Leseempfehlung: Operation Zeitenwende – eine Zwischenbilanz; Was Gesellschaft und Bundeswehr leisten müssen

Das neue Sammelband der Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Sachsen-Anhalt, zur Zeitenwende der Sicherheitspolitik mit mehr als 24 Beiträgen namhafter Autorinnen und Autoren wurde unter dem Titel „Operation Zeitenwende – eine Zwischenbilanz; Was Gesellschaft und Bundeswehr leisten müssen“ nun veröffentlicht und ist als Download verfügbar.

Inhaltsverzeichnis:

  • Grußwort
    Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung
  • Einführung der Herausgeber
    • Dr. Ringo Wagner, Leiter des Landesbüros Sachsen-Anhalt der Friedrich-Ebert-Stiftung
    • Hans-Joachim Schaprian, Oberst a. D., Ehrenvorsitzender des Arbeitskreises Sicherheit und Bundeswehr der NRW SPD
  • Auswirkungen der Zeitenwende auf die Bundeswehr – eine Zwischenbilanz
    Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung
  • Stärkung der Zivilen Verteidigung und des Bevölkerungsschutzes – Herausforderungen für die innere Sicherheit
    Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat
  • Mehr Sicherheit durch mehr internationale Zusammenarbeit
    Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
  • Gesamtstaatliche Verteidigung: Da rollt was auf uns zu – neuer Schwung für die militärische und zivile Verteidigung
    Wolfgang Hellmich, Verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
  • Friedrich-Ebert-Stiftung Zwei Jahre Zeitenwende: Anerkennung im Wollen und Tun!
    Sebastian Hartmann, Innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
  • Strategischer Kompass der EU – neue Impulse für die europäische Sicherheitspolitik
    Dr. Tobias Cremer, Mitglied des Europäischen Parlaments
  • Die neue Weltunordnung – Implikationen für Europa und Deutschland
    Prof. Dr. Ralph Rotte, Lehrstuhl für Internationale Beziehungen an der RWTH Aachen
  • Wider die Einseitigkeit: Versäumnisse in den strategischen Diskussionen um die deutsche Sicherheitspolitik
    Prof. Dr. Johannes Varwick, Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • Quo vadis NATO? Bestehen in einer Ära der komplexen und simultanen Herausforderungen
    Chris Badia, General, Deputy Supreme Allied Commander Transformation
  • Zielbild 2035+ Fähigkeitsentwicklung in der Bundeswehr
    Gert Nultsch, Generalleutnant, Abteilungsleiter Planung im Bundesministerium für Verteidigung
  • Operation Zeitenwende – eine Zwischenbilanz. Was Gesellschaft und Bundeswehr leisten müssen. Ohne Cyber keine Sicherheit! Warum Cybersicherheit so wichtig ist und wir noch mehr für sie tun müssen
    Claudia Plattner, Präsidentin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)
    Dr. Florian Seiller, BSI, Referat K 24 – Strategien und neue Ansätze der Informationssicherheit
  • Konventionelle Abschreckung erfordert Glaubwürdigkeit
    Dr. Hans-Peter Bartels, Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP)
    Rainer Glatz, Generalleutnant a. D., Mitglied im Beirat der Bundesregierung für Zivile Krisenprävention und Friedensförderung
  • Umsetzung der Zeitenwende in der Bundeswehr – Auswirkungen auf die Lage bei Personal, Material und Infrastruktur
    Dr. Eva Högl, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages
  • Die Reserve in Zeiten eines neuen Kalten Krieges
    Prof. Dr. Patrick Sensburg, Präsident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V. (VdRBw)
  • Der lange Weg zur Kriegstüchtigkeit
    Marcel Bohnert, Oberstleutnant i.G., Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes (DBwV)
  • Schweden – 32. NATO-Mitglied mit starken Fähigkeiten und Bürgerpflichten zur Totalverteidigung
    Jonas Hård af Segerstad, Kapitän zur See, schwedischer Verteidigungsattaché in Berlin, Bern und Wien
  • Friedrich-Ebert-Stiftung Aktuelle Herausforderungen der Rüstungsindustrie – nationale und europäische Perspektiven
    Armin Papperger, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV), Vorsitzender des Vorstands der Rheinmetall AG
  • Zeitenwende, Rüstung und Rüstungsindustrie
    Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall Jürgen Bühl, Bereichsleiter beim Vorstand der IG Metall
  • Die Bedeutung der Industrie für die Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands
    Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäfts- führung beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
  • Bereit für die Zukunft – die Ausrichtung des Technischen Hilfswerks angesichts der Zeitenwende
    Sabine Lackner, Präsidentin des Technischen Hilfswerks (THW) Dr. Fritz-Helge Voß, Landesbeauftragter des THW-Landesverbandes Bayern
  • Neustart im Bevölkerungsschutz – Herausforderungen für Länder und Kommunen
    Rüdiger Erben, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt
  • Die „Zeitenwende in den Köpfen“ als gesellschaftliche Reaktion auf die Bedrohung durch Russland
    Dr. Timo Graf, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw)

 

Oberst Torsten Ickert berichtete als Leiter des LogÜbZ über die Ausrichtung der Übungslandschaft auf LV/BV. Blauer Bund

Anpassung der Übungslandschaft im LogÜbZ hilft zur Kriegstüchtigkeit

Anm. Red: Der Bericht wurde als Zusammenfassung des Vortrags des Leiter des LogÜbZ, Oberst Ickert, bei der Informationveranstaltung des bB am 06.11.2024 erstellt.

Die Anpassung der Übungslandschaft des LogÜbZ als Beitrag zu einer kriegstüchtigeren Bundeswehrlogistik.

Seit der Aufstellung des Logistischen Übungszentrums (LogÜbZ) an der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt steht das Zentrum für bedarfsgerechtes Training des logistischen Fach- und Führungspersonals. Dabei orientiert sich die Ausgestaltung der Übungslandschaft an der jeweils maßgeblichen Auftragslage logistischer Kontingente bzw. Verbände.

Zunächst standen die Vorbereitung auf Einsätze im Rahmen des internationalen Krisen- u. Konfliktmanagements (IKM) im Fokus. Diese findet aktuell noch niederschwellig für das Engagement der Bundeswehr in Litauen, Irak und Jordanien statt.

Mit der verstärkten Beteiligung an der NATO Response Force galt es zuletzt den logistischen Bestandteil der nationalen Unterstützungskräfte zu beüben und zu zertifizieren. Dazu diente das Übungsformat der ZA Log, der zentralen Ausbildung Logistik, ein etabliertes Handlungstraining in Form von Gefechtsstandübungen.

Die bereits seit der „Krimkrise“ 2014 stattfindende Refokussierung auf Landes- u. Bündnisverteidigung (LV/BV) und auf Abschreckung und Kollektive Verteidigung im NATO Rahmen hat zu grundlegenden Veränderungen in Auftragslage, Strukturen und Ausstattung der Bundeswehrlogistik geführt. Dies muss sich bei Ausbildung, Training und Übung niederschlagen.

Das Zielbild für das LogÜbZ 3.0 Blauer Bund
Das Zielbild für das LogÜbZ 3.0

Nach einem Symposium im August 2024 wurde mit allen Bedarfsträgern zusammen ein Zielbild für eine an aktuelle und zukünftige Erfordernisse angepasste Übungslandschaft, für das LogÜbZ 3.0, abgestimmt. Kurz und knapp gefasst soll die Übungslandschaft modular – skalierbar – digitaler – testbar und aktivierbar sein. Dabei bezieht sich letzteres vornehmlich auf die Aktivierbarkeit der einsatzvorbereitenden, logistischen Kontingentausbildung, die bei Notwendigkeit jederzeit durchführbar sein soll.

M O D U L A R – Den Kern der Übungslandschaft wird weiterhin das Trainieren des Wirkverbundes zwischen Basis- u. Einsatzlogistik auf Bataillonsebene, die Übungsserie BLUE CORE, bilden. Ergänzende Übungsmodule u.a. für Luftwaffe, schweres LogBtl oder Luftlandversorgungskompanien sind andockbar. Die Entwicklung eines Moduls für die Forward Logistics Site der Marine wurde vereinbart.

S K A L I E R B A R – in zweierlei Hinsicht: Bezogen auf die primäre Übungstruppe oder auf das beübte Szenar. Die Kompanieebene bis hin zur Ebene der neuaufgestellten Logistikregimenter oder das gesamte, multinational verflochtene, logistische Netzwerk im Einsatzgebiet kann als Primary Training Audience in Betracht kommen. Übungen ab der Regimentsebene, bei denen der Netzwerkgedanke im Fokus steht, heißen zur inhaltlichen Differenzierung BLUE NET.

Haben die derzeitigen Übungen die Phase der Verteidigung (Defense) als Szenario, ist ebenso vorstellbar, in Zusammenarbeit z.B. mit dem JCTC das Szenar auf die Phase des Aufmarsches oder Abschreckung (Deterrence) auszuweiten. Logistische Unterstützung wird aber auch aus der Basis Inland heraus organisiert und geleistet werden müssen (Drehscheibe, OpPlan DEU, Folgeversorgung ins Einsatzgebiet). Hinter dem Arbeitsbegriff BLUE BASE verbirgt sich eine noch auszuformulierende Übungsidee.

D I G I T A L E R – Der Einsatz digitaler Technik, seien es Anwendungen virtueller/erweiterter Realität (AR/MR/XR) oder Künstlicher Intelligenz ist in vielen Bereichen kaum weg zu denken und wird vielerorts zur Normalität. Die Vorteile gilt es zu nutzen. Virtuelle, ortsunabhängige Groberkundungen zukünftiger, u.a. an der NATO-Ostflanke gelegener Einsatzräume oder der Vortrag von Erkundungsergebnissen mit Hilfe von Tools der Mixed Reality, lassen realitätsnäher am LogÜbZ üben und sind im Sinne des „digital empowerment“ der Logistiktruppe. Darüber hinaus kann Simulationssoftware mit KI-Hintergrund die Übungsdurchführung und -auswertung sowie eventuell sogar die Untersuchung logistischer Fragestellungen simulationsgestützt unterstützen.

T E S T B A R – vorhandene Übungsformate können jederzeit zur Evaluation von Einsatz-/Führungsgrundsätzen, Überprüfung von Strukturen oder logistischen Konzepten genutzt werden. Für spezielle konzeptionelle Fragestellungen ist mit ausreichend Vorlauf die Anlage einer gesonderten Planuntersuchung möglich.

A K T I V I E R B A R – bleibt die Möglichkeit jederzeit logistisches Fach- u. Führungspersonal auf seine Aufgaben im IKM-Einsatz vorzubereiten.

Eine Prinzipskizze der modularen Übungslandschaft LV/BV im LogÜbZ. Blauer Bund
Eine Prinzipskizze der modularen Übungslandschaft LV/BV im LogÜbZ.

Mit einer so ausgerichteten Übungslandschaft wird das LogÜbZ auf zukünftig einen elementaren Beitrag zur kohärenten, kaltstartfähigen und einsatzbereiten logistischen Auftragserfüllung im gesamten Aufgabenspektrum der Bundeswehr leisten, auch wenn zweifellos derzeit die Landes- u. Bündnisverteidigung im Vordergrund steht.

Text und Grafiken: LogÜbZ

„Wir brauchen eine Reserve, die bereit ist“

Die Reserve der Bundeswehr ist in der Zeitenwende für die Landes- und Bündnisverteidigung wichtiger denn je. Das unterstrich Verteidigungsminister Boris Pistorius in seiner Rede auf der Jahrestagung der Reserve in Berlin. Auch der Neue Wehrdienst soll zur Stärkung der Reserve beitragen.

Die russische Invasion in der Ukraine habe alle Beteiligten wachgerüttelt, sagte der Verteidigungsminister zum Auftakt: Zu lange habe man sich in Sicherheit gewogen, anstatt in sie zu investieren. Jetzt werde mit Hochdruck daran gearbeitet, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken. „Wir richten die Bundeswehr wieder konsequent auf Landes- und Bündnisverteidigung aus und setzen bei allen wichtigen Stellschrauben an: beim Geld, beim Material und beim Personal“, sagte Pistorius vor rund 350 Menschen, die auf Einladung des Verteidigungsministeriums und des Reservistenverbandes der Bundeswehr nach Berlin gekommen waren.

„Der Schutz unseres Landes ist eine Aufgabe, die wir nur mit einer starken Reserve leisten können.“
Boris Pistorius, Verteidigungsminister
@Bundeswehr/Norman Jankowski

Die globale Sicherheitslage dulde keinen weiteren Aufschub, so der Minister: Deutschland müsse seinen Verbündeten ein verlässlicher und starker Partner sein. Abschreckungspotenzial müsse entwickelt und Verteidigungsbereitschaft bewiesen werden. „Bereit sein heißt, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. Und bereit sein heißt auch: militärisch auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein“, so der Minister. Es gehe darum, Russland aus einer Position der Stärke heraus zu begegnen und klarzumachen, dass man willens und in der Lage sei, Deutschland und seine Werte zu verteidigen.

Rückgrat des Heimatschutzes

Der Reserve komme dabei eine zentrale Rolle zu, so Pistorius. „Wir wollen die Reserve in den kommenden Jahren so aufstellen, dass sie zum Rückgrat für den Heimatschutz wird“, sagte der Minister. Zusätzlich werde sie wichtige Aufgaben bei der Unterstützung verbündeter Nationen übernehmen, so Pistorius. „Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe und eine, die die Reserve nur erfüllen kann, wenn wir ihre Strukturen personell befüllen und die Anzahl der Beorderungen deutlich nach oben bringen.“ Zudem müsse in die Ausrüstung investiert und die Zahl der Übungen insbesondere im Heimatschutz erhöht werden. Die Reserve müsse im Frieden so befähigt werden, dass sie im Ernstfall unmittelbar einsetzbar sei, fuhr Pistorius fort.

Teamarbeit: Generalleutnant Andreas Hoppe (l.) leitet die Tagung mit Oberst d. R. Patrick Sensburg.
Hoppe ist Beauftragter des Verteidigungsministeriums für Reservistenangelegenheiten,
Sensburg Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr. @Bundeswehr/Jörg Carstensen

Sicherheit geht alle an

Außerdem würden mehr Frauen und Männer gebraucht, die sich für die Verteidigung ihres Landes einsetzten, so der Minister. „Sicherheit kann nicht von einigen Wenigen geleistet werden – es liegt an uns allen. Gerade im Ernstfall brauchen wir eine schnelle Aufwuchs- und Durchhaltefähigkeit“, sagte er. „Wir brauchen eine Reserve, die sichtbarer und effektiver wird. Wir brauchen eine Reserve, die bereit ist.“

Auch deshalb habe er den Neuen Wehrdienst vorgeschlagen, der am Mittwoch von der Regierung gebilligt worden war. Künftig sollen junge Erwachsene wehrdienstlich erfasst und bis zu 5.000 Freiwillige im Jahr zusätzlich für den Wehrdienst herangezogen werden. Nach ihrer militärischen Ausbildung werden die Freiwilligen in die Reserve überführt und sollen regelmäßig an Wehrübungen teilnehmen.

Volles Haus: Verteidigungsminister Pistorius spricht zu den 350 Reservistinnen und Reservisten und in der Reservistenarbeit tätigen Bundeswehrangehörigen,
die für die Jahrestagung der Reserve 2024 nach Berlin gekommen waren.  @ Bundeswehr/Jörg Carstensen

„Junge Menschen sollen sich für unser Land einsetzen können“, sagte Pistorius dazu. Es gehe nicht nur darum, die Uniform zu tragen, sondern auch um die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Der Neue Wehrdienst sei ein erster und wichtiger Schritt auf diesem Weg, so der Minister. „Und es ist der erste Berührungspunkt, das erste Verständnis für das, was es heißt, Reservist zu sein.“ Deutschland und die NATONorth Atlantic Treaty Organization stünden derzeit einer Bedrohung gegenüber, wie es sie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr gegeben habe, mahnte Pistorius zum Abschluss seiner Rede. „Und die wird nicht verschwinden, wenn wir sie ignorieren.“

von Timo Kather

Veranstaltungshinweis: 19. Petersberger Gespräche zur Sicherheit

Das FES-Landesbüro NRW lädt am 28. September zu den 19. Petersberger Gesprächen zur Sicherheit ins Steigenberger Grandhotel & Spa Petersberg in Königswinter ein:

„Zeitenwende auf der Kippe?“

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 hat in Deutschland eine Neubewertung der Sicherheitspolitik zur Folge. Bundeskanzler Olaf Scholz beschwor drei Tage später eine „Zeitenwende“.

Seitdem ist viel passiert. Die Bundeswehr wurde mit einem Sondervermögen gestärkt, eine ihrer Brigaden soll in Litauen stationiert werden, sie soll wieder „kriegstüchtig“ werden und eine neue Wehrerfassung aufbauen. Aber reicht das, um Russland vor einem großangelegten Angriff abzuschrecken? Und wenn nicht, was muss stattdessen unternommen werden? Über diese existentiellen Fragen soll es im ersten Panel gehen. Diskutiert werden sollen auch die finanzpolitischen Folgen der „Zeitenwende“: Nicht nur für die Sicherheit, sondern auch für andere wichtige Staatsaufgaben wird mehr Geld benötigt. Sind Ausgabenkürzungen, Steuererhöhungen oder neue Schulden die Lösung?

Mit Blick auf die „Zeitenwende“ verengt sich die Debatte allzu oft auf die Bundeswehr, obwohl z.B. das Bundesinnenministerium für die zivile Verteidigung zuständig ist und Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur in den Verantwortungsbereich der Landespolizeibehörden fallen. Das zweite Panel legt daher den Fokus auf die vielfältigen Herausforderungen im Bereich der Inneren Sicherheit. Die „Friedensdividende“ hat auch in diesem Bereich Spuren hinterlassen, der Aufholbedarf ist enorm. Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) von Bund und Ländern müssen eingesparte Fähigkeiten wiedererlangen und sich zugleich auf neue Bedrohungen einstellen. Die Zeit dafür ist knapp, die öffentlichen Mittel begrenzt, die demografische Lage kritisch und die rechtlichen Zuständigkeiten sehr eng gefasst. Wann ist Deutschlands Sicherheitsarchitektur wieder auf der Höhe der Zeit? Unter anderem darüber diskutieren die Experten des zweiten Panels.

 

Programm
10.00 Uhr, Eröffnung und Moderation

  • Dr. Ringo Wagner, Büroleiter des Landesbüros Sachsen-Anhalt der Friedrich-Ebert-Stiftung

10.05 Uhr, Key Note

  • Wolfgang Hellmich MdB, Sprecher der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion

10.45 Uhr, Panel I:

Mehr, aber nicht genug? Zum Stand der „Zeitenwende“ in der Außen und Sicherheitspolitik

  • Prof. Dr. Veronika Grimm, Technische Universität Nürnberg, Mitglied Sachverständigenrat für Wirtschaft
  • Wolfgang Hellmich MdB, Sprecher der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion
  • Thorsten Jungholt, Die Welt & Die Welt am Sonntag
  • Oberst André Wüstner, Bundesvorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbands

12.15 Uhr, Pause mit Getränken und Imbiss

13.00 Uhr, Panel II:

Die verschlafene „Zeitenwende“? Innere Sicherzeit zwischen ziviler Verteidigung, Terrorismus, Spionage, Sabotage, Cyberabwehr und Föderalismus

  • Dr. Hans-Peter Bartels, Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Wehrbeauftragter a.D.
  • Sebastian Hartmann MdB, Innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
  • Generalleutnant Gert Friedrich Nultsch, Abteilungsleiter Planung im Bundesministerium der Verteidigung

14.30 Uhr, Verabschiedung

Wolfgang Hellmich, MdB

15.00 Uhr, Ende der Veranstaltung

Bitte melden Sie sich bis zum 26.09.2024 für die Veranstaltung an.

Eine separate Anmeldebestätigung erfolgt nicht. Bei Fragen zur barrierefreien Durchführung wenden Sie sich bitte an den Veranstalter.

Quelle:
Friedrich-Ebert-Stiftung
Landesbüro NRW
Godesberger Allee 149
53175 Bonn

Die Troika im Rahmen der Übung Citadel Bonus 2023. Links Generalmajor Georg Klein, Mitte Generalleutnant Emmanuel Gaulin, rechts Generalmajor Jean Bouillaud - Blauer Bund

Die Beteiligung des Heeres am Rapid Reaction Corps France

Die „Zeitenwende“ findet auch bei unserem größten Nachbarn statt, die französischen Landstreitkräfte werden konsequent auf ihre Aufgaben im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet. Hieran hat auch das Deutsche Heer unmittelbaren Anteil – einige deutsche Offiziere besetzen Schlüsselpositionen im Rapid Reaction Corps France in LILLE.

Nebel liegt über dem Antreteplatz der Zitadelle - Blauer Bund
Nebel liegt über dem Antreteplatz der Zitadelle © Simon Baaske

Das Rapid Reaction Corps France (RRC-FRA) ist, ebenso wie das französische Heeresführungskommando (C.F.O.T.), im äußersten Norden des Landes, unweit der belgischen Grenze beheimatet. Die Indienststellung in 2005 erfolgte zwar um einige Jahre später als die vergleichbarer Korpsstäbe in anderen europäischen Staaten, ging aber der französischen Rückkehr in die integrierte Kommandostruktur der NATO noch um vier Jahre voraus. Nicht nur in zeitlicher Hinsicht fungiert das RRC-FRA somit und bis heute als Bindeglied zwischen der NATO und den französischen Streitkräften: Es ist die höchste verlegefähige Kommandobehörde der französischen Armee, in dieser Rolle federführend in der Beübung der beiden Heeresdivisionen sowie maßgeblich beteiligt an der Umstrukturierung der französischen Landstreitkräfte hin zu einer „Armee der fünften Dimension“ und „Start-Up Army“, wie es der französische Inspekteur des Heeres, General Pierre Schill, im Dezember 2023 betonte. Zugleich reiht es sich ein in die NATO-Streitkräftestruktur (kurz: NFS, engl. NATO Force Structure) als einer von insgesamt zehn verlegefähigen Korps-Stäben, die generisch neuerdings als „NATO Response Corps (NRC)“ bezeichnet werden. Die nun knapp zwanzigjährige Geschichte des Korps ist gekennzeichnet von der Bewährung in häufig wechselnden Rollen. So erfolgte zunächst die Zertifizierung zur High Readiness Force 2007, sodann zum Land Component Command (LCC) der NATO Response Force 2008, 2014 und 2022 – jeweils gefolgt von Phasen erhöhter Bereitschaft; ferner die Entsendung von Personal zu Stabilisierungsoperationen nach Afghanistan (ISAF/RSM) und als European Forces in den Tschad sowie die Zentralafrikanische Republik. Darüber hinaus werden seit 2015 kontinuierlich aus dem Stab heraus Kräfte zu den inländischen Antiterror-Operationen „Vigipirate“ bzw. „Sentinelle“ abgestellt. Im März 2024 wurde die Zertifizierung als NATO Warfighting Corps im Zuge der Übung LOYAL LEDA 24 abgeschlossen. Das Korps ist befähigt, bis zu fünf Divisionen und Korpstruppen, insgesamt rund 100.000 Soldaten, in einem Konflikt mit hoher Intensität zu führen. In die aktuellen Verteidigungsplanungen der NATO ist das RRC-FRA eng eingebunden. Es ist zu erwarten, dass die Rolle des Korps anlässlich des Washingtoner Jubiläumsgipfels der Allianz im Juli 2024 bestätigt werden wird. Bis auf weiteres soll es sodann bei dieser zugewiesenen Rolle bleiben, die erforderlichen Fähigkeiten werden durch geeignete Ausbildungs- und Übungsprogramme auch über Personalwechsel hinweg aufrechterhalten.

Die Troika im Rahmen der Übung Citadel Bonus 2023. Links Generalmajor Georg Klein, Mitte Generalleutnant Emmanuel Gaulin, rechts Generalmajor Jean Bouillaud - Blauer Bund
Die Troika im Rahmen der Übung Citadel Bonus 2023. Links Generalmajor Georg Klein, Mitte Generalleutnant Emmanuel Gaulin, rechts Generalmajor Jean Bouillaud
© CRR-FR / Amaury Duthoy

Die insgesamt rund 430 Soldaten stammen aus 14 Nationen, mit Frankreich als Gastgeber- und einziger Rahmennation. Die Nachbarländer Deutschland und Belgien stellen die nächstgrößeren Kontingente und besetzen Schlüsselpositionen. So ist der Stellvertreter des Kommandierenden Generals (Deputy Commander, DCOM) seit 2005 durchgehend ein deutscher Generalmajor, zudem dienen deutsche Offiziere in den Abteilungen G7 und G5 an besonders hervorgehobener Stelle. In den Abteilungen G2, G35, G4, G6 und Feuerunterstützung (JFIT) nehmen weitere deutsche Offiziere maßgeblichen Einfluss vor allem auf die Planungsarbeit. Insgesamt dienen beim RRC-FRA 14 deutsche Heeressoldaten, davon zwei in einem nationalen Unterstützunsgelement. Die vereinbarte Arbeitssprache ist Englisch, die Stabsverfahren orientieren sich an den Vorgaben der NATO – soweit jedenfalls die Theorie. Tatsächlich kann jedoch mit Blick auf die nationalen Anteile des Aufgabenspektrums weder in Gänze auf die Nutzung der französischen Sprache verzichtet werden noch auf die Kenntnis und fallweise Anwendung der nationalen Militärdoktrin. Diese teils widerstreitenden Belange immer wieder in einen sinnfälligen Ausgleich zu bringen, macht u.a. für das entsandte deutsche Personal die Herausforderung, nicht zuletzt aber auch den Reiz einer Verwendung beim RRC-FRA aus.

Der DACOS G5 trägt im Rahmen einer Planübung in Vorbereitung für die Übung Loyal Leda 24 zum Operationsplan vor. - Blauer Bund
Der DACOS G5 trägt im Rahmen einer Planübung in Vorbereitung für die Übung Loyal Leda 24 zum Operationsplan vor. © CRR-FR / ADC EMMANUEL

Die Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung als Raison d’être des Militärs wurde besonders deutlich im Zuge der letztjährigen, vierteiligen Übungsserie ORION 23 demonstriert. Unter Beteiligung zahlreicher NATO-Partner, darüber hinaus aber auch beispielsweise indischer Truppenteile, wurde über Monate hinweg die Intensivierung konventioneller wie auch hybrider Bedrohungen geschildert, denen durch abgestufte, sich ebenfalls steigernde Gegenmaßnahmen letztlich erfolgreich begegnet wurde. Nicht zuletzt durch die enthaltenen Volltruppenanteile handelte es sich bei ORION 23 um ein Übungsvorhaben, das in Frankreich, aber auch in weiteren Teilen Europas ohne Beispiel seit 1987 war, also seit der Spätphase des Kalten Krieges. Das Rapid Reaction Corps France spielte eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung und ebenfalls in der Durchführungsphase – mit Teilen im Leitungsdienst, aber auch als Teil der Übungstruppe. Das erfolgreiche Großprojekt soll in 2026 eine Wiederholung erfahren, und erneut ist RRC-FRA im vorgenannten Umfang beauftragt worden. Bis dahin liegen die Arbeits- und Übungsbeziehungen zwischen RRC-FRA und den Truppenteilen und Dienststellen des französischen Heeres jedoch keineswegs brach. Vielmehr wird der Übungskalender mit Blick v.a. auf die beiden Heeresdivisionen deutlich verdichtet. Für diese beiden Großverbände ist ein alternierender Rollenwechsel im Rhythmus von jeweils drei Jahren vorgesehen, zwischen dem Verantwortungsbereich „Europa“ und „übrige Welt“. Ersteres zielt v.a. auf den Beitrag Frankreichs zur atlantischen Allianz, letzteres vorrangig auf überseeische französische Territorien sowie die Region Afrika / Naher Osten. Hierdurch ergeben sich für die Soldaten des Deutschen Anteils einmalige Einblicke sowohl hinsichtlich der französischen Positionierung und Mitwirkung im Bündnis wie auch bezüglich der nationalen Interessenverfolgung in aller Welt.

Das mächtige Haupttor, die Porte Royal mit dem Namen der Liegenschaft: Quartier Boufflers, benannt nach Marschall Louis-François de Boufflers (1644-1711), einstigem Kommandeur der Stadt Lille und der Zitadelle - Blauer Bund
Das mächtige Haupttor, die Porte Royal mit dem Namen der Liegenschaft: Quartier Boufflers, benannt nach Marschall Louis-François de Boufflers (1644-1711), einstigem Kommandeur der Stadt Lille und der Zitadelle © Simon Baaske

Abschließend noch einmal ein Blick auf LILLE, die Heimat des RRC-FRA. Die Stadt, Herzstück des viertgrößten französischen Ballungsraumes und zugleich auch einer grenzüberschreitenden europäischen Metropolregion, hat den Soldaten und deren Familien viel zu bieten. Viel Grün, zahlreiche Gewässer, sehenswerte historische Bausubstanz und ein ausgefeiltes Nahverkehrssystem, zudem meist kurze Wege – viel mehr kann man von seiner Garnison kaum erwarten. Sollte man dennoch einmal auf Reisen gehen wollen oder müssen, so profitiert man vor allem von der exzellenten Anbindung auf dem Schienenweg: Eine Stunde Fahrzeit nach Paris, eine halbe nach Brüssel oder ca. 80 Minuten nach London – auch in dieser Hinsicht wird man es schwerlich besser treffen können. Ein weiteres Highlight dieser Attraktivitätsfaktoren stellt das von RRC-FRA genutzte Stabsquartier dar – die in unmittelbarer Innenstadtnähe gelegene Zitadelle von LILLE. Zwischen 1668 und 1671 wurde sie nach den Plänen des Marschalls Sébastien Le Prestre de Vauban gebaut, eben jenes Großmeisters der Ingenieurskunst, der für den Bau und die Modernisierung von über 100 weiteren Festungen und Verteidigungsanlagen verantwortlich war. Ludwig XIV. hatte den Bau dieses gewaltigen Verteidigungsrings an den damals neuen Grenzen Frankreichs veranlasst, nachdem er diese Gebiete im Frieden von Aachen zulasten der spanischen Niederlande zugesprochen bekommen hatte. Ungeachtet aller zwischenzeitlichen historischen Wechselfälle hat diese Grenzziehung bis heute im Wesentlichen Bestand.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Dienst im RRC-FRA von den Soldaten des Deutschen Anteils als gleichermaßen sinnstiftend wie attraktiv empfunden wird. LILLE ist nicht nur eine Reise wert – wer darüber hinaus als geeignet für eine hiesige Verwendung identifiziert wird und eine solche angeboten bekommt, sollte zugreifen!

Text: Hauptmann Simon Baaske 

Podiumsgespräch des CSU-Europaminister Eric Beißwenger (rechts) mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke. - Blauer Bund

Informationsveranstaltung mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke

Am 22.05.2024 hatte die Kameradschaft Ulm/Dornstadt die Gelegenheit in der Betreuungsgesellschaft in Sonthofen auf Einladung des CSU-Europaministers Beißwenger und des Arbeitskreises für Sicherheitspolitik der CSU an einer Informationsveranstaltung mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke teilzunehmen. Er erläuterte in dieser Veranstaltung zunächst in einem kurzen Impulsvortrag und später in einem Podiumsgespräch mit CSU-Europaminister Beißwenger seine Sicht zu den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und der Rolle der Europäischen Union in diesem Spannungsfeld.

Der Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke informiert zu seine Sicht zu den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und der Rolle der Europäischen Union in diesem Spannungsfeld. - Blauer Bund
Der Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke informiert zu seine Sicht zu den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und der Rolle der Europäischen Union in diesem Spannungsfeld.

Die sicherheitspolitische Lage in der Welt und insbesondere in der Ukraine und im Gazastreifen spitzt sich weiter zu. Putin droht dem Westen ganz offen auch mit atomaren Waffen und zündelt mit Nadelstichen, wo er nur kann.
Die ordnungspolitische Achsenverschiebung durch autoritäre revisionistische Mächte in der internationalen Politik stellt die größte Herausforderung für den Westen in der 1. Hälfte des 21. Jahrhunderts dar. Es kriselt an vielen Stellen in der Welt. Weitere Kriege würden unser Leben in Wohlstand endgültig beenden.
Die Europäische Union ist derzeit und auch noch für längere Zeit nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft gegen jede Art von Angriffen oder Sicherheitsrisiken zu verteidigen. Da muss sich was verändern.
Bei der Lösung der aktuellen Herausforderungen spielt die EU trotz 440 Millonen Einwohner und hoher Wirtschaftskraft eher eine Nebenrolle und wird in der Welt kaum beachtet oder positiv wahrgenommen. Die Länder des globalen Südens verurteilen die Doppelmoral des Westens, vor allem der ehemaligen Kolonialmächte und sind anfällig für die auf den ersten Blick positiven Angebote und Hilfen Chinas oder Russlands. Der Westen verspielt durch sein wankelndes, manchmal fragwürdiges, aktives oder passives Verhalten in den Organisationen der Vereinten Nationen seine Glaubwürdigkeit. Dies trägt nicht zum Erhalt unserer regelbasierten Weltordnung bei.

Podiumsgespräch des CSU-Europaminister Eric Beißwenger (rechts) mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke. - Blauer Bund
Podiumsgespräch des CSU-Europaminister Eric Beißwenger (rechts) mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke (links).

Der Westen und damit auch die EU wäre gut beraten, sein eigenes Gesellschaftsmodell besser zu kommunizieren und für unsere Werte, Lebensweisen und Stärken des demokratischen Zusammenlebens sowie der daraus entwickelten Wirtschaftkraft zu werben und zu überzeugen. Dies funktioniert am sinnvollsten über Netzwerke, Ausbildungsangebote und Gespräche auf Augenhöhe. Wir müssen uns als Partner erweisen und Gemeinschaft schmieden.

Die Gäste kamen in der Betreuungsgesellschaft in Sonthofen zur Informationsveranstaltung zusammen. - Blauer Bund
Die Gäste kamen in der Betreuungsgesellschaft in Sonthofen zur Informationsveranstaltung zusammen.

Damit schließt sich der Kreis zu unserem Netzwerk des blauen Bund e.V. und soll Ermunterung sein, für die Teilnahme an weiteren interessanten Veranstaltungen und die Teihabe an der Gestaltung unserer Welt. Überlassen wir das nicht den anderen!

Text und Bilder: Oberstlt a.D. Andreas Lempke

Zwei Jahre nach der Zeitenwende in der Deutschen Sicherheitspolitik-Bestandsaufnahme der Folgen für Gesellschaft und Bundeswehr

4. April 2024 | 17:30 – 20:00 Uhr | Bonn

Am 27. Februar 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz als Reaktion auf die brutale und völkerrechtswidrige Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine die „Zeitenwende“ ausgerufen. Putins Krieg gegen die Ukraine markiert das Ende regelbasierter Sicherheits- und Friedenspolitik mit vielfältigen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und fordert die demokratischen Staaten heraus. Doch die NATO steht zusammen, stellt die Bündnis- und Landesverteidigung wieder in den Mittelpunkt, verstärkt den Schutz ihrer Ostgrenze und unterstützt die Ukraine auch mit der Lieferung von Kriegswaffen. Die Bundesregierung hat auf die wachsenden Bedrohungen von innen und außen reagiert und erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie erarbeitet. Regierung und Bundestag haben beschlossen, die Bundeswehr mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro besser auszurüsten. Viele Weichen sind bereits gestellt, umfangreiche Beschaffungen eingeleitet, die Struktur der Streitkräfte angepasst. Kritisch zu bewerten sind jedoch unter anderem die Personalgewinnung und die langfristige finanzielle Ausstattung der Bundeswehr.

Um Abschreckung und Verteidigung zu gewährleisten, werden aber auch umfangreiche Maßnahmen im Rahmen der Zivilverteidigung und des Katastrophenschutzes notwendig sein. Die komplexe Sicherheitslage erfordert eine breite gesellschaftliche Debatte über die zukünftige europäische Friedens- und Sicherheitspolitik, über die neue nationale Sicherheitsstrategie, aber auch über Auftrag, Ausrüstung und Struktur der Streitkräfte.

Im Rahmen der Veranstaltung wollen wir mit unseren Expertinnen und Experten und mit Ihnen über die Zeitenwende, ihre Folgen für Gesellschaft und Bundeswehr und den weiteren Handlungsbedarf diskutieren.

Zum Programm

Anmeldung zur Veranstaltung

 

Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung e.V.

Auswirkungen der aktuellen Weltlage auf die zivile Logistik

Am 03. November 2023 hat Prof. Dr. Frank Giesa im Rahmen einer Informationsveranstaltung des bB, Blauer Bund e.V. in der Logistikschule der Bundeswehr in Garlstedt einen Vortrag gehalten, in dem er nicht nur die aktuelle Weltlage und ihre Auswirkungen auf die zivile Logistik betrachtet, sondern seine Ausführungen um Trends erweitert hat, die den Wirtschaftsbereich bewegen. Im Fokus standen dabei nicht die „modischen“ (kurzfristigen), sondern die langfristigen, die hartnäckigen Trends. Diese wirken auf die zivile, aber auch auf die militärische Logistik.

 

Erst kürzlich durfte die BVL Herrn Generalmajor Gerald Funke zum 40. Deutschen Logistik-Kongress in Berlin willkommen heißen, einem Kongress der Wirtschaft, in dem 2.016 Teilnehmer/innen aus Industrie, Handel, Dienstleistung, Wissenschaft und Gesellschaft zusammenkamen. General Funke hat dort im Plenum einen Live-Podcast absolviert, ein modernes, nach-hörbares Format, das schon bei der Aufzeichnung auf großes Interesse des Auditoriums gestoßen ist. Viele zivile Top-Manager wissen einfach zu wenig über die besonderen Aufgaben, die von der Bundeswehr immer wieder mit Bravour gelöst werden.

Die BVL ist eine Brücke, nicht nur zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, sondern auch zwischen der militärischen und der zivilen Logistik. Als Plattform, als Netzwerk, als Gemeinschaft – als Vordenker und Ausbilder auf beiden Seiten mit über 10.000 Mitgliedern, hohem ehrenamtlichen Engagement und ausgewiesener Expertise – ohne unsere Blicke durch Partikularinteressen oder gar Ideologie zu verstellen.

Als größte unabhängige Supply Chain Management und Logistik-Community stehen für die BVL fundierte Fachthemen und Impulse im Vordergrund, die in über 200 verschiedenen Logistik-Berufen einen Nutzwert haben. Denn wenn die Weltwirtschaft nur mit knapp über 2% wächst (statt 4-6% in guten Zeiten) und Deutschland sich (wieder einmal) gefallen lassen muss, eine rote Laterne durch Europa zu tragen, dann hilft es besonders, sich auszutauschen, wie die deutsche und die europäische Wirtschaft trotzdem erfolgreich sein können. Die BVL ist dazu im permanenten Dialog mit ihren Mitgliedern.

Der Early-Bird-Index der Commerzbank zeigte im Oktober erste Anzeichen der konjunkturellen Aufhellung, resultierend aus dem verarbeitenden Gewerbe. Die Deutsche Industrie hat im August Aufträge eingesammelt: Neugeschäft +3,9%  zum Vormonat (doppelt stark wie erwartet). Im Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von Juni bis August nun um 4,9 Prozent höher als in den drei Monaten zuvor.

Steigende Zinsen und hohe Energiepreise dämpfen die Nachfrage der heimischen Wirtschaft. Bestellungen aus dem Inland stiegen im August dennoch um 4,0% zum Vormonat und auch die Auslandsnachfrage erhöhte sich genauso stark wie die aus der Euro-Zone und die von außerhalb der Währungsunion, während wir für 2023 und 2024 eine Abkühlung der Inflation erwarten. Für das kommende Jahr prognostiziert der IWF eine Inflationsrate von im Schnitt „nur“ 4,4 Prozent – also immer noch deutlich höher als bisher vorhergesagt. Es ist also kein Trost, wenn die aktuellen 4,5 % der niedrigste Stand seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar des vergangenen Jahres sind – da waren es 4,3 % – und irgendetwas um 2% wurde (und wird?) angestrebt.

Welchen weltwirtschaftlichen Einfluss der furchtbare  Krieg im Nahen Osten haben wird, kann heute niemand seriös prognostizieren.

Insgesamt „grummelt“ der Logistikindikator, den das ifo Institut und die BVL regelmäßig erheben, ein wenig – obwohl erste Verbesserungen in den Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate zu erkennen sind.

Gestützt wird diese Erkenntnis durch die 20 CEOs der Top-Unternehmensberatungen (jeweils zwischen 500 und 5.000 Mitarbeiter). Sie sprechen davon, dass 2024 ein „frühzyklisches“ Jahr sein wird: Konsumgüter und Handel funktionieren, im B2B gab/gibt es Dämpfer für die Industrie, bei Automotive wird es wegen der e-Mobility wohl eher einen Sidestep geben. Und auch der Unternehmer und VDMA-Präsident Karl Haeusgen hält die momentan öffentlich gepflegte und von den Medien beförderte Untergangsstimmung in Deutschland und in der Deutschen Wirtschaft für kontraproduktiv.

Der Wirtschaftsbereich Logistik ist nach Automobilindustrie und Handel die drittgrößte Branche der Deutschen Wirtschaft. Sie erzielt auch in Krisenjahren Rekordumsätze, kann aber aufgrund des all-gegenwärtigen Fachkräftemangels keinen Personalzuwachs verzeichnen. Logistik ist eine junge, eine jugendliche, eine innovative Branche, die keine kulturellen oder sprachlichen Hürden kennt und eine hohe Technikaffinität aufweist.

2020/21 haben im Supply Chain Management Pandemiefolgen im Vordergrund gestanden wie Versorgungsengpässe, Grenzschließungen. Kriegsfolgen kamen hinzu wie Energieknappheit, gestörte Welthandelsströme. Denen haben sich die Logistiker vorrangig und erfolgreich gewidmet. Aber alle langjährigen Trends hatten und haben noch Bestand:

  • Geopolitische Einflüsse und wachsender Protektionismus, Diskussionen um De- oder Re-Globalisierung oder gar Regionalisierung.
  • Digitalisierung im weiten Feld von unternehmensübergreifendem Datenaustausch über Artificial Intelligence bis hin zur Cyber-Security.
  • Resilienz der Wertschöpfungsketten, bei gleichzeitiger Agilität, begleitet von stürmischer Technologieentwicklung.
  • Nachhaltigkeit durch Effizienzverbesserung, Dekarbonisierung von Industrieproduktion und Logistikprozessen, einhergehend mit dem (Fach-) Kräftemangel, der u.a. aus dem demografischen Wandel resultiert.
  • Last not least der Kostendruck einer global agierenden Wirtschaft und der permanente Kampf um die eigene Wettbewerbsfähigkeit.

Diese relevanten Themen stehen bei den BVL-Mitgliedern im Vordergrund. Seit mehr als 35 Jahren gibt es die BVL-Studie „Trends und Strategien in SCM und Logistik“. In den letzten drei Erhebungen ist zu erkennen, dass der Kostendruck zurzeit an Bedeutung verloren hat. In der Pandemie stand Verfügbarkeit im Vordergrund – „koste es was es wolle“. Die Digitalisierung bleibt in all ihrem Ausprägungen oben auf der Agenda. Der Personalmangel ist in der Bedeutung stark angestiegen und das Thema Nachhaltigkeit schaffte es erstmalig in die „Top 7“. Aber quasi „von Null auf 100“ rückte die Cybersicherheit an die Spitze der Charts. Und so haben die BVL und die zivile Wirtschaft dieses Thema in besonderer Weise in den Fokus genommen, übrigens auch in Zusammenarbeit mit Generalleutnant Michael Vetter und seinen Cyber-Abwehr-Spezialisten in Berlin.

Das Top-Management muss die Aufgabe „Cyber-Sicherheit“ als ureigenste Aufgabe begreifen. Es ist gut, wenn Cybersicherheits-Fachwissen im eigenen Unternehmen zur Verfügung steht, aber die Menschen in den Unternehmen müssen mental „mitgenommen“ werden, speziell zu diesem Thema. Und auch wenn Vertrauen das Beste ist, was man Mitarbeitern entgegenbringen kann, zeigt die Erfahrung, dass Supply Chains in Deutschland noch nicht ausreichend abgesichert sind. Denn Cyberkriminelle sind nicht fair – und sie kämpfen als Verbrecher mit harten Bandagen.

Der Fachkräftemangel macht allen Wirtschaftsunternehmen zu schaffen und hat eine hohe Relevanz für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres schrieben Arbeitgeber deutschlandweit fast 7,3 Millionen Stellen aus. Das entspricht einem Plus von mehr als 11 Prozent im Vergleich zur ersten Jahreshälfte 2022 – ein neuer Höchstwert.

Die Studie „Trends & Strategien in SCM und Logistik“ ist weiterhin den Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Resilienz und natürlich den neuen Technologien gewidmet, insbesondere welche Auswirkungen diese auf Wertschöpfungsketten haben werden. Die aktuellen Schlagworte lauten: Logistics Software Ecosystems, Advanced Analytics in Supply Networks, Artificial Intelligence and ChatGP, Quantencomputing. Bei Supply-Chain-Management-Software gibt es ein wahrliches „Rise of the Machines” als wesentliche Innovation im Wirtschaftsbereich Logistik. Hier entsteht eine neue betriebliche Realität.

Aber natürlich darf es nicht die Software allein sein, sondern es gilt immer noch der Grundsatz, erst die Prozesse in bester Weise zu organisieren und sie dann zu digitalisieren und so das Fulfilment zu verbessern. Und damit den Ressourcenverbrauch zu senken. Nachhaltigkeit durch Effizienz im konstruktives Miteinander.

Das gilt übrigens auch in der Militärlogistik: Oberstleutnant Christian Pingel und seine rd. 1.200 Spezialisten des Versorgungsbataillons 142 schafften es mit ihrem Projekt „Eine Zeitenwende – auch für die Heereslogistik der Bundeswehr“ unter die Top 10 des Deutschen Logistik-Preises 2023 – eines Wettbewerbs der Wirtschaft. Chapeau!

Es gibt vieles, das die militärische und die zivile Wirtschaft verbindet. Wenn die Vernetzung beider Bereiche gewünscht wird – jetzt im aktiven Dienst oder später, wenn ein Wechsel in die zivile Wirtschaft ansteht – steht das das gemeinnützige Netzwerk der Bundevereinigung Logistik zur Weiterbildung und zur Kontaktaufnahme zur Verfügung. Ihr Purpose lautet: „Wir verbinden Menschen in einem einzigartigen Netzwerk. Gemeinsam gestalten wir die Logistik der Zukunft.“ Denn eins ist sicher: Die zivile und die militärische Logistik können gemeinsam mehr bewegen.

Autoren

Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V., Vorsitzender des Vorstands Blauer Bund

Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer, Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V.,
Vorsitzender des Vorstands

Prof. Dr. Frank Giesa, Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V., Sprecher der Regionalgruppe Weser-Ems Lehrstuhlinhaber für ABWL, insb. Logistik und Controlling, Hochschule Bremen Blauer Bund

Prof. Dr. Frank Giesa, Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V.,
Sprecher der Regionalgruppe Weser-Ems

Lehrstuhlinhaber für ABWL, insb. Logistik und Controlling,
Hochschule Bremen


Links

Die im Beitrag genannten Studien können unter www.bvl.de heruntergeladen werden.

Der Podcast von General Funke kann auf https://www.bvl.de/podcast abgerufen werden.

Das Wappen des BAAINBw. Blauer Bund

Bedarfsdeckung vor dem Hintergrund der Zeitenwende

Dieser Bericht steht im Zusammenhang mit dem Vortrag des Autors anlässlich der Informationsveranstaltung Blauer Bund e.V. im November 2023.

Die Hauptaufgabe des BAAINBw ist es, die Bundeswehr mit modernem und sicherem Gerät sowie zeitgemäßer Ausstattung einsatzfähig zu halten und das angestrebte Fähigkeitsprofil in materieller Hinsicht schnell zu erreichen. Die aus dem russischen Angriffskrieg resultierende Zeitenwende erfordert insbesondere, dass im Hinblick auf die Prozesse und Verfahren für die Beschaffung alle Beschleunigungspotenziale genutzt werden. In der Umsetzung verlangt dies ein effizienteres und gleichzeitig rechtssicheres Handeln, um schnell sichtbare Ergebnisse im Hinblick auf Qualität und Quantität der Ausrüstung zu erreichen. Dabei gibt das Vergaberecht den Rahmen vor.

Das BAAINBw ist allerdings nur ein Rad im Getriebe. Die Beschaffung in der Bundeswehr ist ein komplexer Prozess und alle in der Bundeswehr beteiligten Bereiche wirken an der Beschleunigung mit. Darüber hinaus spielt auch die leistungsfähige wehrtechnische Industrie eine zentrale Rolle, die mit hochwertiger, zuverlässiger sowie zeitgerechter Lieferung einen wesentlichen Beitrag leistet.

Das BAAINBw hat alleine im vergangenen Jahr rund 12.000 Beschaffungsverträge geschlossen. Die Anzahl der laufenden Projekte, inkl. der Nutzung, steigt jährlich um rund fünf Prozent und bis Ende 2023 auf knapp 1.700. Auch die Anzahl der 25 Millionen-Euro-Vorlagen an das Parlament zu unseren Großverträgen wächst kontinuierlich und wird im Jahr 2023 mit rund 50 einen Höchststand erreichen.  Im kommenden Jahr könnten es sogar doppelt so viele werden.

Die Mittel, die in den Ausgabenbereichen Rüstungsinvestitionen, Materialerhaltung und Betrieb kassenwirksam umgesetzt werden konnten, sind von rund neun Milliarden im Jahr 2015 bis auf rund 20 Milliarden Euro im Jahr 2022 angestiegen. Dies entspricht bereits einer Steigerung um rund 120 Prozent.

Aufgrund des Sondervermögens wachsen diese Werte weiter an. In diesem Jahr um etwa 40 Prozent und im Folgejahr um rund 30 Prozent. Dies entspricht für 2024 einer Ausgabenerwartung in Höhe von rund 35 Milliarden Euro.

Die eingeleiteten Maßnahmen wirken im Wesentlichen in den Bereichen, Beschleunigung der Prozesse, Beschleunigung der Projektarbeit und der Ausnutzung des rechtlichen Rahmens.

Ein wichtiger Baustein ist die Straffung der Arbeits- und Abstimmungsschritte im Prozess. Hier fassen wir Projektphasen und zu erstellende bedarfs- und haushaltsbegründe Dokumenten mit einem Lösungsvorschlag zusammen. Wir arbeiten dabei mit knappen Zeitvorgaben: Das zentrale Dokument innerhalb von maximal sechs Monaten zu erstellen. Dabei werden im Regelverfahren grundsätzlich marktverfügbare Lösungen vorgesehen. Ein weiteres Handlungsfeld ist die konsequente Deregulierung. Mit der Außerkraftsetzung von über der Hälfte der im BAAINBw genutzten rund 160 Regelungen werden den Mitarbeitenden bewusst Handlungsspielräume geschaffen. So kann im konkreten Einzelfall dem Faktor Zeit höchstmögliche Priorität eingeräumt werden. Dazu zählt auch, dass Ausnahmen von Gesetzen und Abweichungen von Regelungen konsequent genutzt werden.

Ein weiterer Optimierungsaspekt ist die Dezentralisierung. Durch Verlagerung der Zuständigkeiten für die Beschaffung nicht-komplexer Materialsegmente ohne Waffensystembezug zum BAIUDBw oder durch das „Handgeld Kommandeure“ zur Truppe wird das BAAINBw entlastet. Durch das Handgeld kann die Truppe beispielsweise in begrenztem Umfang Sachgüter unmittelbar vor Ort schnell und selbständig beschaffen. Durch diese Maßnahme kann sich das BAAINBw auf die Realisierung komplexer Projekte fokussieren.

Parallel dazu haben wir bei der Vertragsgestaltung Handlungsspielräume geschaffen. Durch das konsequente schließen von Rahmenvereinbarungen mit der Industrie entfällt bei später identifizierten weiteren Bedarfen ein neuerlicher Vergabeprozess. Ein plakatives Beispiel sind hier die Verträge zur Munitionsbeschaffung. Falls finale Finanzierungszusagen noch nicht vorliegen, zeigen wir Risikobereitschaft und nutzen die Möglichkeit, trotzdem zum Angebot aufzufordern. Abgesichert wird das durch entsprechenden Ausschreibungsklauseln.

Beschleunigung der Prozesse und der Projektarbeit durch ausnutzen der rechtlichen Handlungsspielräume ist eine Aufgabe an der das BAAINBw derzeit arbeitet. Eine Veränderung, die auch eine Anpassung im Mindset der Führung und Zusammenarbeit verlangt. Blauer Bund
Die Beschleunigung der Prozesse und der Projektarbeit durch Ausnutzen der rechtlichen Handlungsspielräume und Forderungscontrolling ist eine Aufgabe an der das BAAINBw derzeit arbeitet. Eine Veränderung, die auch eine Anpassung im Mindset zur Führung und Zusammenarbeit verlangt. ©Bundeswehr/BAAINBw

Ein weiterer wichtiger Baustein der Projektarbeit ist das Forderungscontrolling. Es werden komplexe, kostenintensive Entwicklungen vermieden und sich stattdessen auf rasch marktverfügbare Lösungen fokussiert. Als Beispiel dient das System Weltraumüberwachung, wo sich auf frühere Verfügbarkeit durch bewussten Verzicht auf eine Leistungssteigerung verständigt wurde. Zeit ist der bestimmende Faktor! Sofern der Bedarf es erfordert, führt dies auch zu konkreten Produktvorgaben wie bei der Beschaffung der F-35. Forderungscontrolling ist ein scharfes Schwert und ein zentraler Baustein für schnelle Verfügbarkeit in der Truppe. Selbstverständlich sind Entwicklungen weiterhin möglich und notwendig. Und zwar überall dort, wo eine Wirküberlegenheit gegenüber einem potentiellen Gegner essentiell ist.

Natürlich nutzen wir auch rechtliche Handlungsspielräume. Unter Anwendung des Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetzes wurde rund ein Viertel der verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Aufträge als Gesamtvergaben vorgenommen und so, wo möglich, von losweiser Beauftragung abgesehen. Dies reduziert den Aufwand signifikant und beschleunigt die Vergabe. Eine andere Verbesserung wird durch die Anhebung der Wertgrenzen zur Direktvergabe auf 5.000 Euro erreicht. Sie ermöglicht es der Bundeswehr jährlich rund 60.000 Verträge einfacher und schneller zu schließen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen bleiben dabei weiterhin bestehen.

Das BAAINBw hat die Schwerpunkte verstanden und das Material kommt bei der Truppe an. Seien es die kontinuierlichen Zuläufe an Luftfahrzeugen (2021 bis 2024 zwölf A400M) und Schiffen (jährlich eine Fregatte), die mehr als tausend LKW 15to und zehn Brückenlegepanzer oder aber die Ausstattung im Bereich der IT und Bekleidung/ persönliche Ausrüstung.

Text: GenMaj Thorsten Puschmann, Vizepräsident mil. BAAINBw


Das Wappen des BAAINBw. Blauer Bund
Das Wappen des BAAINBw

Das BAAINBw

Der Organisationsbereich Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung besteht aus dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAAINBw, mit Hauptsitz in Koblenz und seinen Dienststellen in Deutschland und in den USA.

Das BAAINBw ist der Abteilung Rüstung im Bundesministerium der Verteidigung unterstellt und untergliedert sich in Abteilungen und Stäbe. Es wird durch sechs Wehrtechnische sowie zwei Wehrwissenschaftliche Dienststellen unterstützt. Das Marinearsenal stellt als weitere Dienststelle die Einsatzbereitschaft der Deutschen Flotte sicher. Die Verbindungsstelle in Reston vertritt die wehrtechnischen und rüstungswirtschaftlichen Interessen gegenüber amerikanischen und kanadischen Stellen des Amts- und Industriebereichs.

Multinational MRTT Unit flog Passagiere aus Israel aus

Nach der drastischen Verschlechterung der Sicherheitslage in Israel war die Ausreise und Rückführung europäischer Staatsbürger von hoher Priorität. Auch die MMU flog seit dem 11. Oktober 2023 auf Ersuchen des Niederländischen Außenministeriums täglich von Eindhoven oder Köln nach Tel Aviv, um Menschen zu ihren Angehörigen, Freunden und Familien zurückzubringen.

870 Passagiere, darunter 90 Deutsche

Insgesamt konnten mit den ersten sechs Flügen über 870 Menschen in Sicherheit gebracht werden, darunter 90 deutsche Staatsangehörige. Die Flüge boten insbesondere den Menschen Rückkehroptionen, die sonst keine Möglichkeit hatten, Israel zu verlassen. Mehrere niederländische Schulklassen, die in Israel gestrandet waren, konnten so wieder mit ihren Familien vereint werden.

Erleichterte Rückkehrer aus Israel verlassen eine Maschine der MMU in den Niederlanden. Blauer Bund
Erleichterte Rückkehrer aus Israel verlassen eine Maschine der MMU in den Niederlanden.

Sechs Nationen zogen an einem Strang

Nachdem zivile Ausreisemöglichkeiten aufgrund der Situation vor Ort erheblich eingeschränkt werden mussten, entschied das niederländische Außenministerium, die MMU mit der Evakuierung der überwiegend niederländischen Passagiere zu beauftragen.

Die MMU ist eine multinationale Einheit, an der sich sechs Nationen, darunter auch Deutschland, beteiligen. Die insgesamt sieben A330MRTT sind im niederländischen Eindhoven sowie am Flughafen Köln-Wahn stationiert. Der A330 MRTT bietet Platz für 267 Passagiere. Neben dem Lufttransport von Fracht und Personal zählen Luftbetankung sowie der Transport von Verletzten und Verwundeten zu den Kernfähigkeiten der Einheit.

Die multinationalen Crews der MMU sind auf diese Einsätze bestens vorbereitet, wie sie bereits bei den Evakuierungsflügen aus Afghanistan sowie dem Sudan unter Beweis gestellt haben.

Die Resonanz sowie das Interesse und das Feedback zum MMU-Einsatz in der Öffentlichkeit waren überwältigend.

Text und Bild: PAO MMU