Rede der Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, zum Jahresbericht 2017 des Wehrbeauftragten vor dem Deutschen Bundestag.

Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte mich dem Dank, lieber Herr Bartels, anschließen, vor allen Dingen dem Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Amt. Wir wollen über zwei Berichte zugleich diskutieren. Ich finde, die Zeit reicht nicht, um sie ausführlich und angemessen zu würdigen. Deshalb möchte ich mich auf einige wenige Punkte konzentrieren.

Lieber Herr Bartels, Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt: „Seit 2014 gibt es […] beide Aufgaben parallel.“ Gemeint sind die Landes- und Bündnisverteidigung und das Krisenmanagement. „Und das mit der kleinsten Bundeswehr aller Zeiten.“

Das stimmt. Nie war das Aufgabenspektrum der Bundeswehr breiter und heterogener, und nie war die Bundeswehr so klein.

Aber wir sollten auch nicht vergessen, woher wir gekommen sind. Seit der Wiedervereinigung hat die Bundeswehr 25 Jahre lang Schrumpfung, Kürzung, Reduzierung und Reformen erlebt. Sie alle haben es miterlebt: Personal wurde abgebaut, Material wurde aussortiert, Ersatzteillager wurden abgeschafft. Das heißt, man hat Gerät, das zu viel da war, kannibalisiert, also Ersatzteile entnommen, um sie in anderes Gerät, damit dieses noch funktioniert, einzubauen. Aber die Modernisierung ist damit natürlich vertagt worden, denn irgendwann hat man keine Geräte mehr, um diese zu kannibalisieren.

Das war nach dem Ende des Kalten Krieges nachvollziehbar und sicherheitspolitisch absolut notwendig. Die Zusammenführung von zwei großen und unterschiedlichen Armeen brauchte das. Aber wir alle wissen, dass spätestens seit der Finanzkrise 2008 aus den Kürzungen bei der Bundeswehr ein Leben von der Substanz folgte. Der Tiefpunkt war in der Tat, dass es hohle Strukturen und eine Verwaltung des Mangels gab und dass an allen Ecken und Enden Personal fehlte.

Dann kam es zu der dramatischen Veränderung der Sicherheitslage, die wir ab 2014 erlebt haben: zur Annexion der Krim, zum Beginn des hybriden Krieges in der Ostukraine, zum veränderten Verhalten Russlands. Ein Vierteljahr später folgten der Aufmarsch des IS über Mosul bis zehn Kilometer vor Bagdad, das Abschlachten der Jesiden bis hin zur Destabilisierung Afrikas durch Migrationsbewegungen, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen haben.

Wir haben gemeinsam umgesteuert und Trendwenden bei Personal, Material und Finanzen eingeleitet. Die Bundeswehr wächst wieder. Aber das Wachsen ist nicht einfach ein Umdrehen des Trends. Vielmehr macht es etwas mit einer Organisation, dass man neu, ins Offene und in die Modernisierung hinein planen und sich neu aufstellen muss. Wir stellen mehr Berufssoldatinnen und -soldaten und mehr Soldaten auf Zeit ein. Die Bewerberlage ist übrigens trotz aller Unkenrufe gut.

Wir haben die starren Obergrenzen, die sich seit 2011 nicht verändert hatten, abgeschafft. Da geht mein Dank für das Vertrauen, das Sie uns gegeben haben, an das Parlament. Jetzt müssen wir nicht mehr die Wirklichkeit an die Obergrenzen anpassen. Wir legen dem Parlament die Planungsprozesse jedes Jahr transparent vor, sodass wir mit Blick nach vorne darlegen können, was wir, um die Auftragserfüllung der Bundeswehr zu gewährleisten, tatsächlich brauchen. Wir haben Transparenz geschaffen, etwa durch Rüstungsberichte, wie es sie nie zuvor gegeben hat. Wir sind schneller und besser geworden.

Wir haben es geschafft, das Volumen der Beschaffungsaufträge zu verfünffachen. Herr Wehrbeauftragter, ich nenne die Zahlen für die letzte Legislaturperiode: Uns sind 51 Boxer, 1.800 Geländewagen und Lkw, 181 Puma, 28 NH90, 16 A400M, 15 Hubschrauber für die Spezialkräfte und 31 Tiger zugegangen. Das reicht noch nicht, aber das ist der Weg in die richtige Richtung. Wir dürfen jetzt aber nicht nachlassen. Die Trendwenden müssen verstetigt werden.

Wir haben im letzten Dezember in der Tat auch die Europäische Verteidigungsunion aus der Taufe gehoben.

Herr Wehrbeauftragter, ich bin beim Thema Ausbildung bei Ihnen. Deshalb haben wir die Agenda Ausbildung ganz oben auf die Prioritätenlisten für diese Legislaturperiode gesetzt, und wir werden sie gemeinsam auch breit diskutieren.

Ja, das Bestandspersonal, wie Sie es nannten, Herr Wehrbeauftragter, muss sich gerade auch in der Gesetzgebung wiederfinden. Deshalb planen wir ein Artikelgesetz, das genau darauf zielt. Ich will nur einige Punkte nennen: Der von Ihnen eben beschriebene notwendige Zugang der Familien von an posttraumatischen Belastungsstörung Erkrankten zu therapeutischen Angeboten steht in diesem Artikelgesetz.

Die Gehaltsstruktur wird überprüft und muss verbessert werden. Die soziale Absicherung unserer Soldatinnen und Soldaten nach der aktiven Zeit – insbesondere, wenn es um die Krankenversicherung der Rentner geht – muss ermöglicht werden. All das sind Bausteine, die wir dann in der Breite auch gemeinsam diskutieren werden. Herr Wehrbeauftragter, Sie laufen bei uns also gewissermaßen offene Türen ein.

Wir sind in der vergangenen Legislaturperiode verbindliche europäische Verpflichtungen eingegangen, die wir umsetzen wollen. Ich nenne die Kooperation mit Frankreich beim Transportflugzeug C-130J und die Entwicklung der nächsten europäischen Generation eines gemeinsamen Kampfpanzers sowie eines gemeinsamen Luftkampfsystems. Das haben wir im letzten Jahr in der Feuille de route festgelegt. Niederländische Einheiten von Heer und Marine sollen tief in unsere militärischen Strukturen integriert werden, und wir planen, den Digitalfunk – die sogenannte Mobile Taktische Kommunikation – gemeinsam auf den Weg zu bringen. Mit Norwegen haben wir eine U-Boot-Kooperation; mit Frankreich, Spanien und Italien entwickeln wir die Eurodrohne.

Jetzt müssen diese Vereinbarungen mit Leben gefüllt werden, denn darauf verlassen sich unsere Verbündeten und unsere Soldatinnen und Soldaten. Das ist kein Sprint. Jetzt zeigt sich, ob wir diesen Dauerlauf schaffen, den langen Atem haben und tatsächlich das umsetzen, was wir in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht haben.

Unsere Soldatinnen und Soldaten warten auch auf neue Nachtsichtgeräte, erstklassige Schutzkleidung, moderne persönliche Ausrüstung und moderne mobile Kommunikationsmittel. Sie erwarten als Parlamentsarmee dafür auch eine nachhaltige und verlässliche Finanzierung.

Man kann den Rückbau der letzten mehr als 20 Jahre nicht in drei Jahren aufholen oder ungeschehen machen. Deshalb sind uns die Beschlüsse im Koalitionsvertrag so wichtig: die überjährige Finanzierung, die Verbesserung im Vergaberecht, die deutsche Umsetzung des europäischen Vergaberechts.

Ja, wir brauchen neue Beschaffungsregeln, wie Sie, Herr Wehrbeauftragter, das nannten, und wir müssen gemeinsam mit allen Beteiligten die Organisation des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr betrachten. Vor allem ist für uns wichtig, dass im Koalitionsvertrag kein Absinken der Nato-Quote und auch kein Absinken der ODA-Quote, sondern eine Erhöhung dieser beiden Quoten eins zu eins festgehalten ist. Diese nachhaltige Finanzierung ist unverzichtbar für die Ressorts des äußeren Handelns, und unsere Soldatinnen und Soldaten verlassen sich darauf.

Nicht nur unsere Soldatinnen und Soldaten verlassen sich darauf. Auch unsere Verbündeten verlassen sich in diesem Punkt auf uns. Wir wissen, dass wir verlässlich sind. Diese Verantwortung wollen wir auf unsere Schultern nehmen, und wir wollen ihr auch gerecht werden.

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Autor: Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen

REMSCHEID ist nicht nur die Stadt mit dem „Bergischen Löwen“: Führung durch zwei technisch hochinteressante Kleinode

Am 22. März, bei teilweise heftigem Schneegestöber, begaben sich frühmorgens 15 Personen der Kameradschaft AACHEN/ESCHWEILER unter organisatorischer Leitung von Oberstleutnant a. D. Karl-Heinz Laux, Schatzmeister im Vorstand der Kameradschaft, nach REMSCHEID auf den Weg, um unter dem Fokus Technik zwei außergewöhnliche Museen zu entdecken.

Jetzt wird sich mancher fragen, wo liegt REMSCHEID und was ist dort so interessant. Nun, wir wurden eines Besseren belehrt. REMSCHEID ist die drittgrößte Stadt des Bergischen Landes mit dem „Bergischen Löwen“ als Wappentier und wird volkstümlich auch die „Seestadt auf dem Berge“ genannt. Diese Bezeichnung entstand gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts, weil die in REMSCHEID ansässige Metall- und Werkzeugindustrie vielfältige Handelsbeziehungen nach Übersee und in die ganze Welt unterhält. Daneben hat aber REMSCHEID noch mehr zu bieten als innovative und weltweit bekannte Unternehmen. Sicherlich gehören dazu das unter technischen Aspekten besonders hervorzuhebende Deutsche Röntgenmuseum und das Deutsche Werkzeugmuseum.

1. Das Deutsche Röntgenmuseum

Das Deutsche Röntgenmuseum in Wilhelm Conrad Röntgens Geburtsstadt REMSCHEID-LENNEP versucht, nicht nur dessen Lebenswerk zu würdigen und verständlich der Nachwelt zu präsentieren. Es zeigt auch Exponate, die die Auswirkungen und Weiterentwicklungen seiner bahnbrechenden Entdeckung bis in die Gegenwart vor Augen führen.

Das Röntgen-Museum in REMSCHEID von Außen, Foto: Oberstleutnant a.D. H. Rüttgers

Wie kaum eine andere Entdeckung haben Röntgens X-Strahlen Einfluss nicht nur auf das Leben der Menschen, sondern auch auf alle Bereiche der Wissenschaft und Technik genommen. Wilhelm Conrad Röntgen wurde am 27.03.1845 in REMSCHEID-LENNEP geboren. Seine Eltern waren der Tuchhändler Friedrich Conrad Röntgen und dessen Ehefrau Charlotte, geb. Frowein. 1849 zog die Familie nach APELDORN (Niederlande); dort und später in UTRECHT besuchte er verschiedene Schulen und begann ein Universitätsstudium.

Von 1865 bis 1868 studierte er an der Eidgenössischen Polytechnischen Schule in ZÜRICH und erhielt das Diplom als Maschinenbauingenieur. Mit seiner Dissertation “Studien über Gase” erwarb er 1868 an der ZÜRICHer Universität den Grad eines Doktors. 1888 nahm er die Berufung als Ordentlicher Professor für Physik und Leiter des Physikalischen Instituts der Julius-Maximilians-Universität WÜRZBURG an. Am 8. November 1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen die unsichtbaren Strahlen. Er experimentierte mit einer fast luftleeren Kathodenstrahlröhre aus Glas. Er deckte sie mit Pappe ab, aber die Strahlen konnten diese durchdringen und bildeten ein zufällig auf dem Tisch liegendes Objekt auf einem danebenliegenden Fluoreszenzschirm ab. In einer öffentlichen Demonstration seiner neuen Entdeckung im Januar 1896 schlug ein Teilnehmer der Veranstaltung vor, diese Strahlen künftig “Röntgen´sche Strahlen” zu nennen. 1900 wurde er als Ordentlicher Professor und Vorstand des Physikalischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität nach MÜNCHEN berufen. Am 10.12.1901 erhielt Wilhelm Conrad Röntgen den ersten Nobelpreis für Physik der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften. Er starb am 10.02.1923 zwar in MÜNCHEN, begraben jedoch ist er in GIESSEN.

Seitdem sind die Röntgenstrahlen in Medizin, Technik und Forschung allgegenwärtig und es gibt kaum jemanden, der nicht schon einmal mit ihrer Hilfe untersucht wurde und sei es nur in einer Röntgenreihenuntersuchung. Röntgen selbst gab ihnen den Namen „X-Strahlen“.

Die Entdeckung der Röntgenstrahlung (Nachbildung), Foto: Oberstleutnant a.D. J. Steibel

Die Sammlungen des Deutschen Röntgen-Museums umfassen ca. 155.000 Objekte. Unter den Sammlungsobjekten ist eine hohe Zahl an wertvollen Originalexponaten und eine in der Welt einmalige Sammlung von Geräten zur Entdeckung, Erforschung und Anwendung der Röntgenstrahlen auf allen wissenschaftlichen Fachgebieten zu finden.

In der Medizin:

In der Medizin dient das Röntgen hauptsächlich zur Feststellung von Anomalien im Körper, die im Zusammenhang mit Symptomen, Zeichen und eventuell anderen Untersuchungen eine Diagnose ermöglichen (Röntgendiagnostik). Die unterschiedlich dichten Gewebe des menschlichen (oder tierischen) Körpers absorbieren die Röntgenstrahlen unterschiedlich stark, so dass man eine Abbildung des Körperinneren erreicht. Dieses Verfahren wird zum Beispiel häufig bei Verdacht auf Knochenbruch angewendet: Zeigt das Röntgenbild eine Unterbrechung der Kontinuität des Knochens, ist der Verdacht bestätigt.

Einsatz als Feldmäßiger Röntgenapparat:

Mehr als neun Millionen tote Soldaten, viele Millionen Verwundete – die Bilanz des Ersten Weltkriegs erschüttert bis heute. Nicht nur die Zahlen sind schockierend, sondern auch die Schwere der Verletzungen. Einfache Schusswunden zählten noch zu den harmloseren Folgen der Kämpfe. Die neuen Kriegstechnologien richteten die Menschen furchtbar zu: Manche Soldaten verloren Arme, Beine oder Teile ihres Gesichts, sie erblindeten oder trugen Lähmungen davon.

Feldmäßiger Röntgenapparat, Foto: Oberstleutnant a.D. J. Steibel

Ärzte versuchten nach Kräften, den Schwerverwundeten zu helfen – und setzten dabei erstmals auf eine besonders von einer weiteren Nobelpreisträgerin, nämlich von Madame Curie, unterstützende neuartige Technik: den Röntgenbildern. Die waren für viele verletzte Soldaten lebensrettend, weil man Geschosssplitter im Körper entdeckte, die man sonst nicht gefunden hätte.

In der Biologie:

In biologischen Fachbereichen, wie beispielsweise der Zoologie, wird versucht, mit Hilfe von Röntgen-basierten Darstellungen verschiedenste Fragestellungen zu beantworten. So kann beispielsweise der Aufbau des Kreislaufsystems bei Wirbellosen und seine Lage im Körper besser und schneller untersucht werden, als es mit konventionellen Methoden wie Präparation unter dem Mikroskop oder histologischen Schnitten möglich wäre.

Zur Strukturanalyse:

Indem man die Beugung von Röntgenstrahlen beim Durchtritt durch eine Substanzprobe misst, lässt sich die Kristallstruktur von Substanzen aufklären. Moleküle können so visualisiert werden. Bei organischen Molekülen wie DNA, RNA und Proteinen lässt die Struktur Schlüsse auf die Funktion zu, daher greifen Molekularbiologen besonders oft auf die Röntgen-Strukturanalyse zurück.

In der Geologie und Mineralogie:

Die chemische Analyse von Gesteinen und Mineralen ist mit Hilfe der Röntgenfluoreszenz-Analyse möglich. Durch Bestrahlung mit Röntgenstrahlen von ca. 50 kV werden die in einer Probe enthaltenen chemischen Elemente zu einer Fluoreszenz-Strahlung angeregt, deren Wellenlänge charakteristisch für das betreffende Element ist. Durch Messung der Wellenlänge dieser Strahlung können die Elemente qualitativ bestimmt werden. Durch Messung der Intensität und Vergleich mit einer Standardprobe bekannter Zusammensetzung kann auch eine quantitative Analyse durchgeführt werden.

In der Archäologie:

In der Archäologie wird die Röntgenaufnahme beispielsweise zum Durchleuchten von Mumien genutzt, wenn deren Einbandagierung nicht zerstört werden soll. Ferner können kompliziert aufgebaute Funde wie Waffen, verzierte Ornamente oder unter Verschluss befindliche Objekte in Truhen ohne Öffnung untersucht werden.

Zur Gemäldeuntersuchung:

Die Röntgentechnik wurde erstmals eingesetzt, um verschiedene Schichten des Bildaufbaus bei Gemälden sichtbar zu machen.

Mobile Durchleuchtungseinheit für LKW und Busse der Bundeszollverwaltung

An manchen Kontrollpunkten wird Röntgentechnik in Scannern angewendet, um zeitsparend, aber wirksam Hohlräume oder Menschen zu durchleuchten. Es gibt Röntgengeräte, die ganze LKW-Ladungen oder Container durchleuchten können. Zudem wird das Röntgen auch bei der Delaborierung von Bomben zur Hilfe genommen.

Materialprüfung

Weitere Anwendungen findet man beim Röntgen in der Werkstoffprüfung. Durch Röntgen kann man im Verlauf der Durchstrahlungsprüfung Objekte auf Risse und Hohlräume im Innern untersuchen. Dies geschieht mit sogenannten Röntgenrefraktionsanlagen, meist mit einem Belastungsmechanismus zum leichten Öffnen der Mikrorisse.

Qualitätskontrolle in der Nahrungsmittelproduktion

Immer häufiger verlangen große Handelsketten von den Nahrungsmittelherstellern eine bessere Detektion von Fremdkörpern zur Erhöhung der Produktqualität. Nachdem der Metalldetektor in den letzten Jahren das Mittel der Wahl war, kommen jetzt immer häufiger Röntgensysteme zum Einsatz. Diese Röntgensysteme bestehen zum einen aus dem bekannten Röntgensystem (Röhre/Kollimator und Empfänger) sowie aus einer weitentwickelten computergestützten Bildverarbeitung mit Aussteuergerät.

Gefahren von Röntgenstrahlen

Röntgenstrahlung durchdringen alle Gewebe des menschlichen Körpers und können zu Schädigungen führen, vor allem infolge Beeinträchtigung der Zellteilung. Hier zu nennen sind besonders:

  • Verbrennungen verschiedenen Grades durch Strahleneinwirkung auf die Haut.
  • Schädigung des Knochenmarks und der Keimzellen, dadurch Entstehung von Missbildungen, Unfruchtbarkeit oder Krebs.
  • Bei schwangeren Frauen: Röntgenstrahlen sind für das ungeborene Kind lebensgefährlich, daher sollten Aufnahmen nur dann durchgeführt werden, wenn sie überlebenswichtig sind. Frauen im gebärfähigen Alter sollten vor einer Röntgenuntersuchung einen Schwangerschaftstest durchführen, wenn sie nicht ausschließen können, dass sie schwanger sind.

Die maximal erlaubte Dosis pro Jahr für beruflich exponierte Personen beträgt 5 Rem. Das entspricht 10 Thorax-Röntgenbildern. Darum ist Strahlenschutz für Patienten und Personal, die mit Röntgenstrahlen zu tun haben, besonders wichtig.

Die für die Führung vorgesehene Zeit verflog rasend schnell. Unser Führer verstand es geschickt, uns die wichtigsten und interessantesten Exponate kurzweilig und durch kleine Anekdoten aufgelockert vorzustellen. Nach einer Kräftigung mit Pasta und Pizza beim Italiener verlegten wir zum zweiten hochinteressanten Museum.

2. Das Deutsche Werkzeugmuseum

Dieses Museum ist in Deutschland einzigartig. Es beherbergt eine umfangreiche technik-, sozial- und kulturgeschichtliche Sammlung von Werkzeugen aus vielen Jahrhunderten, beginnend beim steinernen Faustkeil aus einer Zeit vor 200.000 Jahren und reicht bis in die Gegenwart.

Daneben ist es gerade für Techniker wieder interessant, zu erfahren, woher solche Bezeichnungen wie „Maulschlüssel“, „Klauen“-, „Gelenk“-, „Steck“- oder „Hakenschlüssel“ stammen Den letztgenannten müssten vor allem VW-Käferfahrer noch kennen, denn der ist zum Aus- und Einbau des Anlassers nötig, da kein gradliniger Zugang zur Verschraubung möglich ist. Oder was ist ein „Innenschruppdrehmeißel“ oder „Schaftschruppfräser“? Dies und andere Fachausdrücke erklärte uns unser Führer, ein erfahrener Werkzeugbauer, beim 90 min Museumsrundgang.

Außen gibt sich der 1967 gegründete und 1995/96 neu konzipierte und neu gestaltete Museumskomplex im REMSCHEIDer Stadtteil HASTEN eher bescheiden. Doch das trügt: Bereits im Eingangsbereich fällt unser Blick auf ein fast vier Meter großes Schwungrad einer Dampfmaschine aus dem Jahre 1907, von der aus über eine Transmission unter der Decke mehrere Werkzeugmaschinen angetrieben werden, und versetzt uns zurück in die Vergangenheit.

Dampfmaschine mit Schwungrad, Foto: Oberstleutnant a.D. H. Rüttgers

Ein anderer Bereich des Museums ist dem schon vor über 200 Jahren vom Bergischen aus weltweit betriebenen Handel mit Werkzeug und anderen Eisenwaren gewidmet. Zu sehen sind originalgetreue Kopien alter Kataloge, Fotos überseeischer Niederlassungen großer Exporthäuser, Musterkoffer und Kisten für Werkzeuge aller Art für den Seetransport. Unlängst hinzu gekommen ist eine Ausstellungseinheit, die zwei Handelsreisen dokumentiert, die der Inhaber einer traditionsreichen Firma in den frühen 1950er Jahren durch den damals noch wenig erschlossenen afrikanischen Kontinent unternahm.

Im Mittelpunkt aber steht Werkzeug, seine Funktion und seine Herstellung: Von den Gerätschaften der Steinzeit, der Bronzezeit, des Mittelalters und der handwerklich geprägten Frühindustrie bis zum computergesteuerten High-Tech-Produkt unserer Tage, von der Eisenerzeugung im Bauernrennfeuer bis zum ersten industriellen Lichtbogen-Schmelzofen für Stahl von 1906 veranschaulicht das Museum diese Themenbereiche auf vielfältige Weise. Die in anderen Museen allgegenwärtigen Schilder „Bitte nicht berühren“ sucht man hier vergeblich. Im Gegenteil: Immer wieder lädt der Hinweis „Bitte ausprobieren“ große und kleine Besucher ein, sich selbst im Umgang mit Werkzeug zu versuchen.

In das Museum integriert ist eine historische Fabrikhalle mit Kontorgebäude. Weiterhin sind zwei originalgetreue Schmieden aus der Zeit um 1900, eine kleine Feilenhaustube, ein kleiner Wasserhammer und ein wasserradgetriebener Schleifkotten zu besichtigen.

Eisenerzvorkommen, Holz für die Holzkohle als reinem Brennstoff und bald auch das Wasser der von reichen Niederschlägen gespeisten Bäche mit starkem Gefälle zum Antrieb leistungsstarker Wasserräder waren Grundlage für die Entstehung der frühindustriellen Werkzeugfertigung im Raume REMSCHEID. So konnte hier – zunächst in kleinen Schmelzöfen, sogenannten „Rennöfen“, später in bis zu 10 Meter hohen „Hochöfen“ – Stahl erzeugt und weiterverkauft oder zu Werkzeug und anderen Kleineisenartikeln weiterverarbeitet werden.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts standen bestimmte Rohstoffe für die Metallherstellung nicht mehr zur Verfügung. Daher beschränkte man sich von da an auf die Veredelung von Roheisen. Dieses wurde vor allem aus dem Siegerland bezogen und dann zum sogenannten „Raffinierstahl“, dem frühindustriellen Edelstahl, weiterverarbeitet.

Die Ausstellungseinheit „Werkzeugform – Werkzeugfunktion“ will zeigen, dass die Form eines Werkzeugs zwar durch Funktion und ergonomische Zweckmäßigkeit bestimmt ist, sie aber dennoch im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Ausprägungen erfährt. Neben Handwerkzeug wird auch Elektrowerkzeug, hier insbesondere in Bezug auf die Entwicklung der Elektrobohrhämmer, angesprochen.

Perfektes „Feilenhauen“, Foto: Oberstleutnant a.D. J. Steibel

Gleich nebenan die Ausstellungseinheit „Feilenhauerei“, wo exemplarisch verdeutlicht wird, welche – zunächst handwerklichen – Arbeitsschritte zur Feilen-Herstellung erforderlich sind. Am Beispiel der Mechanisierung der Produktion werden auch die sozialen Auswirkungen für die Menschen und deren Arbeit verdeutlicht: Die Feilenhauer verloren ihre Selbstständigkeit, wurden zu Fabrikarbeitern.

Unsere Besuchsgruppe in der Diskussion, Foto: Oberstleutnant a.D. J. Steibel

In engem Zusammenhang mit der Feilenhauerei steht die Ausstellungseinheit „Kleinindustrielle Fertigung“, deren Mittelpunkt Werkzeugmaschinen und Maschinenwerkzeuge des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts bilden. Räumlich gehört dazu auch die schon erwähnte Dampfmaschine von 1907, die ihre Kraft über eine Transmissionsanlage auf Produktionsmaschinen überträgt. Diese, ein Symbol der „Industriellen Revolution“, leitet thematisch über zur Ausstellungseinheit „Industrielle Werkzeugfertigung“. Neben sozialgeschichtlichen Aspekten informiert hier ein weiterer Schwerpunkt über das industrielle Gesenkschmieden, nach wie vor ein wichtiger Produktionsschritt in der Werkzeugindustrie. Angegliedert sind weitere Großobjekte, die zwar mit der Werkzeugproduktion in einem Zusammenhang stehen, thematisch jedoch darüber hinaus weisen. Dies ist zum einen der weltweit erste Produktionsofen zur Herstellung von hochwertigem Elektrostahl (1906 von Richard Lindenberg in REMSCHEID-Hasten in Betrieb genommen). Zum anderen ist es eine Exponatgruppe mit Modellen und Original-Versuchs-Walzanlagen zur Herstellung nahtloser Röhren, entwickelt von Max Mannesmann (1857-1915) und dessen Bruder Reinhard (1856-1922).

Ganz aktuell schließlich die Ausstellungseinheit „Moderne Werkzeuge – Moderne Fertigung“: Neue Organisationsformen, neue Verfahren im Fertigungsfluss, neue Produkte aus innovativen Werkstoffen und hochpräzise Methoden der Qualitätssicherung bestimmen heute den Alltag der Werkzeugindustrie.

Leider verflog die Zeit für unsere sachkundige Besuchsgruppe viel zu schnell. Jedoch hatten wir somit für die Heimfahrt ausreichend Gelegenheit, um die eine oder andere technische Fragestellung weiter zu diskutieren.

Kameradschaft AACHEN/ESCHWEILER
Autor: Oberstleutnant a.D. Steibel