbar nicht realisierbar, da für einen rein elektrischen Antrieb mit der derzeitigen Lithiumionenbatterietechnik ein zusätzliches Gewicht von 10 t bei einem Zusatzvolumen von 6 m3 benötigt würde.

Synthetische Kraftstoffe

Für die NATO hat das Energy Security Centre of Excellence im Jahr 2016 unter dem Begriff Interoperabilität auch die Fähigkeit seiner Partner zur robusten Querversorgung von Kraftstoffen betont. Dabei wurden aufgrund ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften flüssige Kraftstoffe als Bestandteil der NATO SFP als besonders geeignet aufgezeigt. Zusätzlich sind Fragestellungen der mittel- und langfristigen Versorgungssicherheit untersucht sowie Aspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Dabei wurde einvernehmlich festgestellt, dass für diese Zeitschienen eine stetig steigende Beimischung synthetischer zur teilweisen Substitution fossiler Kraftstoffe immer mehr an Bedeutung gewinnen wird. Langfristig kann bei der Herstellung solcher synthetischen Kohlenwasserstoffe sogar eine überwiegende Nutzung regenerativer Quellen gelingen, was sich zusätzlich positiv auf die Nachhaltigkeit auswirken würde.

Zurzeit wird dazu in der NATO eine Untersuchung durchgeführt, die bis 2021 die Auswirkungen und Möglichkeiten der Nutzung synthetischer Kraftstoffe für NATO-Bodenfahrzeuge und die Umsetzbarkeit in der NATO SFP beinhaltet. Die wichtigsten zu behandelnden Fragestellungen für synthetische Drop-In-Kraftstoffe hierbei sind:

  • der Einfluss auf die Funktionsfähigkeit und Leistung von Landfahrzeugen und
    –systemen,
  • die Auswirkungen auf die Kraftstoffspezifikationen und -eigenschaften,
  • die Implikation der Verwendung zugelassener Luftfahrtkraftstoffe in Landsystemen im Rahmen der NATO SFP,
  • die Auswirkungen auf militärische oder kombinierte zivil-militärische Verteilungs- und Lagersysteme und
  • die evtl. notwendige Anpassung militärischer Forderungen im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Genehmigungsverfahren für neue Kraftstoffe.

Ein großer Vorteil synthetischer Kraftstoffe ist das Enthalten derselben Kohlenwasserstoffe, wie bei zurzeit in Nutzung befindlichen Kraftstoffen auf Mineralölbasis. Damit verfügen sie auch grundsätzlich über die gleichen physikalischen und chemischen Eigenschaften. Eine Nutzung als Drop-In-Kraftstoff ist also durch Beimischung ohne Änderung bestehender Antriebssysteme und Logistik grundsätzlich möglich.

Aufgrund ihrer Reinheit sind synthetischen Kraftstoffen gewisse Additive beizumischen, die in Kraftstoffen auf Mineralölbasis durch deren vergleichsweise hohe Heterogenität bereits enthalten sind. Allerdings ist es ein großer Vorteil der Reinheit synthetischer Kraftstoffe, dass unerwünschte Bestandteile wie Schwefel- oder Stickstoffverbindungen ebenfalls nicht vorkommen. Dadurch wird u.a. das Erreichen gesetzlicher Abgasnormen wesentlich erleichtert.

Es gibt unterschiedliche Herstellungsverfahren für synthetische Flüssigkraftstoffe, die künftig parallel betrieben werden. Neben den seit einiger Zeit genutzten Biofermentationsverfahren („Biodiesel“) gibt es vermehrt sogenannte klimaneutrale Power-to-Liquid-(PtL-) Verfahren (“E-Diesel“). Dabei können durch neuartige Katalysetechniken und apparative Sektorenkopplungen die Wirkungsgrade von PtL‑Anlagen (ca. 60%) im Vergleich zur Photosynthese (ca. 30%) sogar höher sein. Da bei der Herstellung von E‑Diesel das vorher aus der Luft entnommene CO2 beim Verbrennungsprozess im Motor wieder freigesetzt wird, ist die Gesamt-CO2-Bilanz null und die Verwendung klimaneutral. Solche Kraftstoffe sind zurzeit im Zulassungsverfahren als Verbrennungsmotor- und Turbinenkraftstoff.

Inwieweit Hybridisierungsgrade und -techniken zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor eine Rolle für die Landmobilität spielen können, ist aus der folgenden Abbildung zu entnehmen. Je geringer die Masse und das Leistungsprofil eines mobilen Systems ist, desto eher wird eine Hybridisierung in Richtung Elektromobilität möglich. Zusätzlich ist auch die kontinuierlich steigende Anzahl und Leistung bordabhängiger und zusätzlicher externer Stromabnehmer zu berücksichtigen.

Ausblick

Kraftstoffresilienz hat als primär technisches Thema meistens wenig direkte Visibilität. Jedoch ist die wichtige Aufgabe, eine durchgehende Mobilität für alle Landfahrzeuge im jeweiligen Szenar sicherzustellen, Kern dieses Gestaltungsfelds. Damit trägt es dazu bei, entlang der im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr abgebildeten Zwischenschritte 2023, 2027 und 2031 sukzessive, auch unter dem Gesichtspunkt der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, die benötigten Landfahrzeuge zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus erscheint es lohnenswert, im Bereich der synthetischen Kraftstoffe weiter voranzuschreiten, um zum einen zusätzliche militärische Handlungsoptionen zu gewinnen und zum anderen auch der gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeit der Nachhaltigkeit angemessen Rechnung zu tragen ohne vom Grundsatz der SFP abweichen zu müssen.

Autoren und Abbildungen: Oberstleutnant i.G. Daniel Gerlach und Oberst d.R. Prof. Dr. Michael Faulde

[1] NATO Standard Engine Laboratory Test for Part 1: Gas Turbine Engines and Part 2: Diesel and Spark Ignition Engines

Landmobilität der Bundeswehr – Trennung von Funktionalität und Mobilität

Dieser Artikel ist der Zweite von fünf einer Reihe, der in den Newslettern des Blauer Bund e.V. fortgesetzt wird. [Red]

Die in den letzten Jahren geänderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen führten nach Jahren der ausschließlichen Konzentration auf Einsätze im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements zu der Erkenntnis, dass es notwendig geworden ist, zusätzlich die umfassende Befähigung der Bundeswehr zur kollektiven Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) zurückzuerlangen. Entsprechende Untersuchungen zum zukünftigen Charakter der LV/BV und dessen Auswirkungen werden im Zuge der Erarbeitung und Fortschreibung des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr (FPBw) seit 2017 durchgeführt.

Ziel der Befähigung zu kollektiver LV/BV ist neben der Sicherstellung der Integrität von nationalen Gewässern und des Luftraums in besonderem Maße die territoriale Integrität auf dem Land. In einem symmetrischen Konflikt um (Land-)Raum müssen daher immer auch ausreichend starke und durchhaltefähige Landstreitkräfte zur Verfügung stehen.

Die Durchhaltefähigkeit der Landstreitkräfte wird zu einem wesentlichen Teil durch logistische Fähigkeiten sichergestellt. Dabei ist es erforderlich, auf sich ändernde Lagen sowohl operativ als auch taktisch flexibel reagieren zu können. Hierzu bedarf es einer Weiterentwicklung der Landmobilität in den Streitkräften.

Der unterschiedliche Charakter von LV/BV zu Stabilisierungsoperationen wirkt sich auch auf szenarabgeleitete Fähigkeitsforderungen aus. Daher wurde im Zuge der Untersuchungen zum FPBw ein neues Konzept Landmobilität der Bundeswehr erstellt, das in vier Gestaltungsfeldern die Leitlinien für die zukünftigen Fähigkeiten in der Landmobilität festgelegt.

Bild: Schematische Übersicht der Gestaltungsfelder

Neben den eher technischen Gestaltungsfeldern „Schutz“, „Kraftstoffresilienz“ und „Automatisierung und Unbemanntes Fahren“ ist die „Trennung von Mobilität und Funktionalität“ ein vorrangig funktionales Gestaltungsfeld, dessen Umsetzung die Flexibilität und Durchhaltefähigkeit von Landstreitkräften einschließlich der unterstützenden Truppenteile in taktischer und logistischer Hinsicht maßgeblich erhöht.

In dieser Betrachtung ist Logistik nicht auf die Truppenteile begrenzt, die diese als Hauptauftrag haben, sondern ausdrücklich auch auf die Kräfte bezogen, die logistische Aufgaben in Verbänden mit anderem Hauptauftrag wahrnehmen. Es geht also vor allem darum, logistische Ketten und generelle Grundsätze zu betrachten, die geeignet sind, bspw. durch Standardisierung und ihre schiere Häufigkeit in der Bundeswehr, maßgeblich Einfluss auf die gesamte Logistik zu nehmen. Dort birgt sich systemisch die Chance, durch das Stellen genereller Weichen einen großen Benefit für die spätere Durchführung der Logistik zu generieren. Ziel ist es hierbei demnach, Festlegungen zum Zwecke der der Effizienzerhöhung zu treffen.

Vorgaben

Um dieser Effizienzerhöhung durch konsequente Berücksichtigung der Trennung von Funktionalität und Mobilität innerhalb der logistischen Kette zu ermöglichen, sind unter anderem standardisierte Schnittstellen vonnöten. Hierzu wurden erste Grundlagen bereits im Jahr 2017 mit den Durchführungsbestimmungen zum Leitfaden „Standardisierte Befestigung von Ladung auf LKW der Bundeswehr“ gelegt. Diese zeigen bereits detailliert auf, welche Rahmenbedingungen und Abhängigkeiten gelten. Unter anderem wird dort schon dezidiert bis auf die Ebene der benötigten bzw. nutzbaren Umschlagmittel für das Auf- und Absetzen der Funktionsträger eingegangen. Durch diese technischen Vorgaben wird zusätzlich größtmögliche Kompatibilität mit der zivilen Logistikbranche erreicht, was einer belastbaren und möglichst bruchfreien Transportkette militärischer und gewerblicher Leistungserbringer zuträglich ist. Insgesamt werden durch konsequente Berücksichtigung der Trennung von Funktionalität und Mobilität wesentliche Synergiepotentiale möglich, so dass es folgerichtig ist, dass dieses Thema im Konzept Landmobilität der Bundeswehr ein eigenes Gestaltungsfeld darstellt.

Ziel war es von Anfang an, den Projektleitern der jeweiligen integrierten Projektteams eine Richtschnur an die Hand zu geben, um systemunverträgliche Lösungen oder widerstreitende funktionale Forderungen zu vermeiden. Zusätzlich galt es, die beiden maßgeblichen Bedarfsdeckungsmöglichkeiten in der Landmobilität – eigenbewirtschaftet (Kauf) und durch einen Dienstleister (BwFPS) bereitgestellt – so zu berücksichtigen, dass beide Wege auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gangbar sind.

Bild: Beispiele für Auflastung Funktionalitäten am Beispiel LKW 2t hümS

Damit wirkt sich diese neue Systematik bereits heute positiv auf die Mammutaufgabe der Regeneration der querschnittlichen logistischen Lkw, die quantitativ größte Fahrzeugflotte der Bundeswehr mit einem Alter von über teilweise 40 Jahren, aus.

Dabei hat sich sehr schnell die Kernidee verfestigt, Funktionsträger [1] fahrzeugunabhängig bereitzustellen und über standardisierte und handelsübliche Schnittstellen mit einer Vielzahl von Fahrzeugen mobil machen zu können. Die konsequente Anlehnung an die handelsübliche Norm (ISO 668 Frachtcontainer – Klassifizierung, Abmessungen und Gesamtgewicht) sowie das bereits übergreifend eingeführte Befestigungssystem „Twistlock“ bilden die Arbeitsgrundlage, um künftig Funktionalitäten mit der benötigten Mobilität zu verbinden.

Zur Abgrenzung wurde in einem nächsten Schritt klargestellt, dass sich diese Vorgaben ausdrücklich nicht auf solche Fälle beziehen, die das Mitführen von Personen während der Fahrt in Funktionsräumen bzw. auf der Ladefläche beinhalten, was einer gesonderten Betrachtung bedarf. Auch für fahrzeugseitig integrierte Rüstsätze bzw. Rüstsatzanteile, die sich im Fahrerhaus bzw. am Funktionsraum befinden, gelten diese Grundgedanken ausdrücklich nicht (bspw. Funk).

Für die Umsetzung aller anderen Projekte wurden u.a. folgende wesentliche Vorgaben verbindlich festgelegt:

  • Zukünftige Lkw sollen über einen verwindungsarmen (u.a. tmil [2]/hümS [3]-Fahrzeuge) bzw. verwindungsfreien (u.a. hoch geländegängige Fahrzeuge) Containertragrahmen verfügen.
  • Solche Containertragrahmen müssen über Twistlock-Verriegelungen zur Anbindung nach ISO 668 und zusätzlich f6 2/3 ft und 15 ft-Aufnahmen mit der Standardbreite 8ft verfügen.
  • Aufteilung nach Zuladungs-/Nutzlastklassen und der Zuweisung bestimmter verbindlicher Hauptfunktionen wie folgt:
    • Materialtransportfahrzeuge (6 2/3 ft-Tragrahmen),
    • Lkw mit Zuladungsklasse 1t bis 3t (10 ft-Tragrahmen),
    • Lkw mit Zuladungsklasse 3t bis 10t (15 ft-Tragrahmen) und
    • Lkw mit Zuladungsklasse größer 10t (20 ft-Tragrahmen).

Dabei sollen die Vorrichtungen für die jeweils kleineren Maße quasi in Nebenfunktion vorhanden sein. Bspw. soll ein solcher 20 ft-Tragrahmen eines Lkw 15t zusätzlich Twistlock-Befestigungen für zwei 10 ft bzw. einen 15 ft-Container bieten.

  • Auch für Stückguttransporte notwendige Ladepritschen werden als Wechselpritschen in den oben genannten Maßen realisiert.

Mit diesen vergleichsweise wenigen Vorgaben wird die Grundlage einer möglichst hohen Flexibilisierung bei der auftragsabgeleiteten Kombination von Funktionalität (bspw. Ladungsträger) und Mobilität (Fahrzeug) gelegt.

Bild: Beispiele für Auflastung Funktionalitäten am Beispiel LKW 5t

In einigen Projekten sind heute noch Funktionsträger auf Ladeflächen bereits deutlich überalterter Fahrzeuge verlastet. Meistens handelt es sich dabei um Kabinen. Für diese Funktionsträger gilt es, entweder eine unmittelbare Verlastung auf den neuen Containertragrahmen per Twistlock herzustellen oder eine verwindungsfreie Adapterplattform oder andere Lösungen in den oben genannten Maßen zur Verfügung zu stellen, so dass diese Funktionen mittels neuer Lkw weiterhin beweglich nutzbar bleiben.

Die mit diesen Gedanken eingeleitete grundsätzliche Trennung des Funktionsträgers (bspw.  Kabine auf Containerbasis) vom Mobilitätsträger (Fahrzeug) erweitert das denkbare Einsatzspektrum enorm, was neben Flexibilität in der Bundeswehrplanung vor allem auch taktische Flexibilität beim jeweiligen Verbandsführer schafft.

Beispiel Gefechtsstandcontainer

Ein Beispiel soll den vielschichtigen Mehrwert in der konsequenten Anwendung verdeutlichen. Durch die Refokussierung auf LV/BV wird auch die Befähigung zum mobilen Führen wieder wichtiger als noch in Stabilisierungsoperationen. Insbesondere mobile Gefechtsstände auf Großverbandsebene (bspw. Brigade oder Division) haben eine essentielle Bedeutung.

Ohne die Trennung von Funktionalität und Mobilität, also Kabine/Container und Fahrzeug im festen Verbund, wäre aufgrund einer Bedrohungsableitung für einen solchen Gefechtsstand ein vergleichsweise hoher Schutz für die gesamte Einheit aus Kabine/Container und Fahrzeug zu fordern. Dies würde eine deutliche Kostensteigerung und Gewichtszunahme bedeuten, so dass in vielen Fällen abschlägig bezüglich der Forderung nach hohem Schutz zu entschieden wäre.
Bei konsequenter Anwendung der Trennung von Mobilität und Funktionalität ergibt sich jedoch ein grundsätzlich anderes Bild. Die Bedrohung für solche Gefechtsstandelemente ergibt sich meist erst im Wirkbetrieb, wenn die Funktionsträger abgeladen vom Fahrzeug zum Gefechtsstand zusammengefügt wurden und aus ihnen geführt wird. Auf dem Marsch ist dies durchgehend nicht der Fall, so dass während der Verlegung kein solcher Bedarf an erhöhtem Schutz besteht. Damit wird klar, dass der in Rede stehende Schutzbedarf lediglich für den Funktionscontainer besteht, jedoch nicht automatisch auch für das Fahrzeug. Dieses kann nach dem auch abgesetzt möglichen Aufbau des Gefechtsstandes disloziert von diesem sein. So kann zukünftig auch ein ungeschütztes Transportfahrzeug folgerichtig als Mobilitätsträger einem geschützten Gefechtsstandcontainer zugeordnet werden.

Durch die konsequente Berücksichtigung der größtenteils handelsüblichen Normen ist darüber hinaus erweiternd eine Nutzung ziviler Lkw als Mobilitätsträger möglich, wenn die sicherheitspolitischen Entwicklungen dies notwendig machen sollten. Damit lassen sich Szenare beantworten, die wieder in die Nähe eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls rücken und in denen bspw. ein unterstützender Rückgriff auf Kapazitäten ziviler Logistikunternehmen wieder in größeren Maßstäben mitgedacht werden muss.

Gesamtplanerisch kommt es nun also besonders darauf an, die Möglichkeiten dieses Gestaltungsfeldes bei allen Projekten der Landmobilität und der zugeordneten Funktionsträger bestmöglich und konsequent zu nutzen, um entlang der im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr abgebildeten Zwischenschritte 2023, 2027 und 2031 sukzessive etwa komplett zur LV/BV befähigte Brigaden, auch unter dem Gesichtspunkt der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, durchhaltefähig zur Verfügung zu stellen.

 Autor und Folien: BMVg, Plg II 5, Oberstleutnant i.G. Daniel Ulrich Gerlach, Grundsatzreferent

[1] Funktionsträger sind bspw. Funktioncontainer, Funkkabinen usw.

[2] tmil Fahrzeug – teilmilitarisiertes Fahrzeug

[3] hümS Fahrzeug – handelsübliches Fahrzeug mit militärischer Sonderausstattung

Konzeption Zivile Verteidigung, Notwendigkeiten und Herausforderungen

Bundesressorts haben unter Koordinierung des BMI ein neues Gesamtkonzept der Bundesregierung für die Zivile Verteidigung erarbeitet. Die Konzeption Zivile Verteidigung (KZV) wurde am 24. August 2016 – kurz nach der Veröffentlichung des Weißbuches 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundesehr“ – vom Kabinett beschlossen und in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Notwendigkeit für die Neukonzeption der Zivilen Verteidigung liegt in den veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen. Das „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ stellt fest, dass die konventionelle Landes- und Bündnisverteidigung „ihren Charakter im Vergleich zur Zeit des Kalten Krieges“ in zeitlicher Perspektive (Stichwort kürzere Vorwarnzeiten) und räumlich stärker fokussierter Ausdehnung, aber auch in der Vorgehensweise selbst verändert hat. Die Konzeption der Bundeswehr (KdB) vom 20.07.2018 setzt die sicherheitspolitischen Vorgaben des Weißbuches 2016 um. Sie geht davon aus, dass „konventionelle Angriffe gegen das Bündnisgebiet vornehmlich an dessen Außengrenzen zu erwarten sind“. Darüber hinaus stellt sie fest, dass unter Umständen auch großangelegte asymmetrische bzw. terroristische Angriffe oder massive Cyberattacken zu einer Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls führen können.
Dies stellt nicht nur die Militärische, sondern auch die Zivile Verteidigung vor neue Herausforderungen, sowohl in der Bewertung eines Angriffes als auch in der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen. Die Bedrohungseinschätzungen wie sie im Weißbuch 2016 und der KdB 2018 formuliert sind, sind auch Grundlage der Konzeption Zivile Verteidigung. Entsprechend den beschriebenen Angriffsmitteln und Angriffszielen konzentrieren die Ressorts ihre Fachplanungen im Bereich der Zivilen Verteidigung auf folgende Bedrohungen:

  • Einsatz konventioneller Waffen, Einsatz chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Wirkstoffe (CBRN-Gefahren), Einsatz von Massenvernichtungswaffen und ihren Trägersystemen, Cyber-Angriffe, Ausfall oder Störung von Kritischen Infrastrukturen.

Bei hybriden Bedrohungen sind folgende Besonderheiten zu berücksichtigen:

  • Vielfalt offener und verdeckter Angriffe, Mischung konventioneller und irregulärer Kräfte / Fähigkeiten, Mischung militärischer und ziviler Wirkmittel, Fokussierung auf verwundbare Strukturen als Angriffsziele, Unübersichtlichkeit potenzieller Schadensszenarien,
  • Erschwerte Wahrnehmung und Zuordnung, kurze oder gänzlich entfallende Vorwarnzeiten

Die KZV vom 24.08.2016 ist das konzeptionelle Basisdokument für die ressortabgestimmte Aufgabenerfüllung im Bereich der Zivilen Verteidigung und zivilen Notfallvorsorge des Bundes. Sie beschreibt Zusammenhänge und Prinzipien und macht Vorgaben für die künftige Ausgestaltung einzelner Fachaufgaben. Damit bildet sie die Grundlage für die weiteren Arbeiten und Planungen in den Bundesressorts sowie in den Bundesländern.
Die Zivile Verteidigung steht jedoch nicht für sich, sondern ist mit der militärischen Verteidigung eng verknüpft und bereits in den Rahmenrichtlinien zur Gesamtverteidigung (RRGV) von 1989 mit ihren vier Säulen beschrieben:

  • Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen
  • Zivilschutz
  • Versorgung der Bevölkerung, der Staats- und Regierungsorgane, der für den Zivilschutz und die staatliche Notfallvorsorge zuständigen Stellen und der Streitkräfte
  • (sonstige) Unterstützung der Streitkräfte

Die Umsetzung der KZV 2016 findet in diesen vier Säulen durch Anpassung bestehender Unterlagen bzw. Erstellung neuer Konzepte statt. Gleichzeitig bildet die KZV gemeinsam mit der KdB vom 20.07.2018 die Basis für die Neugestaltung der RRGV von 1989.
Nicht zuletzt müssen, der veränderten Sicherheitslage folgend, auch die daran angepassten internationalen Anforderungen an die Bundesrepublik bei den Planungen berücksichtigt werden. So sind die strategischen und konzeptionellen Vorgaben der zivilen Verteidigungs- planung der NATO im nationalen Fähigkeitsprofil abzubilden. Im EU-Kontext ist die Erfüllung der Beistandspflicht gemäß Artikel 42 Absatz 7 Vertrag über die Europäische Union (EUV) im Falle eines bewaffneten Angriffes zu gewährleisten.
Im Zuge der Anpassung der Allianz und ihrer Mitgliedstaaten an das veränderte Sicherheits-umfeld haben die 28 NATO-Staaten im Februar 2016 Mindestanforderungen (Baseline Requirements) für eine effektive Zivile Verteidigungsplanung (Civil Preparedness) konsentiert, um so die kollektive Verteidigungsfähigkeit der Allianz auch im zivilen Bereich sicherstellen zu können, diese sind:

  • Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen,
  • Resiliente Energieversorgung,Fähigkeit zum effektiven Umgang mit ungesteuerten Bevölkerungsbewegungen,
  • Resiliente Nahrungsmittel- und Wasserversorgung,
  • Fähigkeit zum Umgang mit einem Massenanfall von Verletzten,
  • Resiliente zivile Kommunikationssysteme,
  • Resiliente zivile Verkehrssysteme.

Die auf diesen Mindestanforderungen basierenden Richtlinien für die nationalen Fähigkeits-profile stellen somit wichtige Anhaltspunkte für die aktuellen konzeptionellen Überlegungen und Planungsprozesse im Bereich der Zivilen Verteidigung und zivilen Notfallvorsorge in Deutschland dar. Auf der Basis der folgenden Grundprinzipien verfolgt die KZV die Schaffung und Verbesserung der gesamtgesellschaftlichen Strukturen und deren Resilienz gegenüber o. a. Bedrohungen:

  • Prinzip des integrierten Systems („Mehrfachnutzen“)
  • Konzentration des Bundes auf Spezialressourcen und Zusatzbedarfe
  • modularer Aufbau / Baukastenprinzip /Aufwuchsfähigkeit / Interoperabilität
  • Zivilschutz im Zusammenwirken: Selbstschutz – Ehrenamt – Berufskräfte
  • Versorgung im Zusammenwirken: Betreiber – Staat – Selbstschutz
  • ständige Fortentwicklung durch Forschung, Ausbildung und Übung
  • Ermöglichung einer Fortentwicklung der Aufgabenerfüllung auf der Basis eines Soll-Ist-Abgleiches

Die Umsetzung der KZV ist eine gemeinsame Aufgabe mit einem hohen Stellenwert und erfolgt ressortübergreifend auf allen administrativen Ebenen von Bund und Ländern, in der jeweiligen Zuständigkeit. Sie ist für alle Beteiligte mit besonderen Herausforderungen verbunden.
Da die Länder und Kommunen in den meisten Teilbereichen die Aufgabe des Zivilschutzes in Bundesauftragsverwaltung umsetzen, werden sich mittelfristig aus den Arbeiten neue Anforderungen für ihre Verwaltungen ergeben. Zum Aufbau der dazu erforderlichen Strukturen bedarf es einiger Zeit, da im Zivilschutz in den zurückliegenden Jahren weitgehend keine eigenständigen, über den Brand- und Katastrophenschutz hinausgehenden Vorkehrungen getroffen worden sind.
Seit 2016 befassen der Bund und die Länder sich mit der Umsetzung der Konzeption Zivile Verteidigung. Dabei wurden bereits viele Handlungsfelder, wie sie in der KZV gefordert sind, bearbeitet z.B. die Zivile Alarmplanung (ZAP), die Konzeption zur Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktion in der Krise, das Berichts- und Meldewesen, beim Zivilschutz im engeren Sinne z.B. die Themen „Massenanfall von Verletzten“ und „Betreuung“. Bei der Erstellung der Rahmenkonzepte müssen Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern beachtet werden und Fragen geklärt werden, die nicht immer zeitnah beantwortet werden können. Im Aufgabenfeld „Unterstützung der Streitkräfte“ sind z.B. Informationen über die Bedarfslage der Bundeswehr und der NATO zur Unterstützung durch die zivile Seite in einem evtl. Bündnisfall erforderlich. Das BBK bildet an seiner Akademie für Krisenmanagement, Notfallvorsorge und Zivilschutz (AKNZ) zum Handlungsfeld „Zivil-Militärische Zusammenarbeit“ aus. Die „Unterstützung der Streitkräfte“ findet nicht zuletzt auf der kommunalen Ebene statt. Die Landräte, Oberbürgermeister und zuständigen Behörden, die Ansprechpartner der Bundeswehr sein werden, müssen erfahren, was auf sie zukommt und was von ihnen erwartet wird.
Der durch die KZV angestoßene Prozess ist aus Sicht aller notwendig, um den Bevölkerungsschutz für die zukünftigen Herausforderungen aufzustellen. Das subsidiär aufwachsende, integrierte Hilfeleistungssystem auf Ebene des Bundes und der Länder einschließlich der Kommunen und unter Beteiligung einer Vielzahl von Bundes- und Landesbehörden und der Hilfsorganisationen zum Schutz der Bevölkerung muss kontinuierlich und auf allen genannten Ebenen unter Berücksichtigung aller Gefährdungsmöglichkeiten organisiert, überprüft und bedarfsgerecht angepasst werden.
Die Vorgaben der KZV müssen Verbindlichkeit erhalten, indem die hierfür erforderlichen Rechtsgrundlagen geschaffen sowie die vorhandenen Rechtsgrundlagen (u. a. ZSKG, Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze, RRGV) – soweit erforderlich – entsprechend angepasst werden. Diesen Prozess gilt es gemeinsam auf allen Ebenen – nicht zuletzt auch im politischen Raum und in der Öffentlichkeit – zu gestalten, Konkurrenzdenken und Egoismen wären hier fehl am Platz.

Quelle:
Christoph Unger, Präsident BBK
Koautorin: Angela Clemens-Mitschke, Referatsleiterin Grundsatzangelegenheiten BBK
Der Artikel stammt aus dem Newsletter – Ausgabe 01 / 2019 (12. Jahrgang) des Arbeitskreises Sicherheit und Bundeswehr der NRW SPD.

„Quo vadis Reserve?“

Das Weißbuch 2016 skizziert den derzeit gültigen sicherheitspolitischen Rahmen für die Bundesregierung und formuliert eine Standort- und Kursbestimmung für die strategische Ausrichtung der Bundeswehr und damit auch der Reserve. Dort wird festgestellt: „Die Reserve der Bundeswehr bleibt auch in Zukunft für Landes- und Bündnisverteidigung, Heimatschutz sowie Einsätze im Rahmen des internationalen Krisenmanagements unverzichtbar.“

Diese pauschale und gleichzeitig überaus fordernde politische Vorgabe übersetzt die Konzeption der Bundeswehr (KdB), die Verteidigungsministerin von der Leyen am 20. Juli nach fast zweijähriger Arbeit unterschrieben hat, in militärische Eckwerte für die Struktur und Ausgestaltung der Reserve bei unveränderter Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht in folgende Kernaussagen:

Die Reserve

  • ist wesentlicher Bestandteil der nationalen Sicherheitsvorsorge;
  • ist integraler Bestandteil der Streitkräfte;
  • gliedert sich in eine allgemeine und beorderte Reserve;
  • unterstützt die Streitkräfte und deren Aufwuchs bei der Landes- und
    Bündnisverteidigung;
  • entlastet die aktiven Kräfte im Rahmen des Heimatschutzes;
  • unterstützt im Fall von Naturkatastrophen und Innerem Notstand;
  • verstärkt die aktive Truppe im gesamten Missionsspektrum der Bundeswehr;
  • ist Botschafter und Mittler der Bundeswehr und der Sicherheitspolitik der
    Bundesregierung in die Gesellschaft hinein.

In der Gesamtheit stellen diese Feststellungen zweifelsohne „zeitlose“ und schon in der Vergangenheit wiederholt gehörte Forderungen mit nur geringem Neuigkeitswert dar. Was jedoch auffällt ist die weitere Anhebung des bereits in der Vergangenheit nur schwer zu erfüllenden „Level of Ambition“ mit dem Hinweis auf die Verwendung der Reserve im gesamten komplexen und umfassenden Einsatz- und Missionsspektrum der Bundeswehr im In- und Ausland.

Somit entsteht der Eindruck, dass die Konzeption der Bundeswehr offensichtlich keine grundlegende Neuausrichtung der Reserve für die Zukunft verfolgt, sondern eher eine „ruhige“ Weiterentwicklung fordert. Diese Vorgabe soll bis 2019 durch eine „Strategie der Reserve“ umgesetzt werden, die in den nächsten Monaten erarbeitet werden und die seit 2012 gültige Konzeption der Reserve (KdR) ersetzen soll. An der Erarbeitung dieser Strategie sollen u.a. Beteiligungsgremien und der Beirat für Reservistenarbeit konstruktiv mitarbeiten. Die Chance, die Zukunft der Reserve mitzugestalten, gilt es daher jetzt zu nutzen.

Rahmenbedingungen
Zu den Rahmenbedingungen, die die Reserve wesentlich beeinflussen, gehören zum einen die „militärischen“ Faktoren wie z.B. die Aussetzung der Wehrpflicht, die Reduzierung der Mannschaftsumfänge, die Anhebung der Altersgrenzen für Berufssoldaten, die Soldatenarbeitszeitverordnung und nicht zu vergessen, der umfangreiche Rückzug der aktiven Truppe aus der Fläche, welcher auch zu erheblichen Verlusten bei der Anzahl der Reservisten geführt hat. Zum anderen sind die Arbeitgeber oftmals angesichts der aktuellen sehr guten wirtschaftlichen Konjunktur zurückhaltend, wenn es um die Freistellung von Reservisten geht. Hinzu kommt aber auch die allgemeine „Verweigerungshaltung“, durch persönliches Engagement als Reservist gesellschaftliche Verantwortung sichtbar und aktiv zu leben.

Gleichzeitig funktioniert oftmals die tägliche Auftragserfüllung der Truppe im In- und Ausland nur noch durch engagierte beorderte „Individual“-Reservisten, insbesondere in Spezialfunktionen (Stichwort: Reserve als „Zeitarbeitsfirma“). Sichtbarer Ausdruck für diese partiell reserveabhängige Lage der Bundeswehr sind die umfangreichen und politisch sanktionierten jährlichen Anhebungen der Stellen für Reservedienstleistende von 2.500 (2016) auf geplante 4.500 (2020) durch das Verteidigungsministerium. Somit ist der stets propagierten These der „Unverzichtbarkeit der Reserve“ vordergründig zuzustimmen.

In weiten Teilen handelt es sich jedoch bei der beorderten Reserve, insbesondere wenn es um Fähigkeiten im Team-/Einheits-/Verbandsrahmen geht, um „hohle Fähigkeiten“, weil – jedenfalls noch – Ausrüstung, Ausbildung und Infrastruktur fehlen, weil die Reservisten nicht in „Inübung“ gehalten werden können und weil auch oft die Interaktion mit der aktiven Truppe fehlt. Vor diesem Hintergrund und angesichts der geringen gesellschaftlichen Anerkennung sind Reservisten, die teils vor Jahrzehnten beordert wurden, zur freiwilligen Reservedienstleistung bestenfalls bedingt positiv motiviert. Es ist also zu befürchten einer Illusion der Verfügbarkeit von nicht existenten Fähigkeiten aufsitzen – mit allen Konsequenzen für den militärischen Einsatzwert der Streitkräfte und deren Fähigkeit zur Auftragserfüllung.

Gleichermaßen gravierend stellt sich der Mangel an militärisch nutzbaren Fähigkeiten in der allgemeinen Reserve dar, die sich nahezu vollständig auf die „Kameradschafts- und Brauchtumspflege“, die „Informations- und Öffentlichkeitsarbeit“ sowie auf die „Pflege internationaler Kontakte“ reduziert. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist zweifelsohne eine wichtige Aufgabe in Deutschland, wo weite Landstriche durch die Reduzierungen der Bundeswehr in den letzten fast 30 Jahren „militärisch entblößt“ sind. Es ist daher richtig, die im Alltag stark verkümmerte Sichtbarkeit der Bundeswehr in der Gesellschaft im Bewusstsein zu halten. Für die Reservisten ist dies ein „hartes Brot“, wollen sie ihre „Brückenrolle“ als Botschafter und Mittler der Bundeswehr in die Gesellschaft wirksam wahrnehmen.

Keineswegs decken die bestehenden Instrumente den Bedarf an Reservisten. Weder regeneriert die aktive Truppe ausreichend „freiwillig“ beorderte Reservisten für die identifizierten Beorderungsumfänge und die (zu) geringen nicht-aktiven Strukturen, noch leistet die allgemeine Reserve den Beitrag, der ihr als „Personalpool Reserve“ zugedacht ist, um die durchhaltefähige Auftragserfüllung sicherzustellen. Für die im Beirat Reservistenarbeit zusammengeschlossenen Verbände fällt die Bewertung ebenso kritisch aus. Abgesehen von der an die Landes- und Bündnisverteidigung gebundenen langfristigen Aufwuchsfähigkeit der Streitkräfte ist der militärische Wert der allgemeinen Reserve unterhalb dieser Schwelle für die Auftragserfüllung nur bedingt erkennbar. Das „Gewinnen“ von Ungedienten für eine Verwendung in der Reserve kann dabei im Einzelfall zielführend sein (Stichwort: Cyber-Reserve), stellt jedoch im Gesamtbild der Reserve bestenfalls den berühmten „Tropfen auf den heißen Stein“ dar.

Das „hohe politische Lied“ auf die „Unverzichtbarkeit der Reserve für die Bundeswehr, heute und zukünftig noch mehr“ (so Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Deutschen Reservistenmeisterschaft im Juni 2018 in Oldenburg) klingt überaus ambitioniert, wenn man den insgesamt defizitären Zustand der Reserve und die fehlenden Ressourcen betrachtet. Hier muss die Strategie der Reserve die richtigen Antworten für eine tragfähige und nachhaltige Zukunft der Reserve mit substantiellem militärischem Einsatzwert geben.

Forderungen an die Entwicklung der Reserve
„Zur Sicherstellung des Bedarfs und auch zur Resilienzbildung in der Gesellschaft muss eine Durchlässigkeit und Vernetzung zwischen Bundeswehr, Gesellschaft und Wirtschaft erreicht werden. Dafür gilt es insbesondere den Reservistendienst insgesamt attraktiver zu gestalten; ihn so weiterzuentwickeln, dass eine langfristige, verlässliche (militärisch nutzbare) Unterstützung durch Reservistinnen und Reservisten (im gesamten Fähigkeitsprofil der Bundeswehr) ermöglicht wird“. (Weißbuch 2016, S. 125) Die militärische Fähigkeitsentwicklung der Reserve sollte dabei u.a. den Leitgedanken folgen, dass die

  • Reserve durchgehend eigene leistungsfähige aktive Strukturen, Instrumente und Verfahren erfordert (Stichwort: Personalführung);
  • Truppenreserve gem. dem „Stamm-Aufwuchs-Prinzip“ inkl. Material, Infrastruktur und Aus- und Weiterbildung in die aktiven Strukturen tief integriert ist;
  • Territorialen Kräfte in nicht politisch, sondern militärisch begründeten regionalen Strukturen konzentriert sind (Stichwort: Heimatschutz);
  • Kräfte des Heimatschutzes um einen leistungsfähigen „aktiven Kern“ erweitert und aufgabengerecht ausgestattet werden (Stichwort: „Host Nation Support“);
  • Verbindungselemente und –strukturen zur bestmöglichen Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit im Kern erhalten, jedoch an die neuen erkennbaren Aufgaben angepasst werden (Stichwort: Drehscheibe und Transitland Deutschland);
  • Allgemeine Reserve als leistungsfähiges Reservoir für Beorderung und Nachwuchsgewinnung durch aktive Territoriale Kräfte unterstützt wird;
  • „Verlässliche Verfügbarkeit“ gefördert und seitens des Gesetzgebers abgesichert wird (Stichwort: Freiwilligkeitsprinzip im Frieden vs. vertragliche Bindung);
  • Betreuung der gesamten Reserve komplementär zwischen Bundeswehr und Verbänden/Vereinen auf der Grundlage einer Leistungsvereinbarung erfolgt.

Quo vadis Reserve?
Die „Strategie der Reserve (SdR)“ muss zunächst das zur Verfügung stehende Potenzial erheben. Eine konzeptionelle Bestandsaufnahme reicht nicht aus. Wir brauchen neue, innovative Antworten, um die überaus fordernden und komplexen Vorgaben der Konzeption der Bundeswehr erfüllen zu können. Ein „weiter so“ unter neuem Deckmantel darf hierbei keine Option sein. Jetzt ist die Zeit zum „umdrehen aller Steine“ und zum kritischen „hinschauen hinter die Fassade“ gekommen, wenn man den Einsatzwert der Reserve nachhaltig gestalten will.

Zweck, Aufgaben und praktische Umsetzung der Strategie der Reserve müssen sich dabei zwingend aus dem angestrebten Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und den eingegangenen Bündnisverpflichtungen ableiten. Es muss in der Reserve durchgehend das Prinzip Qualität vor Quantität gelten. Dabei müssen die Verantwortlichkeiten klar zugeordnet werden.

Jede militärische Aufgabe, die der beorderten Reserve zugeordnet wird, muss am „Level of mbition“ der aktiven Truppe ausgerichtet werden. Das muss nachhaltig haushalterisch, personell, materiell und infrastrukturell abgebildet werden. Die Truppe muss die integrierende Zusammenarbeit mit „ihrer“ beorderten und/oder nichtaktiven Reserve als integralen Bestandteil des täglichen Auftrages verstehen und ihr Handeln insbesondere im Ausbildungs- und Übungsbetrieb danach ausrichten (Stichwort: „Reserve mitdenken“ – „mindset“).

Die militärische Kernkompetenz der beorderten Reserve, insbesondere in den nichtaktiven Truppenteilen, ist zu stärken. Subsidiäre Aufgaben aus dem Bereich der Blaulichtorganisationen sollten auf ein Minimum beschränkt werden. Eine enge Abstimmung mit der vom Bundesinnenministerium erlassenen „Konzeption Zivile Verteidigung (KZV)“ ist mit Blick auf die Novelle der „Rahmenrichtlinie für die Gesamtverteidigung“ vorzunehmen.

Die politisch geforderte und für den Erfolg zwingend notwendige enge Verzahnung der aktiven mit der beorderten Truppe ist durch innovative militärische, aber auch gesetzgeberische Anstrengungen abzusichern (Stichworte: Novellierung des Reservistengesetzes / allgemeine Dienstpflicht).

Die Stärkung der (vertraglichen) Personalbindung und Bereitschaft zur praktizierten Beorderung sollte dabei über neue Instrumente wie Beorderungsprämien, Bonuszahlungen oder attraktive Berufsqualifikationen gefördert werden. Dabei sollte sich die Bundeswehr an entsprechenden „best practices“ verbündeter und/oder benachbarter Nationen orientieren. Nachhaltige Lösungsansätze für das Miteinander der Bundeswehr mit der Gesellschaft, insbesondere mit der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst, um die angestrebte und notwendige „verlässliche Verfügbarkeit“ zu etablieren, sind zu entwickeln.

Gleichermaßen gilt es, diversifizierte Anreize für die Arbeitgeber zur „verlässlichen Freistellung“ zu schaffen. Erste vertragliche Modelle mit der Deutschen Bahn, der Post und einzelnen Industrie- und Handelskammern sollten weiter ausgefächert werden. Die Initiative „Partner der Reserve“ sollte hierbei als Werbeträger für ein wirtschaftliches Engagement in der sicherheitspolitischen Vorsorge weiter gestärkt und noch sichtbarer werden. Die Herausstellung der Reserve in der Gesellschaft – wie in diesem Jahr als Schwerpunkthema am „Tag der Bundeswehr“ – ist weiter zu verfolgen.

Die allgemeine Reserve ist in ihrer seit Jahrzehnten nachgewiesenen Kernkompetenz in der nationalen und internationalen Botschafter- und Mittlerrolle, der Kameradschafts-, Traditions- und Brauchtumspflege sowie in der Nachwuchsgewinnung und der Bereitstellung von individuellen Spezialfähigkeiten weiter zu fordern und durch aktive Kräfte sowie Schaffung von förderlichen Rahmenbedingungen zu unterstützen.

Der „unverzichtbare“ Stellenwert der gesamten Reserve für die Auftragserfüllung der Streitkräfte sollte sich in eigenständigen (neuen) Verantwortlichkeiten (u.a. Einführung eines Inspizienten Reserve) in der Struktur der Bundeswehr niederschlagen. Die derzeit überwiegende Abstützung der allgemeinen und beorderten Reserve auf „Zweit- und Nebenfunktionen“ sollte dabei durchgehend kritisch evaluiert werden. Ziel muss es sein, weitgehend eigene, leistungsfähige aktive Strukturen in allen militärischen Organisationsbereichen in der Fläche zu schaffen.

Das „outsourcing“ der Betreuung der Reserve an externe Organisationen (Verbände/Vereine) ist in diesem Zusammenhang zu überprüfen. Die Dimension einer „Europäischen Armee“ ist mitzudenken. Erste Grundzüge für eine deutsche Beteiligung an einer europäischen Truppenreserve sowie darüber hinaus einer nationalen Territorialen Reserve für den Heimatschutz und für Hilfeleistungen bei Naturkatastrophen, Unglücksfällen und Innerem Notstand sind zu entwickeln. Dieses gilt insbesondere für die Bereiche, in denen bereits aktive Strukturen eng verwoben sind (Stichwort: Deutsch-niederländische Integration in Heer und Luftwaffe).

Fazit
Eine bloße „Auffrischung“ der heutigen Reserve reicht im Lichte der erkennbaren Erfordernisse zur erfolgreichen Weiterentwicklung der „Reserve der Zukunft“ nicht mehr aus. Kreative Ansätze sind auch unter Abstützung auf die Erfahrungen der Vergangenheit zu entwickeln, „hohle Strukturen“ endlich aufzulösen. Neue und unbekannte sowie mutige Wege müssen mit der „Strategie der Reserve“ beschritten werden, damit die ambitionierten politischen Vorgaben der Konzeption der Bundeswehr erreicht werden können.

 

 

Quelle:
Robert Löwenstein
Dipl.-Ing. (FH) und Generalmajor a.D.
Vorsitzender des Beirates Reservistenarbeit
Der Artikel erschien in der Ausgabe September in der Zeitschrift „Europäische Sicherheit & Technik“

Broschüre „Konzeption der Bundeswehr“

Das „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ (Weißbuch 2016 wurde nach ressortgemeinsamer Abstimmung am 13. Juli 2016 vom Bundeskabinett verabschiedet. Es leitet aus der sicherheitspolitischen Lage Vorgabenfür die sicherheitspolitische Ausrichtung Deutschlands ab. Dabei legt es auch den Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr fest.

Eine neue Konzeption der Bundeswehr (KdB) Das Weißbuch 2016 ist die zentrale Bezugsgröße und Vorgabe für die weitere Entwicklung der Bundeswehr. Die Vorgaben des Weißbuchs 2016, aber auch weitere aktuelle Entwicklungslinien sind umzusetzen.

Das geschieht mit der neuen Konzeption der Bundeswehr (KdB). Die Bundeswehr richtet sich entlang der Vorgaben auf die Zukunft aus.

Die neue KdB übersetzt den im Weißbuch 2016 formulierten Willen Deutschlands zur Übernahme von mehr Verantwortung in der Welt in Vorgaben zum Handeln für die gesamte Bundeswehr unter Führung des Bundesministeriums der Verteidigung.

Die neue KdB

  • aktualisiert zu diesem Zweck die Nationale Zielvorgabe an die Bundeswehr und
  • macht basierend auf aktuellen Rahmenbedingungen neue Vorgaben für das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr.

Übergreifendes Ziel
ist das Entwickeln und Bereitstellen einer einsatzbereiten, bündnisfähigen und flexiblen Bundeswehr, die in einem volatilen Sicherheitsumfeld Fähigkeiten zur gleichrangigen Wahrnehmung aller Aufgaben zum Schutze Deutschlands besitzt.

Grundlinien der Gesamtkonzeption
Die vorliegende Broschüre dient zur Information der interessierten Öffentlichkeit. Sie skizziert die künftigen Grundlinien der Gesamtkonzeption der Bundeswehr und erfasst Kernaussagen, mit denen in der neuen KdB strategisch-konzeptionelle Pfade und Abholpunkte für die weitere Entwicklung der Bundeswehr geschaffen werden.

Broschüre „Konzeption der Bundeswehr“