Abbildung 2.1: Unterbrechungsfreie, durchhaltefähige und robuste logistische Versorgung durch das LogSysBw zur Logistische Unterstützung von Streitkräften Blauer Bund

Logistische Unterstützung von Operationen der Streitkräfte

Logistische Unterstützung von Operationen der Streitkräfte in den Phasen Bereitstellung, Aufmarsch, Verlegung, RSOM und logistische Versorgung

Einleitung

Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und der Ausbruch des Krieges in der Ukraine bildeten im 21sten Jahrhundert die bisher fundamentalsten Einschnitte in der internationalen Sicherheitspolitik.

Als Reaktion auf die damit einhergehende veränderte Bedrohungslage hat die NATO seit 2014 ihr Verständnis zur Ausplanung von Streitkräften angepasst. Die seit den 1990er Jahren strukturelle Schwerpunktausrichtung auf Kräfte zur Unterstützung des Internationalen Krisenmanagements (IKM) konnte unter den veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen nicht mehr aufrechterhalten werden. Der Auftrag und die Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) wurde planungsleitend und damit auch für die Bundeswehr strukturbestimmend.

Die deutschen Streitkräfte werden seither im Einklang mit dem konzeptionellen Dreiklang aus dem Weißbuch der Bundesregierung, der Konzeption der Bundeswehr und dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr (FPBw) des Bundesministeriums der Verteidigung schrittweise befähigt, schnell und kampfkräftig im gesamten Bündnisgebiet in einem 360° Ansatz zur LV/BV zum Einsatz kommen zu können. Dieser veränderte Ansatz wird beispielsweise durch die Gestellung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) der NATO, für welche Deutschland als bedeutender Truppensteller im Jahr 2023 wiederholt gemeinsam mit Norwegen und den Niederlanden die Führungsverantwortung tragen wird, sichtbar.

Um die eingegangenen Bündnisverpflichtungen erfüllen zu können, bedarf es neben durchsetzungsfähiger Einsatzverbände aller Dimensionen gleichzeitig auch reaktionsschneller, leistungsfähiger, robuster und flexibler logistischer Fähigkeiten, Kräfte und Mittel. Es bedarf einer nachhaltigen logistischen Unterstützung, welche die Durchhaltefähigkeit deutscher Streitkräfte in dimensionsübergreifenden Einsätzen, in Joint & Combined Operationen unter Führung der NATO oder EU, in allen Phasen der Operationsführung sicherstellen kann.

Die mit diesen Fähigkeitsforderungen einhergehende gleichrangige und gleichzeitige Unterstützung von Aufgaben der LV/BV und des IKM stellte für das Logistische System der Bundeswehr (LogSysBw) und insbesondere das Logistikkommando der Bundeswehr (LogKdoBw), als den wesentlichen Verantwortungs- und Leistungsträger der Streitkräfte im LogSysBw, eine grundlegende Lageänderung dar und implizierte einen erheblichen Anpassungsbedarf.

Hintergrund

Das LogSysBw wurde nach der deutschen Wiedervereinigung auf die Unterstützung planbarer, kleinerer bis mittlerer Einsätze im Rahmen des IKM mit einer eher statischen, lokal begrenzten Operationsführung und im Umfang deutlich geringeren Verbräuchen konsequent ausgerichtet. Die organischen logistischen Kräfte und Mittel der Streitkräfte und insbesondere der Basislogistik wurden mit der Bundeswehrreform im Jahr 2011 erneut um mehr als 40% reduziert. Grundbetrieb, Übungen und IKM Einsätze wurden auf Basis einer auf Effizienz getrimmten Bereitstellungslogistik mit einer deutlich verschlankten Depotorganisation sowie mit auf Stabilisierungsoperationen optimierten mobilen Logistiktruppen der Basislogistik (mobLogTr BasLog) unterstützt.

Szenare innerhalb der LV/BV unterscheiden sich jedoch von Einsätzen des IKM grundlegend. Beispielhaft seien an dieser Stelle auszugsweise nur viel kürzere Reaktionszeiten, dynamischere und hochintensive Gefechtsphasen – inkl. hoher Verbräuche (z.B. Verbräuche von Munition, Betriebsstoff, Ersatz-/Austauschteile), der damit einhergehende Bedarf an stationärer und mobiler Lagerkapazität, sowie die Notwendigkeit hoher Mobilität und Verlegefähigkeit von Kräften an die Peripherie des Bündnisgebietes im 360° Ansatz genannt.

Projekt „WE LogSysBw“, FPBw u. Eckpunkte für die Bw der Zukunft

Das LogSysBw besteht aus einem mehrstufigen System in welchem die Basislogistik mit den Einsatzlogistiken der militärischen Organisationsbereiche synergetisch zusammenwirkt. Diese grundlegende Ausrichtung des LogSysBw stellt auch für Einsätze im Rahmen LV/BV die effektivste Option logistischer Unterstützung dar. Es ist überall dort dezentral ausgerichtet, wo dies möglich ist und eine unmittelbare Unterstützung der operierenden Truppe erfolgt, aber zentral dort, wo ein Funktionieren des Gesamtsystems gewährleistet werden und verfügbare Ressourcen effektiv, effizient und flexibel eingesetzt werden müssen.

Die Grundlagen für die seither eingeleitete Weiterentwicklung des LogSysBw und insbesondere der Basislogistik – als die tragende militärische Säule im LogSysBw – stellen die Ergebnisse des Projekts „Weiterentwicklung LogSysBw“ des Generals Bundeswehrlogistik sowie das FPBw dar. Das FPBw definiert dabei über Systemverbünde die Fähigkeiten und Kapazitäten der Streitkräfte, die im Rahmen der LV/BV logistisch unterstützt werden müssen.

Darüber hinaus werden die durch die „Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft“ gesetzten Rahmenbedingungen und Vorgaben planungsleitend berücksichtigt.

Im Hinblick auf die erforderlichen Anpassungen – vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen Anforderungen und Bandbreite sowie aufgrund begrenzter Ressourcen – hat sich sehr frühzeitig herauskristallisiert, dass die für die logistische Unterstützung notwendigen Kapazitäten und Fähigkeiten nicht nur durch organische (militärische als auch zivile) Kräfte und Mittel der Bundeswehr bereitgestellt werden können.

Vielmehr ist es notwendig, das LogSysBw und insbesondere die Basislogistik in ausgewählten Bereichen durch Leistungen Dritter – multinationaler Partner, Kooperationen mit der Wirtschaft sowie sonstiger gewerblicher Leistungen – integrativ zu ergänzen.

Das häufig verwendete Bild eines „Haus der Logistik“ in Abbildung 1 verdeutlicht diesen integrativen Ansatz.

Abbildung 1: Der integrativen Ansatz im LogSysBw dargestellt im „Haus der Logistik“ Blauer Bund
Abbildung 1: Der integrativen Ansatz im LogSysBw dargestellt im „Haus der Logistik“

Quelle: Eigene Darstellung

Zur gleichrangigen und gleichzeitigen Erfüllung der logistischen Anforderungen der LV/BV und des IKM in Deutschland, aus Deutschland heraus zur Stärkung der Drehscheibe Deutschland, ins Einsatzgebiet und im Einsatzgebiet und damit in allen Phasen der Operationsführung („Bereitstellung“, „Aufmarsch“, „Verlegung“, „RSOM“ und „Versorgung“) wurde und wird das LogSysBw und insbesondere das LogKdoBw mit seinen Kräften und Mitteln schrittweise weiterentwickelt. Zielsetzung ist dabei eine unterbrechungsfreie, durchhaltefähige und robuste logistische Versorgung durch das LogSysBw, wie in Abbildung 2.1 schematisch dargestellt.

 

Abbildung 2.1: Unterbrechungsfreie, durchhaltefähige und robuste logistische Versorgung durch das LogSysBw zur Logistische Unterstützung von Streitkräften Blauer Bund
Abbildung 2.1: Unterbrechungsfreie, durchhaltefähige und robuste logistische Versorgung durch das LogSysBw zur Logistische Unterstützung von Streitkräften

Quelle: Eigene Darstellung

Bereitstellung

In der Phase Bereitstellung ist es entscheidend, einsatzbereite Kräfte und damit auch voll ausgebildete Kräfte bereitzustellen. Dazu tragen die Logistikschule der Bundeswehr, unter anderem mit dem Logistischen Übungszentrum, dem JLSG Coordination and Training Center sowie dem Spezialpionierausbildungs- und übungszentrum als auch das Zentrum für Kraftfahrwesen der Bundeswehr mit der Kraftfahrgrundausbildung wesentlich bei. Entscheidend ist in dieser Phase aber auch, dass die Leistungen in der logistischen Basis Inland aus dem „Netzwerk ortsfeste logistische Einrichtungen der Basislogistik“ unter Einbindung zivil-gewerblicher und multinationaler Partner sowie der Ressourcenämter zeitgerecht, in den erforderlichen Mengen (aufgefüllte Bestände vorausgesetzt) und Qualität zur Verfügung gestellt werden. Nur so können die gegenüber der NATO und unseren Bündnispartnern eingegangenen Verpflichtungen verlässlich erfüllt werden. Anhand der definierten Reaktionszeiten (Notice To Move (NTM)) der ersten Kräfte der VJTF von 2 bis 7 Tagen sowie einer Durchhaltefähigkeit von bis zu 30 Tagen (30-Tage-Vorrat) werden die veränderten Anforderungen an das LogSysBw und insbesondere an das LogKdoBw und die Basislogistik besonders deutlich.

Abbildung 2.2 – Der Logistische Wirkverbund der Basislogistik im Inland Blauer Bund
Abbildung 2.2 – Der Logistische Wirkverbund der Basislogistik im Inland

Quelle: Eigene Darstellung

Die Abkehr einer rein auf Effizienz ausgerichteten Gestaltung des Gesamtsystems wurde erfolgreich eingeleitet und in ersten Schritten umgesetzt. Primäres Ziel ist wieder die Gewährleistung einer effektiven logistischen Leistungserbringung durch eine Steigerung der Robustheit. Steigerung der Robustheit mittels des Aufbaus von organischen Kapazitäten, der Erhöhung der Flexibilität, der Reaktionsfähigkeit, des Schutzes und der Durchhaltefähigkeit des Netzwerks ortsfeste Logistische Einrichtungen der Basislogistik. Die bereits vollzogene Umgliederung des Stabs des Logistikzentrums der Bundeswehr (LogZBw) sowie die stufenweise Wiederinbetriebnahme von Material- und Munitionslagern als auch die bedarfsgerechte Integration zivil-gewerblicher Leistungen sowie die eingeleitete Aufstellung eines aufbauorganisatorischen Kerns eines National Movement Coordination Centre (NMCC) im Stab LogZBw sind sichtbare Zeichen und erste wesentliche Erfolge.

Aber auch ablauforganisatorische Maßnahmen wie die Einrichtung von 24/7 Rufbereitschaften und Ausgabebereitschaften für den Alarmierungsfall als auch die Bereitstellung vorkommissionierter Vorräte zur unverzüglichen Bereitstellung der Erst- und Folgeversorgung können entscheidend dazu beitragen.

Neben den ortsfesten logistischen Einrichtungen bedarf es zur Gewährleistung einer durchhaltefähigen und robusten logistischen Unterstützung aber auch reaktionsschneller mobLogTr der Basislogistik (BasisLog) in der Verantwortung des LogKdoBw. MobLogTr BasisLog können in der Phase Bereitstellung zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft und zur Gewährleistung der „schnellstmöglich Einsatzfähigkeit“ von Kräftedispositiven beitragen. Der Schwerpunkt ihres Auftrags ist und bleibt, frühestmöglich in ein Einsatzgebiet zu verlegen, um dort eine Aufnahme der Masse der nachfolgenden Streitkräfte zu gewährleisten sowie die Erst- und Folgeversorgung und damit die „Coupling Bridge“ zur Basis Inland sicherzustellen.

Die organischen Kapazitäten der Bundeswehr werden trotz der exemplarisch angesprochenen Maßnahmen nicht ausreichen, um den Anforderungen der LV/BV und des IKM im vollen Umfang gerecht werden zu können.

Daher wurden mögliche Kooperationen mit der Wirtschaft durch das LogKdoBw im Rahmen des Projekts „Zukunftsorientierung Kooperationen in der Logistik“ in verschiedenen Fachpanels in enger Zusammenarbeit mit Vertretern aus der Wirtschaft erörtert. Vor allem im Fachpanel 2 „Materialbewirtschaftung und Lagerung“ und im Panel 3 „Logistische Unterstützung bei der Verlegung von Kräften“ sind die Arbeiten sehr weit fortgeschritten und die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung geschaffen.

Abbildung 3: – Einblick in das Materiallager Zeithain Blauer Bund
Abbildung 3: – Einblick in das Materiallager Zeithain

Quelle: PIZ SKB

Die sehr positiven Erfahrungen aus dem Gesamtprojekt haben den Kommandeur LogKdoBw und General Bundeswehrlogistik darin bestärkt, diesen Weg konsequent und zielgerichtet gemeinsam mit der Wirtschaft weiter zu beschreiten. Ziel ist es, weitere tragfähige und zielorientierte Kooperationen gemeinsam mit der Wirtschaft zu entwickeln, um die erhöhten Bedarfe in den Bereichen Lagerhaltung, Instandhaltung, bei der Verlegung von Kräften aber auch Ausbildung gesichert decken zu können.

Im Bereich der multinationalen (MN) Logistik ist die Fortsetzung der begonnenen Arbeiten mit der Herausgabe der Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft explizit angewiesen. Als eins der erfolgreichsten jüngeren Beispiele für die MN Zusammenarbeit in der Logistik ist das Projekt „Network of Logistic Hubs in Europe and Support to Operations (NW of LogHubs in EUR)“ als Teil der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation; PESCO) der Europäischen Union zu nennen. Das Projekt NW of LogHubs ist das zweitgrößte PESCO-Projekt der EU und hat das Ziel, in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl europäischer Staaten ein europaweites Netzwerk an logistischen Knoten – sogenannter logistischer Hubs (LogHubs) – zu etablieren. Mit Hilfe des Netzwerks soll die Sicherstellung von zugewiesenen logistischen Leistungen, wie die Unterstützung der Verlegung militärischer Güter und Fahrzeuge, die temporäre Lagerung von Versorgungsgütern von Partnernationen sowie die Erst- und Folgeversorgung von Einsatzkontingenten (EinsKtgt) gewährleistet werden. Deutschland beteiligt sich mit dem Ende 2020 etablierten LogHub in Pfungstadt und stellt Leistungen für das Netzwerk zur Verfügung.

Verlegung (Aufmarsch, Strateg. Verlegung u. RSOM)

An die Phase der Bereitstellung schließt sich die Phase Verlegung an (Aufmarsch, Strategische Verlegung u. Reception, Staging and Onward Movement (RSOM)).

Die Verlegung von Streitkräften verfolgen das übergeordnete Ziel, Personal, Material/Ausrüstung und Versorgungsgüter zeitgerecht, in der richtigen Reihenfolge und in der geforderten Einsatzbereitschaft gemäß operativer Erfordernisse von ihrem Aufkommens-/Stationierungsort an definierte Einsatzorte zu verbringen. Verlegung lässt sich in drei Abschnitte unterteilen.

Der erste Abschnitt (Aufmarsch) bildet die Wegstrecke vom Aufkommens-/Stationierungsort der Truppenteile bis zum jeweiligen Verladeort (Port of Embarkation (POE); zum Beispiel einem Hafen, Bahnhof, etc.) ab. Im zweiten Abschnitt (Strategische Verlegung) folgt der strategische Transport vom Verladeort bis zum Entladepunkt in einem Einsatzgebiet (Port of Debarkation (POD)) wo die „Reception“ (Entladung, Sortierung und Vorbereitung des Weitertransportes) erfolgt. Verladeort und Entladepunkt können dabei für Personal, material/Ausrüstung und Versorgungsgüter voneinander abweichen. Im dritten Abschnitt erfolgt dann beim „Staging“ die Zusammenführung von Truppe mit ihrem Material, das Herstellen der Einsatzbereitschaft und anschließend die Verlegung („Onward Movement“) von einsatzbereiten Kräfte an den jeweiligen Zielort im Einsatzgebiet.

In diesen Teilphasen sind sowohl für den ersten als auch für den dritten Abschnitt mil. Kräfte oder zivil-gewerbliche Partner zur Unterstützung der Einsatzverbände zwingend notwendig. Kräfte, die den Transport von Personal, Material/Ausrüstung und Versorgungsgütern zu definierten POEs und von PODs in die Sammelräume gewährleisten sowie bei Eigenmärschen über große Entfernungen die Unterstützung von technischen Halten und Rasten sicherstellen.

In Deutschland, besonders für die Ertüchtigung der „Drehscheibe Deutschland“ schafft das LogKdoBw dazu beispielsweise mit der Aufstellung eines NMCC im LogZBw sowie mittels des Abrufs von Leistungen aus Rahmenverträgen für Transport und Umschlag sowie mit der Vorbereitung eines neuen Rahmenvertrags für Rast- und Sammelräume wesentliche Voraussetzungen.

In Ergänzung dazu zählen die mobLogTr BasisLog im Falle eines Einsatzes im Rahmen der LV/BV immer zu den Kräften der „ersten Stunde“. MobLogTr BasisLog sind grundsätzlich für die Unterstützung im Einsatzgebiet konzipiert und im Umfang für diese Aufgabe bemessen. Sie unterstützen vor der Erfüllung ihres eigentlichen Kernauftrags in einem Einsatzgebiet aber auch im Rahmen freier Kapazitäten und in Abhängigkeit der Operationsplanung in den Phasen Aufmarsch, Verlegung und RSOM. Mit der Aufstellung des Logistikbataillons 163 werden die mobLogTr BasisLog insbesondere für die Unterstützung von RSOM Operationen einen signifikanten Fähigkeitsaufwuchs erfahren.

Abbildung 4: Entladung eines RoRo-Schiffes im Rahmen einer Übung Blauer Bund
Abbildung 4: Entladung eines RoRo-Schiffes im Rahmen einer Übung

Quelle: PIZ SKB

Deutschland wird mit diesem RSOM-Bataillon über einen derzeit im Rahmen der NATO einzigartigen Verband verfügen und der NATO für die Stand-by Phase der VJTF 2023 bereits diese Kräfte verbindlich zur Verfügung stellen. Dieser neue Verband ist dann befähigt – unter MN Beteiligung – die Aufnahme von Kräften, eine logistische Erstversorgung sowie die Zusammenführung von Personal und Material unter Führung eines JLSG – Joint Logistic Support Group – Kommandeurs im Einsatzgebiet als logistische Leistung bereitzustellen.

Entscheidende Grundlage für eine erfolgreiche Verlegung im Rahmen von Operationen zur Bündnisverteidigung ist eine auf der Ebene der NATO abgestimmte und harmonisierte multinationale Verlegeplanung. Hierzu tragen die Nationen durch Vorlage ihrer nationalen Verlegeplanung (National Detailed Deployment Plan (NDDP)) entscheidend bei. Auf Basis nationaler operativer Vorgaben (Nationale Aufmarschplanung) des Aufmarschführenden Kommandos (bisher KdoSKB, künftig Territoriales Führungskommando der Bundeswehr) leistet der Stab LogKdoBw für den Aufmarsch deutscher Truppenteile mit der Erstellung des NDDP einen wesentlichen Beitrag für diesen Anteil des Planungsprozesses. Im deutschen NDDP wird letztendlich für die eigenen Kräfte festgelegt, welches Personal, Material und welche Vorräte (wer/was), von wo, wann, wohin und womit bewegt werden sollen, um in ein designiertes Einsatzgebiet verlegt werden zu können. Dieses die nationale Aufmarschplanung koordinierende Dokument wird in die multinationale Gesamtplanung auf Ebene der NATO eingebracht und durch das Allied Movement and Coordination Centre (AMCC) im Rahmen der Zusammenfassung aller nationalen Pläne in den Multinational Detailed Deployment Plan (MNDDP) umgesetzt. Dieser harmonisierte MNDDP bildet dann den „Abholpunkt“ für das LogZBw, um eine mit allen Beteiligten (Nationen, Truppensteller, Behörden, etc.) abgestimmte, nationale Transport- und Marschplanung zu erstellen. Darüber hinaus ist er Grundlage für das entsprechende Joint Force Command (JFC) im Rahmen der Erstellung eines multinationalen RSOM-Planes.

Der zweite, mittlere Abschnitt der Phase Verlegung (aus nationaler Perspektive die sogenannte strategische Verlegung) umfasst den „Weg“ zwischen den jeweiligen POEs in Deutschland und PODs im Einsatzgebiet. Das Aufmarschführende Kommando trägt – eingebettet in die Verlegeoperation der NATO – die nationale Gesamtverantwortung. Für diesen Abschnitt sind grundsätzlich alle Verkehrsarten (Land, Luft, See) zu betrachten. Dabei ist zu beachten, dass nicht sämtliche Verkehrsträger für die strategische Verlegung von Personal, Material/Ausrüstung und Versorgungsgütern für jedes Einsatzgebiet gleichermaßen geeignet sind bzw. im Extremfall überhaupt nicht geeignet sein oder auch unterbrochen bzw. signifikant gestört werden können. Daher steht im Rahmen der Planung dieses Abschnitts grundsätzlich und in Abhängigkeit der operativen Vorgaben die Bereitstellung eines maßgeschneiderten und resilienten Mixes bestehend aus allen Verkehrsträgern im Fokus. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass für die strategische Verlegung von Personal, Material/Ausrüstung und Versorgungsgütern in der Regel unterschiedliche Verkehrsträger und Routen genutzt werden. Einheiten und Verbände werden grundsätzlich nicht als ein „geschlossenes Paket“ in ein Einsatzgebiet verlegt. Auf Grund der begrenzten eigenen militärischen Kapazitäten wird zudem für die strategische Verlegung auf Rahmenverträge mit Dienstleistern wie beispielsweise SALIS1, ARK2, etc. zurückgegriffen. Dazu ruft das Logistikzentrum der Bundeswehr (LogZBw) auf Basis des abgestimmten Verlegeplans (NDDP) die Leistungen aus den jeweiligen Rahmenverträgen ab, überwacht die Durchführung und trifft bei Bedarf Abstimmungen mit Nachbarländern. Es ist damit mit dem NMCC „Dreh- und Angelpunkt“ zur Sicherstellung strategischer Verlegung deutscher Streitkräfte.

Der RSOM Prozess zum Abschluss der Verlegung ist dadurch gekennzeichnet, dass er durch die NATO geführt und koordiniert wird. Nach Erreichen der PODs sind die nationalen Kräfte auf Unterstützung für die Zusammenführung von Personal, Material und Vorräten angewiesen. Diese wird durch den durch die NATO festgelegten RSOM-Commander und seinen Stab geführt und koordiniert sowie durch auf Zusammenarbeit angewiesene und/oder unterstellte Kräfte unterstützt. In einer frühen Phase des Aufmarsches geschieht dies durch die Host Nation in enger Abstimmung mit der Standing Joint Logistic Support Group (SJLSG). Mit Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft der Joint Logistic Support Group (JLSG) des zuständigen Joint Force Commands im Einsatzgebiet wird diese die Führung des RSOM Prozesses übernehmen und mit den beteiligten Nationen koordinieren. Zur Alimentierung einer JLSG, das heißt der Unterstellung von Truppenteilen unter ein JLSG HQ, leistet Deutschland, wie oben bereits ausgeführt, mit der Aufstellung der LogBtl 163 als RSOM-Btl einen wesentlichen Beitrag. In diesem Zusammenhang ist das bereits erwähnte, aus dem Framework Nations Concept Cluster Logistics (FNC CL) hervorgegangene JLSG Coordination and Training Centre (JCTC) an der Logistikschule der Bundeswehr besonders hervorzuheben. Mit der Schaffung des JCTC wurde eine in der NATO einmalige Ausbildungs- und Übungsmöglichkeit für Experten eines JLSG HQ geschaffen, dort ein mn besetzter Expertenpool aufgebaut/ausgebildet und eine bis dahin bestehende Fähigkeitslücke geschlossen.

Für Deutschland gibt es neben der Verlegung von Verbänden in ein Einsatzgebiet jedoch noch einen weiteren Aspekt, der bei der Verlegung von NATO-Streitkräften zu betrachten. Auf Grund der zentralen geographischen Lage in Europa ist Deutschland neben seiner Rolle als Truppensteller auch Transitland für andere NATO-Partner. Als „Drehscheibe“ für den Aufmarsch verbündeter Streitkräfte ist Deutschland im Rahmen von Military Enablement/ Host Nation Support (HNS) für die Bündnispartner auch Bedarfsdecker und stellt unter anderem logistische Leistungen bereit. Dabei gilt es zu beachten, dass HNS nicht ausschließlich Leistungen seitens der Streitkräfte beinhaltet, sondern vielmehr immer als eine gesamtstaatliche Aufgabe verstanden werden muss.

Die Koordinierung aller Unterstützungsleistungen im Rahmen des HNS einschließlich der Verlegung durch Deutschland liegt in der Gesamtverantwortung des nationalen Territorialen Befehlshabers (NatTerrBefh), welcher zukünftig im neu geschaffenen Territorialen Führungskommando verortet sein wird. Die Ausplanung der Marsch- und Transportrouten auf der Basis des MNDDP, der entsprechenden Marschanträge und logistische Anteile des HNS erfolgen durch das NMCC im LogZBw. Die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten ist wesentlicher Erfolgsfaktor, da die im Rahmen „Drehscheibe Deutschland“ wahrgenommenen Aufgaben eine Vielzahl von Unterstützungsleistungen beinhalten, welche unter Federführung des TerrFüKdoBw zu koordinieren sind.

Entlang von Marschstraßen müssen beispielsweise Convoy Support Center (CSC) oder Technische Halte (Parkplätze) eingerichtet und betrieben werden, um die Kampfkraft marschierender Truppenteile während eines Landmarsches aufrechterhalten zu können. In diesen CSC werden beispielsweise Schlafmöglichkeiten, Sanitäreinrichtungen und Betreuungsmöglichkeiten bereitgestellt sowie die Versorgung der Soldaten/Soldatinnen mit Verpflegung und Marketenderwaren sichergestellt. Darüber hinaus werden in diesen Rasträumen grundsätzlich Fähigkeiten zur Bergung und zum Abschub von Großgerät, zur Unterstützung kleinerer Reparaturmaßnahmen, zum Umschlag, zur Betankung und zur sanitätsdienstlichen Unterstützung vorgehalten.

Ein weiterer Beitrag innerhalb der logistischen Leistungen ist die Unterstützung beim Transport mittels unterschiedlicher Verkehrsträger. Bei den hierbei zu erbringenden Leistungen handelt es sich um die Vorbereitung, Koordination und Durchführung von Straßen-/Schienen-/Lufttransporten, Binnenschifffahrt und Seetransport sowie von Spezialtransporten (Groß- und Schwerlasttransporten) und den damit im Zusammenhang stehenden typischen Nebenleistungen bei der Transportdurchführung wie zum Beispiel Transportberatung, Fahrplanwesen, Trassenbestellungen, Bereitstellung von Bedien- und Fachpersonal sowie sicherheitstechnische Abnahmen und die Erteilung von Marschkrediten. Auch Aufgaben im Rahmen des Betriebs von Häfen, Flughäfen und/oder Bahnhöfen an POD/ POE sind Teil logistischer Unterstützungspakete. Hierbei werden beispielsweise Kapazitäten und/ oder Fähigkeiten zur Sicherstellung des Umschlags, zur Abfertigung von Personal und Material in Deutschland zur Verfügung gestellt. Auch dazugehörige Peripherieleistungen und notwendige administrative Arbeiten sind grundsätzlich mit inbegriffen. Dazu zählen unter anderem das Erstellen notwendiger Ladepapiere und Dokumente, das Abwickeln von Zollformalitäten oder das Erwirken von Genehmigungen und Überprüfungen. Absicht LogKdoBw ist es, unter Nutzung bereits bestehender Rahmenverträge und durch den Abschluss von weiteren Verträgen, möglichst viele, wenn nicht sämtliche Leistungen zivil-gewerblich zu vergeben, um die eigenen organischen Kapazitäten für die Logistische Versorgung in den Einsatzgebieten zur Wirkung bringen zu können.

Logistische Versorgung im Einsatzgebiet

Mit Abschluss der (strategischen) Verlegung und nach einer erfolgreichen RSOM-Operation stehen die Kräfte dem designierten NATO-Kommandeur zur Verfügung und spätestens mit Erreichen der Zielorte (final destination) erfolgt der Unterstellungswechsel (Transfer of Authority (TOA)). Damit können die Kräfte eingesetzt werden und müssen fortan für die Erhaltung der Durchhaltefähigkeit logistisch versorgt werden. Auch wenn immer multinationale Lösungen angestrebt werden, ist und bleibt Logistik in der NATO unverändert eine nationale Aufgabe und in nationaler Verantwortung.

Die Folgeversorgung für Einsätze der Bundeswehr wird im Schwerpunkt aus dem LogSysBw heraus und durch dieses sichergestellt. Dabei bedarf es eines leistungsorientierten, bundeswehrgemeinsamen Wirkverbundes. Das Zusammenwirken im logistischen Wirkverbund wird durch das LogKdoBw grundsätzlich dimensionsübergreifend koordiniert und einsatzbezogen im Zusammenwirken mit allen Beteiligten unter Integration multinationaler Lösungen geplant. Entscheidend ist dabei der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Folgeversorgung aus der Basisinland. Die Versorgungs- und Leistungswege im Inland und im Einsatzgebiet werden dabei nach dem Prinzip einer belastbaren und durchgängigen Kette verknüpft, die unter Einbeziehung militärischer und ziviler Einrichtungen sowie Leistungserbringern und durch Nutzung verfügbarer, zweckmäßiger Verkehrsinfrastruktur die logistische Basis Inland und das logistische Netzwerk im Einsatzgebiet (LogNw i.E.) funktional verbinden.

Die mobLogTr BasisLog betreiben dabei das LogNw i.E. und stellen den Anschluss an die Einsatzlogistik mit einem Verbund aus verlegefähigen, redundanten, modularen und adaptiven logistischen Knoten im Sinne von Übergabepunkten logistischer Leistungen sicher.

Abbildung 5 – Logistische Netzwerk mobLogTr BasisLog im Einsatzgebiet Blauer Bund
Abbildung 5 – Logistische Netzwerk mobLogTr BasisLog im Einsatzgebiet

Quelle: Eigene Darstellung

Entlang der verteidigungspolitischen Grundlagen und den begrenzten Umfängen von Streitkräften erhält die multinationale Einbindung auch in der Logistik eine stetig wachsende Bedeutung. Die MN Abstimmung der logistischen Leistungen ist unabdingbar, um Synergien zu erschließen und die Nutzung bzw. Auslastung der Versorgungswege zu koordinieren.

Ein greifbares und bereits in naher Zukunft wirksam werdendes Beispiel stellt diesbezüglich die VJTF (L) 2023 dar. Mit den truppenstellenden Rahmennationen Deutschland, Niederlande und Norwegen sowie weiteren Nationen ergibt sich auch für die VJTF (L) 2023 eine starke multinationale Durchmischung. Dies hat eine Multinationalisierung bis auf Einheitsebene zur Folge. Bereits die Ausplanung der logistischen Versorgung der Heeresbrigade VJTF (L) 2019 hat gezeigt, dass eine umfassende Multinationalisierung einerseits viele Chancen eröffnet, andererseits zu einem deutlichen Anstieg an Koordinierungsaufwand und Komplexität führt. Diese Komplexität kommt besonders durch die multiple nationale logistische Befehlsgebung zur Unterstützung der MN Einheiten der Heeresbrigade im Rahmen der Folgeversorgung zum Ausdruck. Die Auswirkungen und Anforderungen an den Leiter der Generalstabsabteilung Logistik (G4) der Heeresbrigade zur Erstellung eines transparenten logistischen Lagebilds für den Brigadekommandeur in Abstimmung mit einer Vielzahl von nationalen Unterstützungselementen (National Support Elements (NSE)) sind enorm und mit rein nationalen Mitteln nicht zu gewährleisten. Zur Realisierung eines gesamtheitlichen Lagebilds in der Einsatzlogistik der Heeresbrigade mit dem Ziel, die logistischen Bedarfe der multinationalen Einsatzkräfte unter den bestehenden, gegebenenfalls auch wechselnden operativen und taktischen Rahmenbedingungen wirksam zu decken, wurde für 2019 auf Ebene der Heeresbrigade VJTF durch das Heer ein multinationales logistisches Steuerungselement in Form des multinationalen Logistic Operations Centre (MN LogOC) etabliert. Dieses Element untersteht der fachlichen Führung des deutschen G4 der Brigade. Die Versorgung der zu unterstützenden MN Verbände und Einheiten der VJTF(L) Brig soll durch das MN LogOC unter Berücksichtigung der Vorgaben des G4 der Brigade und aller an der VJTF(L) beteiligten Nationen koordiniert werden. Somit stellt sie das Bindeglied zwischen MN Truppenteilen, der Einsatzlogistik sowie den jeweiligen NSE dar, ohne die jeweiligen nationalen logistischen Verfahren zu ersetzen.

In Vorbereitung auf den NRF Zyklus 2022-2024 wurde der Bedarf für ein weiteres multinationales logistisches Steuerungselement oberhalb der Ebene Einsatzlogistik erkannt, um die Versorgungs- und Leistungswege sowie Informations- und Kommunikationsbeziehungen multinational so frühzeitig wie möglich, d.h. bereits auf der Ebene der NSE, zu harmonisieren und Ressourcen zu bündeln und wo immer möglich effektiver einzusetzen. Im Verständnis der Funktion Deutschlands als Rahmennation (Framework Nation(FN)) hat das LogKdoBw die Idee einer multinationalen Logistic Fusion Cell (MN LogFusionCell) entwickelt. Dieses Element dient der Harmonisierung der einzelnen, in jeweiliger nationaler Verantwortung liegenden, Versorgungs- und Leistungswege, der Folgeversorgung sowie der Informations- und Kommunikationsbeziehungen, um deren Visibilität zwischen den NSE und der Heeresbrigaden zu erhöhen.

In der Verantwortung als Rahmennation ist die MN LogFusionCell unter deutscher Führung ein logistisches Koordinierungselement, um ausgewählte logistische Fähigkeiten der multiplen NSE in die logistische Leistungserbringung im Rahmen der Folgeversorgung schnell, transparent und zielgerichtet zu koordinieren und zu harmonisieren.

Die Gesamtverantwortung, mit der multinationalen operativen Führungsebene im Einsatzgebiet Verbindung zu halten, verbleibt davon unberührt bei der jeweiligen nationalen logistischen Führung. Für Deutschland trägt diese Rolle der J4 des DEU EinsKtgt. In dessen Verantwortung bleibt die Berücksichtigung nationaler logistischer Belange im multinationalen Führungs- und Entscheidungsprozess im Einsatz. Damit übernimmt die MN LogFusionCell Koordinierungsaufgaben und kann nach Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft des JLSG HQ in diesem Bereich unterstützen. Im weiteren Planungsverlauf zur Etablierung der MN LogFusionCell ist diese mit der NATO, insbesondere mit dem zuständigen JLSG Hauptquartier (HQ) eng abzustimmen, um Redundanzen in den Aufgabenbereichen und den Personalbedarfen zu vermeiden.

Das Beispiel „Etablierung einer MN LogFusionCell“ zeigt jedoch nur einen kleinen Ausschnitt der Arbeiten des LogKdoBw zur Intensivierung der Einbindung MN Kapazitäten und Fähigkeiten. Einen weiterführenden Einblick in die Aktivitäten LogKdoBw zur Weiterentwicklung der MN Zusammenarbeit in der Logistik können Sie an anderer Stelle dieses Sonderheftes erhalten.

Fazit und Ausblick

Mit der konsequenten Ausrichtung der deutschen Streitkräfte am Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und entlang der vorgegebenen Rahmenbedingungen der „Eckpunkte für die Bundeswehr der Zukunft“ begegnet das LogKdoBw den aufgezeigten Herausforderungen in allen Phasen von dimensionsübergreifenden Operationen der Streitkräfte der Bundeswehr.

Im Verantwortungsbereich LogKdoBw, einschließlich des LogZBw, der Logistikschule der Bundeswehr, des Zentrums für Kraftfahrwesen der Bundeswehr und den mobLogTr BasisLog arbeiten wir gemeinsam mit unseren multinationalen Partnern mit Nachdruck daran, das Logistische System der Bundeswehr robust, agil, flexibel, multinational und zukunftsorientiert auszugestalten, um jederzeit einen wesentlichen Beitrag für eine hohe Einsatzbereitschaft der Bundeswehr im gesamten Aufgabenspektrum leisten zu können.

Das LogKdoBw ist als das Fähigkeitskommando oder im Verständnis der NATO als Functional Command der Bundeswehr für Logistik in seiner jetzigen Form und Zusammensetzung

  • das Ergebnis einer nachvollziehbaren Leistungsanalyse bei gemeinsam definierten und akzeptierten Schnittstellen;
  • garantiert Synergieeffekte für alle Dimensionen;
  • hält den Erbringungsdimensionen „den Rücken frei“ für ihren Kernauftrag;
  • erlaubt das Ausschöpfen von Synergien in der Versorgungskette im Inland, aus dem Inland heraus, ins Einsatzgebiet und im Einsatzgebiet;
  • erlaubt eine kurzfristige Reaktionsfähigkeit und lageangepasste Schwerpunktsetzung bzgl. LV/BV, IKM, Unterstützung Alliierter beim Transfer aber auch subsidiärer Unterstützung;
  • ermöglicht mit einer mehrstufig ausgebrachten Logistik eine dezentrale Leistungserbringung, wo immer möglich und zentral nur wo notwendig;
  • gewährleistet ein durchgängiges logistisches System mit einer durchgängigen Versorgungskette;
  • bündelt Aufgaben – Kompetenz – Verantwortung mit Kräften und Mitteln, hat klare Zuständigkeiten;
  • verhindert so Dysfunktionalitäten und Verantwortungsdiffusion
  • und ist aufgrund der Begrenztheit der Ressourcen ein strategisches Asset und ein strategischer Enabler der Bundeswehr.

Autor: Autorenteam LogKdoBw Abt Eins/ Abt Plg

Truppenfahren Logistikbataillon 163 RSOM im Rahmen Aufstellungsappell am 28. September 2020 Blauer Bund

Logistikregiment 1 und Logistikbataillon 163

Logistikregiment 1 und Logistikbataillon 163 – Neue und einzigartige logistische Fähigkeiten der Bundeswehr mit entscheidender Bedeutung für die NATO

Mit dem Logistikregiment 1 wurde am 24. September 2020 das erste Mal seit Langem in den mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis am Standort Burg ein neuer Verband aufgestellt. Es wird die zukünftig unterstellten Logistikbataillone truppendienstlich führen und mit ihnen im Rahmen von Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen die Erst- und Folgeversorgung der eingesetzten Bundeswehrkräfte und bei Bedarf auch multinationaler Partner sicherstellen. Hierzu richtet das Logistikregiment 1 im Einsatzgebiet (LogBasis i.E.) ein logistisches Netzwerk ein, aus dem heraus logistische Leistungen flexibel den jeweiligen Bedarfsträgern der Dimensionen lageangepasst bereit gestellt werden. Neben der Führung der eigenen Kräfte ist es entscheident, eine enge Koordination mit multinationalen Anteilen – sofern eingesetzt insbesondere dem Joint Logistic Support HQ der NATO – sicherzustellen, sowie logistische Dienstleistungen des Gastgeberlandes (Host Nation), und der gewerblichen Wirtschaft zu koordinieren und in die logistische Leistungserbringung einzubinden.

Aufstellungsappell Logistikregiment 1 am 24.09.2020 Blauer Bund
Aufstellungsappell Logistikregiment 1 am 24.09.2020

Nur vier Tage nach der Aufstellung des LogRgt 1 erfolgte am 28. September 2020 die Aufstellung des Logistikbataillons 163 in Delmenhorst. Mit dieser Aufstellung erweitert die Bundeswehr nicht nur ihr eigenes Fähigkeitsprofil, sondern stellt der NATO erstmalig einen Verband zur Verfügung, dessen spezielle Fähigkeiten für den Prozess der Aufnahme, Bereitstellung und des Weitertransports von Personal und Material – das sog. Reception, Staging & Onward Movement (RSOM) – derzeit einzigartig in der NATO und in Europa sind.

Truppenfahren Logistikbataillon 163 RSOM im Rahmen Aufstellungsappell am 28. September 2020 Blauer Bund
Truppenfahren Logistikbataillon 163 RSOM im Rahmen Aufstellungsappell am 28. September 2020

Dieses Logistikbataillon ist ein weiterer Baustein, um Operationen der NATO oder der EU reaktionsfähig logistisch unterstützen zu können. Nach erfolgter Aufbau-, Ausbildungs- und Zertifizierungsphase wird der Verband im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) als wesentlicher Bestandteil bei der Verlegung von Kräften eingesetzt werden.

Das Logistikbataillon 163 ist, wie alle anderen Logistikbataillone auch, nicht nur ein Teil der mobilen Logistiktruppen, sondern gleichsam ein Bestandteil der logistischen Unterstützung von nationalen und multinationalen Einsatzkräften durch die Basislogistik, als Force Enabler eines Multinational Headquarters, bzw. eines Joint Logistics Support Group Headquarters (JLSG HQ).

Das Logistikregiment 1

Rahmenbedingungen und Rational der Aufstellung von Logistikregimentern

Die seit 2014 veränderte sicherheitspolitische Rahmenlage, die hieraus resultierenden NATO-Gipfelbeschlüsse sowie die Vorgaben des Weißbuches und der Konzeption der Bundeswehr, haben eine Neuausrichtung und Anpassung der Kräfte und Mittel erforderlich gemacht. Um in unterschiedlichen Einsatzräumen gleichzeitig die Erst- und Folgeversorgung durchhaltefähig für alle Dimensionen (Land/Luft und Weltraum/See/Cyber- und Informationsraum) bereitstellen und ein Führungselement für die nationalen Unterstützungskräfte (Stab NUK) aus vorhandenen Strukturen abbilden zu können, sind zwei Logistikregimenter mit der Befähigung, bis zu je fünf Logistikbataillone zu führen, auszuplanen und aufzustellen.

Die Entscheidung zur hiervon abweichenden, vorgezogenen Aufstellung des ersten Logistikregimentes (Logistikregiment 1) im Jahr 2020 war ein konsequenter Schritt auf Grundlage der Auswertung der Erfahrungen aus der Verpflichtung NATO Response Force (NRF) 2018-2020. Im Rahmen der damaligen Rotation wurde zur Koordinierung sämtlicher nationaler Aufgaben ein komplett ablauforganisatorischer Stab gebildet. Unter diesem Stab wurden alle nationalen Kräfte zusammengefasst, die zur Unterstützung des der NATO angezeigten deutschen Kräftebeitrages NRF 2018-2020 erforderlich waren. Neben der Steuerung der Erst- und Folgeversorgung und der Koordination der nationalen Aufgaben im Einsatzgebiet kam dem Stab auch die Rolle eines taktischen Führungselementes für nahezu 2.000 Soldatinnen und Soldaten zu. Dabei führten die nicht vorhandenen Grundstrukturen zu deutlichen Herausforderungen

In Konsequenz wurde beschlossen, den Zeitpunkt der Aufstellung und den Auftrag der Logistikregimenter dahingehend anzupassen, dass bei künftigen NRF-Verpflichtungen auf deren bestehende Strukturen zurückgegriffen werden kann. Bereits in der anstehenden NRF-Verpflichtung 2022-2024 werden Stab und Stabskompanie Logistikregiment 1 als Nukleus von Stab und Stabs‑/ Versorgungskompanie „Unterstützungsverband NRF 2022-2024“ diesem Rational folgend eingesetzt.

Aufgaben und Struktur

Die zwei künftigen Logistikregimenter sind jeweils mit dem Stab und der Stabskompanie grundsätzlich für die Führung und Versorgung von unterstellten Kräften aufgestellt und umfassen jeweils circa 180 aktive und nicht aktive militärische und zivile Dienstposten. Das Kräftedispositiv der Logistikregimenter bildet gleichzeitig den Nukleus für den Stab eines Unterstützungsverbandes im Rahmen der LV/BV, der hierzu bedarfsgerecht personell verstärkt werden kann. Durch die Aufnahme von weiterem Stabspersonal kann der Stab Logistikregiment 1 grundsätzlich zu einem Stab Kontingentführer (KtgFhr) bzw. Nationaler Befehlshaber im Einsatz (NatBefH i.E.) mit Joint-Stabsabteilungen aufwachsen und als stehende Struktur jederzeit als Führungselement für den Einsatz herangezogen werden.

Für die militärische Leistungserbringung werden den Logistikregimentern Logistikbataillone unterstellt. Sie stellen aus dem logistischen Netzwerk heraus zu den Einsatzlogistiken der militärischen Organisationsbereiche die Erst- und Folgeversorgung an definierten Übergabepunkten agil, flexibel und robust sicher.

In der gesamten logistischen Kette sind die Logistikregimenter somit wesentliche und unverzichtbare Player für eine durchgängige logistische Kette vom Aufkommensort in Deutschland bis zum Verbraucher im Einsatzgebiet und bei Bedarf auch wieder zurück.

Während die allgemeinen Aufgaben zur Führung und Unterstützung der unterstellten Truppe in den klassischen Stabsabteilungen nach den Führungsgrundgebieten 1 bis 4 und 6 verortet sind, bildet die Einsatzzentrale Logistik (EZLog) mit den verfügbaren logistischen Leistungserbringern jeweils das logistische Rückgrat für die Versorgung. Sie arbeiten sowohl eng mit dem JLSG HQ, als dem multinational verantwortlichen logistischen Führungselement, als auch den Divisionen des Heeres und den Führungselementen der anderen militärischen Organisationsbereiche im Einsatzgebiet zusammen. Dabei koordiniert und steuert die EZLog alle erforderliche Prozesse zur Versorgung der eingesetzten deutschen Kräfte. Sie verknüpft militärische Leistungserbringungen aus den „Logistischen Knoten“ mit bereitgestellten Leistungen multinationaler Partner, des Host Nation Support (HNS) und Leistungen gewerblicher Anbieter zu einem tragfähigen und effektiven logistischen Netzwerk. Zu den Aufgaben der EZLog zählen:

  • Beratung der Führung Logistikregiment in der Funktion „Führung einer LogBasis i.E.“,
  • Erstellen des logistischen Lagebildes auf nationaler Ebene und von Beiträgen für die multinationale Ebene,
  • Koordinierung der Erstversorgung nach Eintreffen im Einsatzgebiet und weiter der Folgeversorgung aus Deutschland heraus in Zusammenarbeit mit dem Logistikzentrum der Bundeswehr (LogZBw),
  • Steuerung der logistischen Leistungserbringung in den logistischen Geschäftsprozessen und der entsprechenden Versorgungsketten im gesamten Einsatzgebiet, einschl. Engpassmanagement,
  • Abstimmung und Koordinierung der Elemente des logistischen Netzwerkes für zukünftige Aufträge sowie mit den multinationalen Partnern im Einsatzgebiet,
  • Einbindung logistischer Leistungen Dritter, z.B. HNS und ziviler gewerblicher Anbieter.

Die EZLog der Logistikregimenter sind bereits in der Grundaufstellung organisatorisch am Einsatzauftrag ausgerichtet und verfügen somit über eine hohe Reaktionsfähigkeit. Sie werden im Fall er LV/BV oder einsatzgleichen Verpflichtungen geschlossen zum Einsatz gebracht.

Aufgaben und Beziehungsgeflecht EZLog Blauer Bund
Aufgaben und Beziehungsgeflecht EZLog

Sie besteht dabei im Wesentlichen aus einer logistischen Führung (LogFü), sowie den weiteren logistischen Geschäftsprozesse Instandhaltung (IH), Transport (Trsp) und Materialbewirtschaftung (MatBew), einem Element für Verbindung zu einer Gastnation und einem Element für den Betrieb der logistischen Fach- und Informationssysteme. Anlass- und/oder auftragsbezogen können weitere Elemente zur Steuerung und Koordination von logistischen Sonderaufgaben hinzugefügt werden.

In der LogFü wird nach laufenden oder zu planenden logistischen Aufgaben unterschieden und die jeweilige Verantwortung in der Bearbeitung festgelegt. Das für die Koordination der weiteren drei Geschäftsprozesse verantwortliche Element ist die Zelle Logistische Operationen (LogOps). Zu ihren Aufgaben zählt auch das „logistische Troubleshooting“, um die täglichen taktisch-logistischen Herausforderungen zu meistern. Sie sammelt und konsolidiert darüber hinaus alle erforderlichen logistischen Informationen und Daten und erzeugt das logistische Lagebild für die Regimentsführung und weitere Bedarfsträger. Dafür werden neben SASPF die NATO-Tools der LogFAS- Produktfamilie verwendet.

Für zukünftige logistische Operationen ist die Zelle Logistische Planung (LogPlans) verantwortlich, die im engen Schulterschluss mit den Geschäftsprozessen und der Zelle Planung der Stabsabteilung 3 beim Erarbeiten von logistischen Möglichkeiten des Handelns zusammenarbeitet.

Hinzu kommen ein Verbindungselement Host Nation Support / Multinationale Logistik (HNS/MNLog) für die Verbindung in logistischen Fragestellungen zur Gastnation/verbündeten Streitkräften und die Zelle Nutzerbetreuung für logistische IT-Anwendungen (NuBe IT-Log AnwMngt).

Gliederung EZLog Logistikregiment Blauer Bund
Gliederung EZLog Logistikregiment

In sämtlichen Einsatzoptionen findet ohne die EZLog keine Folgeversorgung statt. Sie ist die „Spinne im Netz“, die durch Einbinden aller logistischen Leistungs-erbringer für die Durchhaltefähigkeit der deutschen Einsatzkräfte sorgt und somit zum Erfolg der Mission einen unverzichtbaren Beitrag leistet.

Vielfältige Arbeitsbeziehungen auf unterschiedlichen Führungsebenen im multinationalen Umfeld mit militärischen und zivilen Leitungsbringern sowie einzigartigen Fähigkeiten prägen die Besonderheit dieser Abteilung.

Blick in die Zukunft

Das Logistikregiment 1 wird als erstes der beiden Logistikregimenter ab dem 1. Januar 2022 eine tragende Rolle für die logistische Erst- und Folgeversorgung bei der Wahrnehmung der einsatzgleichen Verpflichtung NRF 2022-2024 (einschließlich Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) 2023) übernehmen. Hierzu muss es auch innerhalb einer Zeit von weniger als sieben Tagen den Nukleus von Stab und Stabs-/Versorgungskompanie Unterstützungsverband NRF 2022-2024 bilden. Unter der Führung Logistikregiment 1 werden dann neben den Logistikkräften weitere Einheiten zur Unterstützung zusammengefasst. Hierzu gehören der Sanitätseinsatzverband, die Feldjägerkompanie, die Sicherungskompanie sowie die Informationstechnikkompanie. Diese Kräfte bilden gemeinsam das National Support Element (NSE).

Wegen des kurzen Abstandes zwischen der Aufstellungs- und Bereitschaftsphase des Logistikregiment 1 erfolgt die Ausbildung für den NRF-Auftrag mit wesentlicher Unterstützung durch das Logistische Übungszentrum an der Logistikschule der Bundeswehr gemeinsam mit den im Einsatzfall unterstellten und zu versorgenden Verbänden und Einheiten.

Neben der Vermittlung des logistischen Handwerkszeuges, Verfahren und Abläufe, wird der Fokus in der Ausbildung auf dem Erwerb von Kenntnissen über Einsatzgrundsätze sowie ‑möglichkeiten der nichtlogistischen Verbände und Einheiten des Unterstützungsverbandes NRF 2022‑2024 liegen. Hierbei kommt es darauf an, sämtliche Fähigkeiten, insbesondere im gemeinsamen taktischen Einsatz, zielführend zur Wirkung zu bringen.

Im Zeitraum 2022-2024 wird das Logistikregiment 1 als Unterstützungsverband NRF an den jeweiligen Übungsreihen teilnehmen und die erlernten Fähigkeiten auch im multinationalen Umfeld unter Beweis stellen.

Ab 2023 wird das Logistikregiment 1 vollumfängliche Führungsverantwortung im Grundbetrieb für bis zu fünf Logistikverbände übernehmen.

Mit dem ebenfalls ab 2023 geplanten zweiten Logistikregiment wird ein weiterer wesentlicher Beitrag für die Unterstützung von landbasierten Operationen im Rahmen von LV/BV jenseits des Einsatzraumes der Division für alle Dimensionen geleistet werden können.

Kurzum:

  • Durch die Führung sämtlicher nationaler Unterstützungskräfte NRF aus einer Hand unter Heranziehung der Logistikregimenter wird eine entscheidende Fähigkeitslücke bei den einsatzgleichen Verpflichtungen NRF/VJTF geschlossen.
  • Mit zwei Logistikregimentern wird die Erst- und Folgeversorgung gem. des zielstrukturellen Level of Ambition Deutschlands und den dazu geforderten Kräften der übrigen Erbringungsdimensionen gewährleistet.
  • Durch die Aufstellung von zwei Logistikregimentern im Verantwortungsbereich des Logistikkommandos der Bundeswehr wird im strukturbestimmenden Szenar LV/BV ein durchgängiges logistisches System mit einer verlässlichen, durchgängigen Versorgungskette sowie kurzfristiger Reaktionsfähigkeit und lageangepasster, dimensionsübergreifender Schwerpunktsetzung gewährleistet.

Auch bei der angestrebten Verbesserung der Kohäsion zwischen Verbänden der Basis- und Einsatzlogistik  – insbesondere der zukünftigen Dimension Land – kommt den Logistikregimentern eine herausgehobene Bedeutung zu.

 

Das Logistikbataillon 163

Rahmenbedingungen und Rational der Aufstellung

Mit der Aufstellung eines Kerns des ersten RSOM-Battaillons wurde ein wesentlicher Beitrag zur Schließung der identifizierten Fähigkeitslücke der NATO im Bereich RSOM gemäß den sogenannten Capability Targets  getan.

Diese Capability Targets waren Grundlage und somit strukturbestimmende Elemente der Ausplanung des neuen Verbandes. Für die umfängliche Abbildung der benötigten Fähigkeiten wären für das RSOM-Bataillon ein Gesamtumfang von ca. 1.400 Dienstposten (DP) erforderlich.

Von diesen 1.400 DP wurden für das Logistikbataillon 163 zunächst knapp 600 aktive Dienstposten und ca. 300 Reservisten-Dienstposten als nationaler Anteil ausgeplant, wovon 273 DP für eine Anfangsbefähigung bereit gestellt wurden. Die weiteren DP sind auch für multinationale Beiträge vorgesehen.

Dabei kann das LogBtl 163 als Anlehnungsverband dienen, wodurch es Partnernationen ermöglicht wird, auch kleinere Kräftebeiträge in das RSOM-Battalion einzubringen.

In der langfristigen Personalplanung sollen bis 2027 in erster Priorität weitere Züge in den Bereichen Staging Area Support (SAS) und Convoy Support Centre (CSC) aktiviert werden. SAS-Züge sind für den Betrieb der Sammelräume verantwortlich, in denen Personal und Material im Einsatzland zusammengebracht wird. Convoy Support Centre, dienen als Zwischenstopp auf dem Weg zum Einsatzort und bieten den Konvois die Möglichkeit zur Versorgung, Verpflegung und der notwendigen Regeneration. In zweiter Priorität ist es geplant, den Verband mit einer Transportkompanie zu verstärken.

Aktuell besteht das Logistikbataillon 163 aus einem Stab sowie aus der 1. Kompanie, dem sogenannten Headquarter Support. Zum 1. Oktober 2021 wurde, wie bereits erwähnt, das Bataillon durch eine Umschlagkompanie Land/See des Logistikbataillons 161, zukünftig die 2. Kompanie Logistikbataillon 163 RSOM (Port-/Railpoint Operation Unit) verstärkt.

Zeitgleich wird die Umschlagkompanie Luft des Logistikbataillons 171 als zukünftige 3. Kompanie Logistikbataillon 163 RSOM (Air Terminal Operation Unit), unterstellt.

Gliederung Logistikbataillon 163 (RSOM) Blauer Bund
Gliederung Logistikbataillon 163 (RSOM)

Derzeit sind die Sammelraumunterstützungskompanie (Staging Area Support – SAS) sowie die Servicepunktkompanie (Convoy Support Centre – CSC) jeweils mit einem Zug aufgestellt. Diese beiden Züge werden zunächst im Betrieb Inland zur truppendienstlichen Führung der 1. Kompanie Logistikbataillon 163 in einer Art Keimzelle unterstellt. Erst nach Aufwuchs der beiden Kompanien werden diese Züge organisatorisch unter die jeweilige Kompanieführung verlagert.

In der Zielstruktur werden dem Verband sechs Kompanien unterstehen. Fünf dieser Kompanien bestehen zunächst in der Grundbefähigung aus einem nationalen Kräftedispositiv. Bis zur vollständigen Aktivierung aller Dienstposten müssen bei einem Einsatz des Bataillons die 1. bis 5. Kompanie durch multinationale Kräfte verstärkt werden. Die Transportkompanie ist als multinationaler Truppenteil vorgesehen.

Phasen strategische Verlegung Blauer Bund
Phasen strategische Verlegung

Mit den aufzubauenden Fähigkeiten des Logistikbataillon 163 kann eine RSOM-Operation über alle Phasen unterstützt werden. Dies ist in der NATO und der Europäischen Union einzigartig.

Die Aufgaben des Logistikbataillons 163 in einer RSOM Operation

Der Stab des Logistikbataillons 163 unterscheidet sich vor allem durch den Bereich der Einsatzzentrale RSOM (EinsZ RSOM) von den anderen Logistikbataillonen der Bundeswehr. Die EinsZ RSOM stellt, im Auftrag des JLSG HQ, die Durchführung und Überwachung der gesamten RSOM Operation im Verantwortungsbereich sicher. Hier werden alle logistischen Schritte geplant, erfasst, ausgewertet und der übergeordneten Führung bereitgestellt. Mit ihrem logistischen Blick „in das Gelände“ bildet die EinsZ RSOM den verlängerten Arm der JLSG im Einsatzgebiet und trägt zum sogenannten Recognised Logistics Picture (RLP) bei. Das RLP ist das logistische Lagebild für den Joint Force Commander über den gesamten Einsatzraum.

Die 1. Kompanie Logistikbataillon 163 (HQ SPT) ist für den Aufbau und Betrieb des Bataillonsgefechtsstandes zuständig. Sie gewährleistet die Eigenversorgung des Bataillons, welche ebenfalls die Instandhaltung bis zur Instandhaltungsstufe 1 umfasst.

Fahrzeuge verlassen im Konvoi den Verladehafen in Bremerhaven im Rahmen der multinationalen Verlege-Übung Joint Derby am 16.04.2016. Blauer Bund
Auffahren von Fahrzeugen im SPOE(D)

Im Rahmen der Phase Reception ist die Umschlagkompanie Land/See für die Planung, Einrichtung und den Betrieb von bis zu zwei Entladebahnhöfen Schiene (RPOD’s) sowie bis zu zwei Entladehäfen See (SPOD’s) verantwortlich. Dort können pro Verkehrsträger bis zu 2.500 Tonnen Güter oder 500 Fahrzeuge pro Tag umgeschlagen werden. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit anderen militärischen und zivilen Behörden beziehungsweise Dienststellen, beispielsweise dem Zoll, notwendig.

Die Umschlagkompanie Luft betreibt an bis zu vier Entladeflughäfen zeitgleich Umschlagsstellen. Hier können bis zu 1.000 Soldatinnen und Soldaten sowie bis zu 500 Tonnen Fracht täglich umgeschlagen werden. In enger Zusammenarbeit mit anderen militärischen und zivilen Behörden vor Ort wird zusätzlich die Luftfracht entladen und abgefertigt.

In der Phase Staging ist die Sammelraumunterstützungskompanie für den Aufbau und Betrieb von Staging Areas zuständig. Der SAS Zug stellt Instandsetzungsbereiche, Betriebsstofflager und Munitionslagereinrichtungen bereit. Während für die Fahrzeuge und das Material sowohl Park- als auch Abstellflächen eingerichtet werden, wird den jeweiligen Truppen ein Unterkunfts-/ und Verpflegungsbereich zugewiesen.

In der Phase Onward Movement ist der Auftrag der Servicepunktkompanie die Einrichtung sowie der Betrieb der Convoi Support Center (CSC). Ein CSC umfasst eine temporäre Unterbringung, die Bereitstellung von Verpflegung, Betriebsstoffen sowie sanitätsdienstlicher Unterstützung. Zusätzlich befinden sich Kapazitäten vor Ort, um u.a. beschädigte Fahrzeuge wieder in einen rollfähigen Zustand zu versetzen.

Blick in die Zukunft

Obwohl der Prozess RSOM bereits seit Längerem in der Bundeswehr bekannt ist, hat bisher nur ein geringer Teil der Soldatinnen und Soldaten tiefgehende Erfahrungen dazu sammeln können. Dementsprechend war es die Absicht des Kommandeurs des Logistikbataillon 163 mit Hilfe des JLSG Coordination and Training Centre (JCTC) in einem zweiwöchigen Workshop in Garlstedt einen gemeinsamen Abholpunkt zu schaffen.

Ausbildung am JCTC Blauer Bund
Ausbildung am JCTC

Dieser Workshop wurde im April und Juni 2021 beim JCTC durchgeführt und umfasste die Themengebiete von der NATO-Struktur bis zur Vertragsgestaltung im Rahmen des HNS. Die Teilnehmenden wurden dazu aufgerufen durch aktives Einbringen zukünftige Arbeitsstrukturen mitzugestalten und sich selbst intensiv mit ihrem Auftrag zu beschäftigen. Dazu wurde untereinander, als auch mit Vertretern des Joint Force Commands in Neapel und des multinationalen Kommandos Operative Führung in Ulm, rege diskutiert und sich ausgetauscht. Da in vielen Bereichen kaum Erfahrungswerte oder Vorschriften existieren, muss das Bataillon seine Einsatzgrundsätze und -verfahren erarbeiten. Innerhalb des Workshops stand daher der Austausch von Erfahrungen und Fachwissen im Vordergrund.

Mit dem Workshop und den geplanten sowie bereits durchgeführten LOGFAS-Ausbildungen wird die Grundlage zum Bestehen der Übung BLUE FACULTY geschaffen. Hier soll die Führungs- und Einsatzbereitschaft des Stabes und der EinsZ RSOM auf die Probe gestellt und national zertifiziert werden.

Im Jahr 2022 finden zwei Feldeinsatzübungen des Bataillons statt. Während der Übungen STARKER PEGASUS I+II werden, unter Beteiligung einer in Kooperation mit Ungarn einzusetzenden deutsch-ungarischen Transportkompanie, Teilen des Logistikbataillons 472 aus Kümmersbruck und 172 aus Beelitz sowie Anteile des Logistikbataillons 171 aus Burg die erlernten Fähigkeiten vertiefen. Ziel für 2023 ist, die uneingeschränkte und reibungsfreie Eingliederung des Logistikbataillon 163 als multinationales RSOM-Battalion in die NATO Response Force (NRF).

Fazit

Mit den neuen Fähigkeiten des Logistikregiments 1 und dem in der NATO und Europa einmaligen Verband Logistikbataillon 163 folgt die Bundeswehr konsequent ihrer eigenen Zielsetzung und den eingegangenen Verpflichtungen zur Stärkung des Bündnisses. Dadurch stehen der NATO auf der einen Seite RSOM-Kräfte verlässlich abrufbar zur Verfügung. Auf der anderen Seite wird die Durchhaltefähigkeit der dem Bündnis angezeigten deutschen Kräftebeiträge signifikant erhöht. Die neu geschaffenen logistischen Fähigkeiten Deutschlands steigern somit den Einsatzwert und leisten einen wichtigen Beitrag zur schnellen Reaktionsfähigkeit der NATO und der EU.

Autor und Bilder/Graphiken: Autorenteam des Logistikkommando der Bundeswehr

Das binationale Feldtanklager stellt Kraftstoff für die multinationale Übungstruppe bei der NATO Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 bereit Blauer Bund

Deutsch-ungarische Kooperation – Strukturierte Partnerschaft in der Logistik (SPiL)

Die sich stetig ändernde sicherheitspolitische Lage zwingt Deutschland und die NATO Partner, neue Wege zu beschreiten, um personelle, materielle und zeitliche Ressourcen wirtschaftlicher und effektiver einzusetzen. Die Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) als anspruchsvollste Aufgabe ist die Richtschnur für die Ausgestaltung der Fähigkeiten der Bundeswehr, auch wenn die gleichrangige Wahrnehmung von Einsätzen im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements (IKM) wahrscheinlicher ist. Nach Ende des Kalten Krieges sind durch Verkleinerung der Streitkräfte aller europäischen Staaten, Verteidigungsbudgets, Personal- sowie Ausrüstungsumfänge geschrumpft und somit auch Fähigkeiten in der Breite und Tiefe eingebüßt worden. Die multinationale Zusammenarbeit hat in diesem Zusammenhang, insbesondere im Rahmen des IKM stark zugenommen. Die Integration der Beiträge einer Vielzahl von truppenstellenden Nationen bis hinab auf die kleinsten organisatorischen Funktionseinheiten (MN Zellen in Stäben, oder MN Kompanien) war und ist Wesensmerkmal vieler Einsätze. Die Integration MN Partner erfolgt hierbei unter Abstützung auf bewährte Führungs- und Einsatzgrundsätze, einsatzvorbereitende Ausbildung und Übung sowie zielgerichtete Maßnahmen zur „Force Integration“ im Einsatzgebiet, um einsatzbereite Kräfte bereitzustellen.

Während der Münchener Sicherheitskonferenz 2015 hat die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die für Landes- und Bündnisverteidigung erforderliche „Führung aus der Mitte“ wie folgt umrissen:

„Der eigene Anspruch, aber auch die berechtigte Erwartungshaltung unserer Partner ist, dass Ressourcen und Fähigkeiten in Bündnisse und Partnerschaften eingebracht und in diesen weiterentwickelt werden. Dies beinhaltet gleichermaßen, dass Partner mit weniger Ressourcen ihre unverzichtbaren Beiträge auf Augenhöhe einbringen können.“

Im aktuellen Positionspapier „Gedanken zur Bundeswehr der Zukunft“ haben die Bundesministerin der Verteidigung und der Generalinspekteur der Bundeswehr u.a. die Rolle Deutschlands als Partner und Anlehnungsnation für die Fähigkeiten und Strukturen unserer Verbündeten deutlich hervorgehoben und so das konzeptionelle Leitprinzip „Multinationalität und Integration“ unterstrichen. Eine breit aufgestellte und andockfähige Bundeswehr ist unverändert notwendig für ein sicherheitspolitisch handlungsfähiges Europa.

Einbindung von Partnern durch bilaterale Kooperationen

Wie bereits in voranstehenden Beiträgen dargestellt, bedarf es eines modernen logistischen Systems der Bundeswehr, das interoperabel mit alliierten Partnern agieren und multinationale Leistungserbringer integrieren kann. Die Intensivierung der internationalen logistischen Zusammenarbeit ist unverändert ein zentraler Pfeiler, um die Durchhaltefähigkeit des logistischen Systems zu steigern und das Maß an Flexibilität für den Einsatz von Kräften im Bündnis zu vergrößern. Mit den etablierten Projekten/Initiativen innerhalb des Framework Nation Concept (FNC) sowie der ständig strukturierten Zusammenarbeit der EU (PESCO) gibt es bereits erfolgreiche multinationale Beispiele, die mehrere Partnernationen einbinden und einen operativen Mehrwert für alle erzielen. Bilaterale Kooperationen sind neben diesen multinationalen Projekten und Initiativen ein weiteres, erfolgversprechendes Handlungsfeld der internationalen Zusammenarbeit der Bundeswehr.

Bilaterale logistische Kooperationen werden durch das LogKdoBw komplementär zu den multinationalen Formaten verstanden. Die Schaffung von gegenseitigem Vertrauen und eines gemeinsamen Verständnisses zwischen der Bundeswehr und ihren Partnern sind stets der erste Schritt. Auf dieser Grundlage stehen mittel- und langfristig der beidseitige Fähigkeitsausbau und Fähigkeitsgewinn durch Erzielen von Synergien im Fokus. Konkrete bilaterale Projekte tragen zur Weiterentwicklung bestehender Bündnisse bei und fördern so die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands sowie unserer Partner und Verbündeten. Die Spannbreite umfasst hierbei neben der Koordination und Kooperation mit strategischen Partnern (siehe Weißbuch: Frankreich – USA – Großbritannien – Niederlande) auch den Informationsaustausch und die Ausbildungshilfe für Staaten, die nicht der NATO und der EU angehören, im Rahmen von bilateralen Jahresprogrammen. Das Instrument „bilaterale Kooperation“ reicht somit vom Informationsaustausch zu aktuellen Entwicklungen in der Logistik, über Koordination zu logistisch-fachlichen Zukunftsthemen bis hin zur strukturierten Kooperation, die gemeinsame Fähigkeitsentwicklung zum Ziel hat. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat während der Bundeswehrtagung 2021 das Intensitätsspektrum bi- und multilateraler Zusammenarbeit mit den Begriffen Koordination – Kooperation – Affiliation –  Integration klar benannt.

Zu berücksichtigen ist, dass mit zunehmender Integration der Umfang der gegenseitigen Abhängigkeiten steigen. Die politischen Rahmenbedingungen bestimmen dabei maßgeblich den Handlungsspielraum der Kooperation und bedürfen eines stabilen Rahmens um langfristig angelegte Kooperation, u.a. zur gemeinsamen Fähigkeitsentwicklung mit Erfolg zum Ziel zu führen.

Eine maßgebliche Zielsetzung von Kooperation besteht in der Entwicklung der Fähigkeit zur Zusammenarbeit von verschiedenen Systemen, Techniken und/oder Organisationen – kurzum in der Schaffung von Interoperabilität (z.B. durch Standardisierungen). Dies dient einerseits der Erfüllung von Fähigkeitsforderungen der Bundeswehr und schafft darüber hinaus die Voraussetzung zum Zusammenwirken mit Partnern im Einsatz. Ausgehend von einer prinzipiellen Befähigung zur Interoperabilität beider Partner, bestimmt der logistische Auftrag hierbei die erforderliche Befähigung zur Integration und somit das herzustellende Maß an Interoperabilität. In der Verfolgung eines ganzheitlichen Ansatzes sind dabei operationelle, administrative sowie materielle Aspekte der Standardisierung zu berücksichtigen.

Unter operationeller Standardisierung wird hierbei die Harmonisierung und Anpassung von Planungs- und Führungsverfahren sowie der dazugehörigen logistischen Führungs- und Informationssysteme verstanden. Grundsätzlich erfolgt die Zusammenarbeit hierzu in MN Gremienarbeit, um eine größtmögliche Interoperabilität durch Standardisierung im Bündnis zu erzielen. Unbenommen davon kann in bilateralen Kooperationen durch gegenseitige Ausbildungsunterstützung oder Harmonisierung von Schnittstellen ein Nutzen für beide Partner erzielt werden. Die Einführung von SAP S4/HANA wird hierbei durch seinen Standardisierungsgrad sehr gute Voraussetzungen hin zu einer prozessorientierten logistischen Kooperation im MN Umfeld bieten. In diesem Kontext begleitet das LogKdoBw durch Beratung u.a. die Einführung von SAP S4/HANA Logistik in den ungarischen Streitkräften in enger Abstimmung mit dem KdoH und BAAINBw als Voraussetzung für das enge Zusammenwirken in Einsatz und einsatzgleichen Verpflichtungen auf der Grundlage harmonisierter Führungs- und Informationssysteme.

Die Harmonisierung von Ausbildungsinhalten und Strukturen ist der administrativen Standardisierung zuzuordnen. Die Standardisierung von Strukturen zielt im Kern auf die Möglichkeit zur Einbindung oder Anlehnung von Kräftedispositiven. Die Orientierung und Strukturierung an den NATO Fähigkeitskatalogen als ein wesentlicher Aspekt des Fähigkeitsprofils der Bundeswehr ist hierfür eine gute Voraussetzung. Trotzdem lässt sich feststellen, dass allein die Orientierung an den NATO Fähigkeitskatalogen noch keine interoperablen Streitkräfte schafft. So nehmen Führungs- und Einsatzgrundsätze sowie Tradition nicht nur einen erheblichen Einfluss auf die Struktur der jeweiligen Streitkräfte, sondern auch auf das grundsätzliche Verständnis, wie durch Ausbildung und Übung die Einsatzbereitschaft herzustellen ist. Darüber hinaus bilden nationale Ausbildungseinrichtungen grundsätzlich unter der Nutzung der jeweiligen Landessprache aus. Die Fähigkeit, mit einem gemeinsamen Zeichenvorrat zu kommunizieren, stellt eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Kooperation dar. In der Kooperation mit Ungarn wird hierbei grundsätzlich auf die englische Sprache zurückgegriffen.

Gute Voraussetzungen für die Zusammenarbeit mit multinationalen Partnern bietet die Nutzung von gleicher Technik, Prozessen und Verfahren sowie Material und Ausrüstung. Diese Aspekte werden unter dem Begriff der materiellen Standardisierung zusammengefasst. Diese ist eine wesentliche Voraussetzung, um Interoperabilität in den Feldern Ausbildung, Strukturen oder Führungsverfahren zu unterstützen. Die Nutzung von gleichem Material, z.B. Nutzung DINGO durch Niederlande bzw. FENNEK durch Belgien im Einsatz Resolute Support, die Nutzung TORNADO und EUROFIGHTER durch Deutschland, Großbritannien und Italien oder Beschaffung/Nutzung des Leopard 2 sowie der PzH 2000 durch Ungarn eröffnet weitere Kooperationsmöglichkeiten im Grundbetrieb zur Bereitstellung einsatzbereiter Kräfte für Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen.

Mit der derzeitigen Reorganisation und Modernisierung der ungarischen Streitkräfte unter dem Name ZRYINI 2026 ist neben der Beschaffung von deutschem Wehrmaterial (u.a. Leopard 2 A7, PzH 2000, SPz LYNX) auch die Modernisierung von Strukturen, Verfahren und Prozessen initiiert. Dieser Prozess wird durch Beratung und Unterstützung u.a. von Seiten KdoH, KdoLw und LogKdoBw eng begleitet. Im Ergebnis kann durch Nutzung deutscher Hauptwaffensysteme, die Ausgestaltung der Einsatz- und Basislogistik nach vergleichbaren Kriterien sowie die parallele Einführung von SAP S4/HANA die Interoperabilität der ungarischen und deutschen Streitkräfte aus der Grundaufstellung heraus wesentlich gesteigert werden.

Entwicklung zur Strukturierten Partnerschaft in der Logistik

Die „Strukturierte Partnerschaft in Logistik“ des Logistikkommandos der Bundeswehr mit ungarischen Verteidigungskräften ist aus einem Projekt zur multinationalen gemeinsamen Logistik („Joint Logistics Multinational“) entstanden. In den zugehörigen Übungs- und Untersuchungsvorhaben wurden u.a. die Möglichkeiten und Grenzen multinationaler Logistik im Einsatz mit dem Ziel untersucht, Synergien durch multinationale Zusammenarbeit zu erschließen und diese für zukünftige Einsätze nutzbar zu machen. In Ausgestaltung der Handlungslinien der internationalen Zusammenarbeit der Streitkräftebasis wurde die logistische Kooperation sukzessive zu einer Strukturierten Partnerschaft ausgebaut. Im Rahmen einer Strukturierten Partnerschaft können sich Partner im Sinne von Fähigkeitskooperationen mit ihren Fähigkeiten und Teilfähigkeiten an die SKB „andocken“. Strukturierte Partnerschaften ermöglichen unseren Partnern, ihre logistischen Ressourcen und Fähigkeiten als unverzichtbaren Beitrag im Bündnis gemeinsam und Schulter an Schulter einzubringen.

In diesen langfristig angelegten Kooperationen werden vorhandene Fähigkeiten durch kontinuierlichen Wissens- und Erfahrungsaustausch, die Schaffung gemeinsamer (bilateraler) Standards sowie gemeinsame Ausbildungs- und Übungsvorhaben, also insbesondere Maßnahmen der operationellen und administrativen Standardisierung zu interoperablen Kräftedispositiven mit gegenseitigem Nutzen weiterentwickelt. Langfristig wird somit durch plan- und abrufbare binationale Fähigkeiten die Durchhaltefähigkeit für Einsätze und einsatzgleiche Verpflichtungen und die Interoperabilität im gesamten Aufgabenspektrum des Bündnisses gestärkt.

Die Projektstruktur der Strukturierten Partnerschaft umfasst derzeit drei Teilprojekte: Die Entwicklung eines binationalen Feldtanklagerzuges (SAFETY FUEL), die Entwicklung einer binationalen mittleren Transportkompanie (SAFETY TRANSPORT) sowie die Entwicklung der binationalen Doktrin und Rahmendokumente (SAFETY DOCTRINE). Im Folgenden werden die Historie, der aktuelle Sachstand sowie die zukünftigen Entwicklungen in diesen Projekten dargestellt.

Die formelle Grundlage für die Strukturierte Partnerschaft in der Logistik (SPiL) wurde im März 2016 im Rahmen von High-Level Talks [unter dem Vorsitz von Brigadegeneral BARÁTH, zu diesem Zeitpunkt Kommandeur des ungarischen Logistics Center und Brigadegeneral FUNKE, zu diesem Zeitpunkt Stellvertretender Kommandeur LogKdoBw in Erfurt] durch Unterzeichnung einer Zielvereinbarung („mid-term-goals“) gelegt. Zur Vertiefung der Zusammenarbeit wurde u.a. die Durchführung von regelmäßigen Ausbildungs- und Übungsvorhaben in Verbindung mit Expertengesprächen und Treffen auf Generalsebene vereinbart. Darüber hinaus die Prüfung zur Etablierung von Patenschaften der beteiligten Verbände eingeleitet.

Die Projektstruktur der Strukturierten Partnerschaft in der Logistik (SPiL) Blauer Bund
Die Projektstruktur der Strukturierten Partnerschaft in der Logistik (SPiL)

 

SAFETY FUEL – Projekt zur Entwicklung eines deutsch-ungarischen Feldtanklagers

Anfänglich gestartet mit logistischen Fachgesprächen auf Expertenebene mit mehreren europäischen Nationen, fanden 2011 erste Ausbildungsgänge ungarischer Soldaten am Feldtanklager – einem Kraftstofflager für den Einsatz – im Ausbildungs- und Trainingszentrum der Spezialpioniere in Putlos statt. Durch Transfer von mobilem Pipelineinstandhaltungsmaterial und Spezialgrundausbildung von HUN Personal an Feldtanklangermaterial durch das „Specialized Engineer Training and Exercise Centre (SETEC)” in Putlos wurden bis 2012 weitere wesentlich Schritte erfolgreich absolviert.

Die ungarische Entscheidung zur Übernahme und Nutzung des deutschen Feldtanklagermaterials, ein Aspekt der materiellen Standardisierung, ist die wesentliche Grundlage innerhalb dieses Projektes.

Mit dem Einsatz von „Mobile Education Training Teams“ (METT) zur Unterstützung der Ausbildung in Ungarn sowie der in 2012 etablierten Übungsserie „SAFETY FUEL“ des Spezialpionierregiments 164 und der ungarischen Material Storage Supply Base wurde die gemeinsame Fähigkeitsentwicklung zum schicht- und durchhaltefähigen Aufbau, Betrieb und Abbau eines binationalen Feldtanklagers, orientiert an NATO-Standards, etabliert. Bereits in 2013 konnte durch Teilnahme an der MN NATO Übung „CAPABLE LOGISTICIAN“ ein erster logistischer Leistungstest absolviert werden. Die Einbindung in MN Übungen mit dem Ziel der Bereitstellung von Kraftstoff ermöglicht das Beüben von logistischen Kräften „unter Last“ im multinationalen Umfeld. Nach Ausbildung von ungarischen Offizieren und Unteroffizieren in NATO-zertifizierten Lehrgängen an der LogSBw folgte im Rahmen der Übung SAFETY FUEL 2014 die Zertifizierung des ungarischen Personals zum selbständigen Aufbau und Betrieb eines mobilen Feldtanklagers.

Mit weiteren Ausbildungs- und Übungsvorhaben, eingebunden in die MN NATO Übungen „CAPABLE LOGISTICIAN 2015“, „TRIDENT JUNCTURE 2018“ sowie „CAPABLE LOGISTICAN 2019“ wurden wesentliche Leistungsnachweise erbracht und die Interoperabilität auf Teileinheitsebene weiterentwickelt. Die COVID-19 Pandemie hatte zur Folge, dass die für 2020 geplanten Ausbildungs- und Übungsvorhaben nicht durchgeführt werden konnten. Dennoch wurde der Informationsaustausch auf Expertenebene unter Nutzung videounterstützter Konferenzsoftware fortgeführt, wichtige Meilensteine wurden erreicht. So stellten beide Co-Präsidenten im November 2020 im Rahmen der erstmals digital durchgeführten High-Level Talks die „Initial Operational Capability“ (IOC) des binationalen Feldtanklagers fest.

Das Übungsvorhaben SAFETY FUEL wurde in 2021 in Ungarn, wiederum mit kroatischer Beteiligung, durchgeführt. Die Vorbereitung der Übung unter den Bedingungen der COVID-19 Pandemie erforderte von den Übungsexperten des LogKdoBw und des Hungarian Defence Forces Command umfangreiche planerische Vorarbeit und Flexibilität. Ein besonderer Schwerpunkt wurde auf die Etablierung von Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der eingesetzten Soldaten gelegt.

In der Übungsvorbereitung stand neben Fragen der Realversorgung, der Verlegung von Material und Personal im grenzüberschreitenden Verkehr auch die Schaffung eines realitätsnahen Übungsszenars im Lastenheft des Planungsteams. Um die logistischen Fähigkeiten der Übungstruppe unter Last zu setzen, wurde das Übungsvorhaben in diesem Jahr an die US Übungsserie DEFENDER EUROPE 21 angebunden. Damit war das Ziel verbunden, logistische Bedarfsträger zu identifizieren und diese mit der eigenen Übungstruppe mit logistischen Leistungen zu unterstützen. Anhand der ersten Übungsauswertung lässt sich feststellen, dass wichtige Übungsziele erreicht wurden. Erforderliche Maßnahmen für die weitere Projektentwicklung sind bereits abgeleitet. Sie werden wesentlich dazu beitragen, die Vollbefähigung („Full Operational Capability“) in 2022 zu erreichen.

Das binationale Feldtanklager stellt Kraftstoff für die multinationale Übungstruppe bei der NATO Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 bereit Blauer Bund
Das binationale Feldtanklager stellt Kraftstoff für die multinationale Übungstruppe bei der NATO Übung TRIDENT JUNCTURE 2018 bereit

Die Integration von Kräften auf der Zug-Ebene stellt hohe Anforderungen an die Harmonisierung und Standardisierung von Arbeitsabläufen und Tätigkeitsbeschreibungen. Die Langfristigkeit des Projektes begründet sich insbesondere durch das erforderliche hohe Maß an operationeller Standardisierung für den erfolgreichen binationalen Betrieb eines Feldtanklagers im Wechselschichtprinzip.

Das Projekt gestaltet sich so erfolgreich, dass eine Zusammenarbeit mit weiteren Nationen angestrebt werden kann. Neben dem Erhalt der Fähigkeit soll daher parallel dazu die Aufnahme und Integration der kroatischen Feldtanklagerkräfte in das Projekt erfolgen. Derzeit nimmt Kroatien im Status eines Beobachters an der Strukturierten Partnerschaft teil. Erste Interoperabilitätstests wurden bereits 2016 in Ungarn absolviert und führten 2017 zu einer ersten kroatischen Übungsteilnahme im Rahmen der Übung „SAFETY FUEL“. Im Gegensatz zu den ungarischen Feldtanklagerkräften greifen die kroatischen Kräfte hierbei allerdings nicht auf deutsches Material zurück. Die Zielsetzung besteht somit nicht in einem nationenübergreifenden Schichtbetrieb eines Feldtanklagers, sondern im interoperablen Einsatz des deutsch-ungarischen Feldtanklagers in Verbindung mit den kroatischen Fähigkeiten. Durch die Einbindung kroatischer Logistikkräfte können die Fähigkeiten zur Bevorratung und Bereithaltung von Kraftstoffen um eine mobile Komponente erweitert werden. Dies ermöglicht zum Beispiel in der Phase der Verlegung des deutsch-ungarischen Feldtanklagers die Erstbevorratung durch kroatische Kräfte oder in der Phase des Betriebes die Möglichkeit zur Erweiterung durch Bevorratung anderer Kraftstoffarten.

Mittelfristig wird das deutsche Feldtanklagermaterial das Ende seines Nutzungszyklus erreichen. Die gemeinsame Abstimmung von Beschaffungsvorhaben – also der Erhalt der materiellen Standardisierung – ist zwingend, um die Fähigkeit auch langfristig für Einsatz und einsatzgleiche Verpflichtungen bereitzuhalten und einsetzen zu können.

SAFETY TRANPSORT – Projekt zur Entwicklung einer deutsch-ungarischen Transportkompanie

Im Februar 2014 wurde eine Erweiterung der Strukturierten Partnerschaft um das Projekt „Transport Cooperation“ in Kooperationsgesprächen erstmalig diskutiert. Nach umfangreichem Informationsaustausch zur nationalen Ausbildungssystematik der Transportkräfte standen hierbei die verschiedenen Möglichkeiten zur Bildung einer multinationalen Transportkompanie im Fokus. Dies mündete 2015 in der erstmaligen Durchführung der Übung SAFETY TRANSPORT im April 2015 in Ungarn. Mit dieser Übung wurde die Teilnahme der deutschen und ungarischen Transportkräfte an der MN NATO Übung „CAPABLE LOGISTICIAN“ im Juni 2015 in Ungarn zielgerichtet vorbereitet. Seither ist das Ziel dieser Zusammenarbeit eine, an NATO-Standards orientierte, deutsch-ungarische mittlere Transportkompanie, die unter Nutzung des Wechselladesystems MULTI, Container- und sonstige militärische Güter transportieren kann (Flachbetttransport). Die Übung SAFETY TRANSPORT 2016 (Mai/Juni) in Deutschland erfolgte auf Grundlage der Erfahrungen im Bereich der Feldtanklagerkräfte in einer gemischten Zugstruktur.

Eine Kollone von mehreren schweren Transport-LKW der deutsch-ungarischen Transportkompanie übt im Rahmen der Übung SAFETY TRANSPORT 2020 Blauer Bund
Die deutsch-ungarische Transportkompanie übt im Rahmen der Übung SAFETY TRANSPORT 2020

Wie im Vorfeld dargestellt, bedingt dies ein sehr hohes Maß an operationeller und administrativer Standardisierung bereits für den „quasi-stationären“ Einsatz von logistischen Kräften. Für Transportkräfte ist durch den Auftrag – Transport von militärischen Gütern – das Anforderungsprofil für den „mobilen Einsatz logistischer Kräfte“ zu berücksichtigen. In der Auswertung von gemeinsamen Ausbildungsabschnitten, wie „Verhalten bei Beschuss“ oder „komplexen Hinterhalten“ wurde deutlich, dass der erforderliche Ausbildungsstand, insbesondere bei Nutzung einer Fremdsprache in Extremsituation nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erreichen war. Auf dieser Grundlage wurde für die Fähigkeitsentwicklung die Integration auf der Ebene Kompanie mit jeweils nationalen Transportzügen und einer gemischten Kompanieführung, einschließlich Gefechtsstand, entschieden. Hier wird deutlich, dass es bei der Entwicklung von interoperablen Kräften keine Blaupause gibt. Die durchsetzungsfähige Wahrnehmung des logistischen Auftrags und die zu berücksichtigenden Einflussfaktoren des Einsatzumfeldes sind maßgeblich für die Fähigkeitsforderungen an logistische Kräfte. Das zu erreichende Maß an Integration und Interoperabilität leitet sich folgerichtig daraus ab.

Um das Führungspersonal auf die Anforderungen in einem gemeinsam betriebenen Gefechtsstand vorzubereiten, führte das LogBtl 472 ein Key-Leader Training zur Vorbereitung der Übung SAFETY TRANSPORT 2017 durch. Hierbei wurden auch kroatische Kräfte mit eingebunden, die analog zum Projekt „SAFETY FUEL“ auch im Bereich Transport die zukünftige Teilnahme mit eigenen Kräften zum Ziel haben. Mit der Etablierung einer Patenschaft zwischen Logistikbataillon 472 und dem ungarischen Logistikregiment 64 in 2018 wurde die vertrauensvolle Zusammenarbeit sichtbar dokumentiert. Mit der Teilnahme an der MN NATO Übung „CAPABLE LOGISTICIAN 2019“ konnten auch für diese Kooperation wichtige Erkenntnisse zur logistischen Leistungserbringung im MN Umfeld gesammelt werden.

Trotz umfangreicher Einschränkungen der binationalen Projektarbeit im Rahmen der COVID-19 Pandemie seit Beginn des Jahres 2020 haben beide Verbände auf Grundlage einer etablierten Zusammenarbeit mit hohem Engagement auf das Erreichen des nächsten Zwischenziels „Initial Operational Capability 2021“ hingearbeitet. Mit viel Engagement und Herzblut konnten die Übungen „SAFETY TRANSPORT 2020“ in Deutschland sowie „SAFETY TRANSPORT 2021“ in Ungarn unter Einhaltung von Hygieneauflagen mit anspruchsvollen Ausbildungs- und Übungsinhalten ausgeplant und umgesetzt werden. Im Rahmen eines Besuchertages gratulierte Generalmajor Zsolt Sándor, Kommandeur des Territorial- und Unterstützungskommando und zukünftiger Stellvertretender Kommandeur der ungarischen Streitkräfte den Soldaten zur erfolgreichen Auftragserfüllung mit den Worten „Die Zusammenarbeit mit den verbündeten Partnern läuft wie geschmiert“.

Diese Ausbildungs- und Übungserfolge bilden die Grundlage, um nachfolgend im Schulterschluss mit dem Projekt SAFETY FUEL das „Angriffsziel“ „Full Operational Capability“ in 2022 zu nehmen.

Wie ein Räderwerk – Die Projektorganisation

Damit die Projektentwicklung im Bereich Transport und Feldtanklager alle Aspekte der Interoperabilität berücksichtigt, bedarf es neben den Ausbildungs- und Übungsvorhaben einer Projektorganisation, die administrative, materielle und operationelle Interoperabilitätsaspekte verzahnt und aufeinander abstimmt. Es sind Organisationsstrukturen zu entwickeln und abzustimmen, die Entwicklung gemeinsamer Vorschriften und Regelungen voranzutreiben, und gemeinsame Übungsvorhaben langfristig mit nationaler und multinationaler Übungsplanung zu harmonisieren. Als gemeinsame Grundlage wurde hierzu ein „Conceptual Framework Paper“ erstellt. Die Fragen, WER trägt zur gemeinsamen Fähigkeitsentwicklung bei? WELCHE nationalen und multinationalen Vorschriften und Regelungen sind zu berücksichtigen? oder WIE sind gemeinsame logistische Verfahrensregelungen festzuhalten? wurden damit beantwortet und als weitere Arbeitsgrundlage im April 2021 verabschiedet. Dies ist ein wichtiger Meilenstein, der dazu beiträgt, den weiteren Ausbau bilateraler logistischer Fähigkeiten in den Fähigkeitsbereichen Transport – „SAFETY TRANSPORT“ – und Tanklagerbetrieb – „SAFETY FUEL“ zielgerichtet zu unterstützen.

Zur Unterstützung dieser Projektarbeit sind von deutscher und ungarischer Seite Austauschoffiziere etabliert, die in die Stabsarbeit der Stäbe im jeweiligen Gastland eingebunden sind. Im Gegensatz zu Verbindungsoffizieren beraten und unterstützen die Austauschoffiziere in erster Linie die Vorgesetzten und Projektverantwortlichen des Gastlandes. Der ungarische Austauschoffizier nimmt auf dieser Grundlage seit 2018 seine Aufgaben im LogKdoBw im Bereich MN logistische Kooperation der Abteilung Planung wahr. Im Jahr 2019 wurde im Gegenzug der Dienstposten des Austauschoffizier LogKdoBw beim Hungarian Defence Force Command Logistics Inspectorate in Ungarn etabliert.

Ausblick und Fazit

Im letzten Jahr wurde die Zielvereinbarung für den Zeitraum 2020-2025 fortgeschrieben und das Herstellen der interoperablen Vollbefähigung der beiden Fähigkeitsprojekte für das Jahr 2022 avisiert. Darüber hinaus sind u.a. gegenseitige Ausbildungsunterstützung im Bereich LOGFAS, gemeinsame RSOM Übungen, die Zusammenarbeit im Bereich der Reorganisation/Modernisierung der ungarischen Logistikkräfte als auch die intensive Prüfung zur Erweiterung der Kooperation wesentliche Bestandteile der erneuerten Zielvereinbarung. Das derzeitig durch Ungarn verfolgte Programm „ZRYÍNI 2026“ verfolgt das Ziel, die Streitkräfte zu modernisieren und die Interoperabilität im Bündnis zu steigern. Das Logistikkommando unterstützt hierbei in enger Abstimmung mit den Organisationsbereichen in allen logistischen Fragestellungen mit dem Ziel, die Interoperabilität der logistischen Kräfte aus der Grundaufstellung heraus im Sinne eines „Plug-In“ Profils beständig zu verbessern. Für den binationalen Feldtanklagerzug sowie die mittlere Transportkompanie wird es nach Herstellen der Vollbefähigung in 2022 darauf ankommen, in gemeinsamen Übungen, vorzugsweise im multinationalen Umfeld, die Fähigkeiten zu erhalten, um gemeinsam logistische Kräfte für Einsätze oder einsatzgleiche Verpflichtungen, z.B. NRF oder EUBG bereitstellen zu können.

Die Strukturierte Partnerschaft in der Logistik kann auch für andere Nationen geöffnet werden, um die bisherigen Kapazitäten mit weiteren Kräften, Mitteln und Optionen zu erweitern. Das dargestellte Interesse und Engagement Kroatiens hierzu im Rahmen von Ausbildungs- und Übungsvorhaben belegt dies nachdrücklich. Unter Berücksichtigung des „NATO Long Term Commitment Plan 2021-2032“ hat Kroatien angekündigt, zeitnah in den Status des Teilnehmers wechseln zu wollen. In den Projekten „SAFETY FUEL“ und „SAFETY TRANSPORT“ kommt es in der Folge darauf an, die Vollbefähigung zu erhalten und die Beiträge von Partnern nahtlos auf Grundlage der etablierten Interoperabilitätsstandards zu integrieren.

Die Strukturierte Partnerschaft in der Logistik ist eine Erfolgsgeschichte und ein sehr gutes Beispiel für binationale Kooperation und gemeinsame Fähigkeitsentwicklung. Sie zeigt exemplarisch, dass die gemeinsame Vereinbarung von Zielen sowie deren glaubhafte Erfüllung der kontinuierlichen sowie partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe bedürfen. Die verlässliche und nachhaltige Begleitung des Projektes sowie die Bereitstellung von Ressourcen, auch als Vorleistung, ist zwingende Voraussetzung, um dieses gemeinsam mit Ungarn schrittweise zum Erfolg zu führen. Die Kooperation mit Ungarn in den Bereichen Framework Nations Concept, PESCO und Strukturierte Partnerschaft ergänzen und befördern sich hierbei gegenseitig und bringen einen echten Mehrwert im und für das Bündnis und somit auch für Deutschland. Im Summenzug ist dies ein substantieller Beitrag des LogKdoBw, um der gestiegenen Erwartungshaltung Deutschlands als europäischer Partner innerhalb der NATO/EU gerecht zu werden.

Text und Bilder: Autorenteam LogKdoBw Abt Planung I (2) MN Logistik

Freud und Leid der NATO – Eingreiftruppe

Bereits im kommenden Jahr stellt die Panzergrenadierbrigade 37 den Hauptteil der Schnellen Eingreiftruppe der NATO (North Atlantic Treaty Organization), der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF). Eigentlich sollte das Material von der Brigade selbst kommen. Doch dieses Ziel wird nicht erreicht – eine Bestandsaufnahme.

Bild 1 : Ein kleiner Ausschnitt des VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) – Fuhrparks während der NATO-Übung Trident Juncture 2019 in Norwegen. Insgesamt gehören mehr als 2.200 Fahrzeuge zur VJTF-Brigade. Bundeswehr/Rainer Stolze

Im Bereich der Panzergrenadierbrigade 37 ist der Materialzulauf für den VJTF-Auftrag seit dem Sommer 2020 angelaufen. Die Brigade bereitet sich in diesem Jahr national auf die Führung der schnell verlegbaren, multinationalen Landstreitkräfte innerhalb der VJTF 2023 vor. Im kommenden Jahr befindet sie sich dann bereits in der Stand-Up-Phase für die VJTFund damit in einer Alarmierungszeit von 45 Tagen.

Bild 2: Der Brückenlegepanzer Leguan kann Geländeeinschnitte und Schluchten von bis zu 24 Meter Breite überwinden. Bis zu 72,6 Tonnen schwere Panzer können die Brücke passieren und sogar bis zu 83,5 Tonnen schwere Radfahrzeuge. Bundeswehr/Sven Fischer

Zufriedene Gesichter beim Panzerpionierbataillon 701 in Gera: Dort ist der neue Brückenlegepanzer Leguan bereits eingeführt worden. Mit seinen zwei unterschiedlich langen Brücken kann er die Voraussetzungen für das Überwinden von Gewässern und Geländeeinschnitten mit einer Breite von bis zu 24 Metern schaffen. „Aufgrund seiner Flexibilität und Robustheit, bringt das Waffensystem erhebliche Vorteile für das Zusammenwirken von Pionieren und Kampftruppe“, sagt Major Felix Oss, Chef der 2. Kompanie. In Gera sind bereits alle drei für die VJTF geplanten Leguane angekommen. Damit ist diese Fähigkeit in der Brigade bereits jetzt zu 100 Prozent vorhanden.

Fast monatlich neue Fahrzeuge

Auch in anderen Bereichen der Panzergrenadierbrigade 37 ist der Materialzulauf bereits jetzt besonders deutlich. So konnte die Nachtsichtbefähigung durch zusätzliche Nachtsichtgeräte deutlich verbessert werden. „Wichtig ist, dass auch beim militärischen Großgerät signifikante Zuwächse zu verzeichnen sind. Insbesondere bei dem Gepanzerten Transportkraftfahrzeug Boxer, dem Transportpanzer Fuchs, dem Führungs- und Funktionsfahrzeug Eagle IV und dem Allschutz-Transportfahrzeug Dingo sind deutlich mehr Fahrzeuge verfügbar. Diese Kapazitäten kommen direkt in der Truppe an. Zehn Boxer in einer speziellen Konfiguration als Führungsfahrzeug, die dann als bewegliche Befehlsstelle eingesetzt werden, sind bereits im Bereich der Brigade und weitere werden folgen“, sagt Major Karsten Gaebel, Abteilungsleiter Logistik im Stab der Brigade 37.

Ab September werden zudem 30 neue Kampfpanzer des Typs Leopard 2 A7 V den Kampfwert des Panzerbataillons 393 aus Bad Frankenhausen steigern. Auch die Auslieferungen von über 200 neuen Ungeschützten Transportfahrzeugen (UTF) seit Mitte vergangenen Jahres sorgen für eine erhebliche Verbesserung der logistischen Transportkapazitäten.

Es gibt aber noch einige Felder mit Handlungsbedarf – wie zum Beispiel bei den Tankcontainerfahrzeugen. „Sie sind für die Kraftstoffversorgung essenziell“, so Gaebel.

Brigade wird digital führungsfähig

Bild 3: Das neue Battle Management System (BMS) ermöglicht dem Fahrzeugkommandanten unkompliziertes Arbeiten. Für das Umrüsten müssen Com-Server, Rocky-Rechner und Module ausgetauscht werden, damit das BMS auf dem Fahrzeug genutzt werden kann. Bundeswehr/André Klimke

Nicht nur neues Großgerät kommt in der Brigade an, auch bereits vorhandene Fahrzeuge werden modernisiert. Für die Nutzung des neu in die Bundeswehr eingeführten Battle Management Systems (BMS), des Führungsinformationssystems, bedarf es einer Umrüstung der Bestandsfahrzeuge. Während der Kabelbausatz gleich bleibt, müssen einige Baugruppen, wie Rechner und Eingabemodule, ausgetauscht werden, damit das BMS auf den Fahrzeugen genutzt werden kann. Aktuell wird diese Hardware-Einrüstung für den Großteil der für die VJTF vorgesehenen Fahrzeuge vorgenommen. Bei 15 Prozent ist die Einrüstung bereits gänzlich abgeschlossen. Mit dem BMS können die Fahrzeuge dann führungswichtige Informationen und Lageentwicklungen untereinander sowie mit den Gefechtsständen digital austauschen. Darüber hinaus ermöglicht das System auch eine Datenübertragung mit den NATO-Partnern.

Ursprünglich war es das erklärte Ziel der Bundeswehrführung, dass die Brigade ausschließlich das bereits vorhandene eigene Material nutzt. Doch davon kann keine Rede sein. Wie bereits bei der Panzerlehrbrigade 9, die für die VJTF 2019 verantwortlich war, muss auch die Panzergrenadierbrigade 37 mit Material aus der ganzen Bundeswehr versorgt werden. Die Verschiebungen haben allerdings einen erheblich geringeren Umfang als noch im Jahr 2019.

Logistisch eine Herkulesaufgabe

Bild 4: Auch per Eisenbahntransport werden Gefechtsfahrzeuge aus vielen Standorten Deutschlands zu den Verbänden der Panzergrenadierbrigade 37 nach Sachsen und Thüringen gebracht. Bundeswehr/Alexander Klebba

In der Panzerlehrbrigade im niedersächsischen Munster wissen sie, was auf die Kameradinnen und Kameraden der Brigade 37 in den nächsten Monaten zukommt – es sei ein „logistischer Drahtseilakt“, heißt es aus Munster. Wie einst die Panzerlehrbrigade 9 wird sich auch der Großverband aus Sachsen der herausfordernden Frage stellen müssen, wo das benötigte Material für den Auftrag herkommt. Denn: Die Materiallage im Heer ist nach wie vor angespannt. Noch immer sind Ausrüstung und Ausstattung nicht so aufgefüllt, dass die Brigade den Auftrag aus eigener Kraft erfüllen könnte. Die Panzergrenadierbrigade 37 wird, wie zuvor die Panzerlehrbrigade 9, auf andere Verbände im gesamten Bundesgebiet zurückgreifen müssen, um das erforderliche Material für ihren ab 2022 beginnenden Auftrag zusammenzuziehen: „Viele Verbände des Heeres mussten und müssen auch in naher Zukunft unterstützen und auf Ausrüstung verzichten, die sie zur Ausbildung und Übung eigentlich dringend selbst benötigen“, so der Kommandeur der Panzerlehrbrigade 9, Brigadegeneral Christian Freuding. Zwar seien Verbesserungen in der materiellen Ausstattung durch die im Jahre 2014 eingeleitete Trendwende Material bereits in der Truppe spürbar, jedoch könne man die vorangegangenen „25 Jahre des Schrumpfens und Sparens“ nicht innerhalb von sieben Jahren wieder aufholen; zumal viel Gerät auch am Ende seiner Nutzungsdauer angekommen sei.

Über 1.000 Fahrzeuge aus fast 50 Verbänden

Bild 5: Die Ungeschützten Transportfahrzeuge (UTF) werden in der gesamten Panzergrenadierbrigade 37 für unterschiedliche Transportaufgaben eingesetzt. Sie haben eine tragende Rolle für die zeitgerechte Verlegefähigkeit der Brigade. Bundeswehr/Sven Fischer

Als erfahrener Logistiker weiß Hauptmann Lars Hagenstein von dem Berg an Arbeit, der vor der künftigen VJTF-Brigade liegt. Er selbst hat das alles bereits erlebt. Er ist in der Logistikabteilung der Panzerlehrbrigade 9 eingesetzt und war mitverantwortlich für die erforderlichen Materialverschiebungen in Vorbereitung auf den VJTF-Auftrag im Jahr 2019. Insgesamt waren für die VJTF damals rund 2.240 Fahrzeuge gefordert. Die Brigade selbst hatte aber nur etwas mehr als 1.200 in ihrem Bestand und bei denen ihr unterstellten Verbänden verfügbar. „Die restlichen etwas mehr als 1.000 Fahrzeuge mussten aus fast 50 anderen Verbänden zusammengezogen werden“, so Hagenstein. Allein die Vorbereitung zur Übergabe der Fahrzeuge bedarf großer Sorgfalt. Die Überprüfung der Materialvollzähligkeit nur eines Kampfpanzers Leopard 2 umfasst beispielsweise mehr als 300 Einzelteile, hinzukommen die Vorbereitung des Marsches und die dafür nötige Buchführung. In einem zweiten Schritt folgt dann die Verlegung der Fahrzeuge vom abgebenden Truppenteil zum Standort des VJTF-Verbandes per Straßenmarsch, Eisenbahn oder Schwerlasttransport.

32 Jahre und 5 Monate

Im aufnehmenden Truppenteil angekommen, erfolgt dann schlussendlich die Übernahme des Fahrzeuges: „Für die Verschiebung der mehr als 1.000 Fahrzeuge haben wir einen Gesamtzeitansatz von 73.440 Stunden beziehungsweise 8.160 Arbeitstagen oder 32 Jahren und 5 Monaten berechnet. Das ist eine gewaltige Zahl, aber absolut realistisch“, unterstreicht Hagenstein. Dabei handele es sich hierbei nur um die Übergabe von Fahrzeugen. Andere Ausrüstungsgegenstände wie beispielsweise Nachtsichtmittel, Handwaffen oder Spezialwerkzeuge, die ebenfalls quer durch die Republik verschoben werden mussten, seien laut Hagenstein in dieser Auflistung gar nicht enthalten und müssten noch zusätzlich „in Rechnung gestellt“ werden.

Am eingeschlagenen Weg festhalten

Bild 6: 300 Einzelteile müssen bei einem Kampfpanzer Leopard vor der Übergabe an einen anderen Verband überprüft werden. Bundeswehr/Geoffrey Thiel

Genau dieser logistische Drahtseilakt wird in diesem Jahr nun auch der Panzergrenadierbrigade 37 bevorstehen, wenn es heißt, die VJTF-Brigade in den Jahren 2022 bis 2024 materiell einsatzbereit zu machen. Im Vergleich zu 2019 gebe es nach Angaben der Heeresführung bereits signifikante Fortschritte beim Material, die auch in der Truppe zu spüren sind, wie zum Beispiel die Einrichtung des Battle Management Systems. Aber das ursprüngliche Ziel, die Brigade autark mit Material auszustatten, sei nicht erreichbar.

Gerade diese Erfahrungen machen deutlich, warum das Heer darauf angewiesen ist, die Trendwende Material auch über die nächsten Jahre fortzusetzen. Hier geht es um die Einsatzbereitschaft der Truppe und damit um die strategische Handlungsfähigkeit Europas sowie die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Partner in der Transatlantischen Allianz.

Autoren: Timo Radke und Renzo Di Leo (Dieser Artikel wurde erstmals auf der Seite www.bundeswehr.de veröffentlicht)

Blauer Bund Gestaltungsfelder Moderner Ausbildung

Entwicklungslinien der Logistikschule der Bundeswehr

Dieser Beitrag ist der Vierte einer 6-teiligen Artikelserie. Teil 1 & 2 wurden im Newsletter Januar veröffentlicht, Teil 3 & 4 finden sie in diesem Newsletter, die Fortsetzung folgt im Juli. [Red.]

Achsen der Weiterentwicklung

Die Logistikschule der Bundeswehr ist eine hochanerkannte Ausbildungseinrichtung, die ihren Charakter als umfassende „Einsatzschule“ für Logistik zukünftig noch weiter schärfen und moderner ausgestalten wird. Die Verfestigung der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) in Lehre und Ausbildung, bei gleichzeitiger Vorbereitung von Personal für laufende Einsätze, unter Anwendung und Weiterentwicklung moderner und attraktiver Ausbildungsformen, stellen dabei die maßgeblichen Handlungsschwerpunkte dar. Die Schule startet dabei keineswegs bei Null. Schon in der Vergangenheit bildeten logistische und allgemeinmilitärische Ausbildungsinhalte hinsichtlich LV/BV wesentliche Bestandteile von Lehre und Ausbildung. Diese gilt es zukünftig auszubauen und weiter an zukünftigen Konflikten und Szenarien auszurichten, ohne dabei Bewährtes über Bord zu werfen. Neben der zweifelsohne anspruchsvollen Ausrichtung und Schärfung des „Mindsets“ von Ausbildern und Auszubildenden, bildet auch die konzeptionelle Komponente einen entscheidenden Erfolgsfaktor. Materielle und infrastrukturelle Aspekte ergänzen diese.

Abb. 1: Lehre und Ausbildung für das gesamte Aufgabenspektrum

Auch in 2021 wird die CORONA-Pandemie der Alma Mater der Logistik einiges abverlangen und ein Ende ist noch nicht absehbar. Die Auswirkungen auf den Lehrbetrieb waren und sind massiv und die Fokussierung auf Lehrgänge mit Einsatz- und Laufbahnrelevanz alternativlos. Die LogSBw wird die entstandene Bugwelle an ausgefallenen Lehrgängen sukzessive und bestmöglich abbauen. Dabei bieten sich absehbar Chancen für Entfrachtung und Kreativität.

Umsetzung der Agenda Ausbildung

Die Planung und Durchführung zielgerichteter und fordernder, aber genauso zeitgemäßer und motivierender Ausbildung, sind Auftrag und Anspruch zugleich. Die Weiterentwicklung der lehrgangsgebundenen Aus- und Weiterbildung bleibt Daueraufgabe und entscheidendes Attraktivitätskriterium. Die in der ministeriellen Agenda Ausbildung ausgebrachte Umstellung auf „Kompetenzorientierte Ausbildung (KOA) setzt hierfür die Leitplanken und mit dem Jahr 2030 eine Zielmarke. Die LogSBw hat sich dieser Aufgabe sehr erfolgreich gestellt, die Ausbildenden sukzessive qualifiziert und die schrittweise Implementierung forciert. Das Erreichen der Grundbefähigung KOA für das Lehrpersonal erfolgt parallel zum laufenden Ausbildungsbetrieb in einem integrativen Ansatz.

Abb. 2: Moderne Ausbildung gestalten

Bislang wurden bereits mehr als 30 Trainings auf KOA umgestellt, zahlreiche weitere sind initiiert. Die bisherigen Erfahrungen sind äußerst positiv und vielversprechend. Neu anzulegende Trainings werden ausschließlich kompetenzorientiert durchgeführt, so wird auch in der neu gestalteten Ausbildung und Prägung der Fahnenjunker ab Januar 2021 das KOA-Prinzip zur Anwendung kommen. Das Prinzip bedeutet aber nicht, dass auf bewährte Methoden verzichtet wird. KOA gibt es auch nicht zum Nulltarif, daher wird die weitere Ausfächerung dieses modernen Anspruchs in der Ausbildung zusätzliche Ressourcen, gerade beim Lehrpersonal, erfordern.
Ein ergänzendes aber durchaus entscheidendes Handlungsfeld besteht in der Bereitstellung moderner Ausbildungsmittel.

Hierzu sind, beispielsweise Laptops (rund 2.500) und Tablets, zeitgerecht verfügbar zu machen. Die Notwendigkeit einer sachgerechten technischen Ausstattung im Themenbereich „DistancE Learning“ wurde nicht zuletzt im Zuge des „Homeschooling“ unter COVID 19 in aller Deutlichkeit unterstrichen. Der Aufwand ist gerechtfertigt, denn sowohl für die Trainingsteilnehmenden als auch für die Ausbildenden erweitern sich die Möglichkeiten signifikant – weg von der klassischen Präsenzausbildung, hin zu den Methoden eines „Web-Based-Trainings“ ‑ zu gelangen. Darüber hinaus sind technische Weiterentwicklungen wie Augmented Reality (AR) zu begleiten und deren möglichst verzugslose Verwendbarkeit in der Ausbildung zu ermöglichen. Ferner gilt es die Etablierung eines effektiven Wissensmanagements, als Schlüssel zur Standardisierung und Qualitätssicherung der Trainingsinhalte, kontinuierlich voranzutreiben.

In den Gesamtzusammenhang effektiver Ausbildung fällt, neben den oben adressierten Handlungsfeldern, aber auch die vorgesehene Zusammenführung der Teile GARLSTEDT und PUTLOS des SpezPiAusbÜbZ und der damit verbundenen Synergieeffekte. Diese werden voraussichtlich 2023 mit Bau einer Ausbildungs-/Werkhalle und einer Containerhalle sowie der darauffolgenden Zusammenziehung der Ausbildung in PUTLOS sichtbar implementiert.

Schärfung der Einsatzorientierung Logistisches Übungszentrum

Das Logistische Übungszentrum (LogÜbZ) hat sich als zentrale nationale Ausbildungseinrichtung etabliert und gut bewährt. Der Hauptfokus liegt auf der Ausbildung und Inübunghaltung der LogBtl (SKB) und VersBtl (H) im Rahmen der zentralen Ausbildung Logistik (ZALog) und der einsatzvorbereitenden Kontingentausbildung. Die Vorbereitung auf Einsatzrealität umfasst heute und morgen jedoch nicht nur die Einsätze im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements, sondern adressiert, sozusagen als zweite Seite der gleichen Medaille, ebenso die Erfordernisse von LV/BV. Die multinational eingebettete deutsche Präsenz im Baltikum und die Teilhabe, oftmals als Führungsnation, an NRF (NATO Response Force) / VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) -Rotationen sind hierfür Zeichen und deutliches Signal der Rolle Deutschlands in Europa und der NATO. Dies fordert gerade auch die Fähigkeiten der Logistik. Bei der Refokussierung in Ausbildung und Lehre, mit entsprechender inhaltlicher Schwerpunktsetzung, wurden in diesem Gesamtzusammenhang schon ermutigende Fortschritte gemacht. Gleichwohl bleibt keine Zeit für eine Atempause. Prominent festmachen lässt sich dieser Umstand an den Ende 2020 erfolgten In-Dienststellungen des Logistikregiments 1 in Burg sowie des Logistikbataillons 163 („RSOM“) in Delmenhorst. Die Aufstellung dieser Verbände ist ebenso sichtbarer wie glaubwürdiger Ausdruck der Konzentration auf diese anspruchsvollste Aufgabe für die Bundeswehr. Sie erfordert allerdings eine fundierte und genauso ambitionierte Ausbildung. Das gilt gleichermaßen für die logistische Leistungserbringung in einem anspruchsvollen und hoch dynamischen multinationalen Umfeld, wie auch im Falle des LogRgt 1 als Kernstab der Nationalen Unterstützungskräfte für die VJTF. Die Grundlagenarbeit und große Teile der Durchführungsverantwortung sind am LogÜbZ und beim seit 2019 NATO-akkreditierten Joint Logistics Support Group Coordination and Training Centre (JCTC) verortet. Die Anstrengungen werden andauern und sich auszahlen, in kürzerer Perspektive in Bezug auf die Einsatzbereitschaft der VJTF 23 und weiter gespannt, als eine belastbare Orientierungshilfe für die Ausbildung eines zweiten Logistikregiments ab 2023.

Zukünftig wird das LogÜbZ auch vermehrt Anteile multinationaler Logistik ansprechen, um eine Plattform für entsprechende Ausbildungen zusammen mit dem JCTC zu bilden. Damit wird die Ausbildung von multinationalen JLSG Einheiten im Rahmen des FNC-Cluster Logistik deutlich verbessert. Die Schulung der LOGFAS (Funktionale Anwendungsfunktionen der Logistik in NATO und EU) Komponenten im LogÜbZ wird dafür deutlich stärker als bisher nachgefragt und folglich verfügbar sein müssen.

Abb. 3: Weiterentwicklung des Logistischen Übungszentrums

Um den zukünftigen Aufträgen und berechtigten Ansprüchen noch besser gerecht zu werden ist zudem beabsichtigt, das LogÜbZ frühestmöglich zu Ausbildungen unter Nutzung des Battle Management System (BMS) zu befähigen. Absicht ist es, das LogÜbZ zu der zentralen Ausbildungsstätte BMS für alle Logistikkräfte der Bundeswehr zu befähigen, um Synergien und gemeinsame Abholpunkte zu erzielen. Gleichermaßen soll mit Einführung des Nachfolgesystems SASPF, S/4HANA, das LogÜbZ frühzeitig und rechtzeitig ausgestattet und zur Ausbildung befähigt werden. In ihrer Komplexität und Gesamtheit machen die angesprochenen Aspekte den Aufwuchs an und mit IT-Fachexpertise notwendig.

Übungsumgebung „Logistische Unterstützung im Einsatz“

Der konsequente Weg einer „Einsatzschule“ für Logistik für alle Szenarien, besonders LV/BV, ist weiter zu beschreiten. Es gilt ihn vorauszudenken, zu modellieren und Schritt für Schritt zu realisieren. Also von den erfolgreichen und weiterzuführenden Schulungen für die laufenden Einsätze, in bewährter Form in den Bürocontainern des LogÜbZ, über die paarweisen Gefechtsstandübungen der Logistik- und Versorgungsbataillone von SKB und Heer, hin zum Bestehen – der altehrwürdige Begriff sei an dieser Stelle bewusst gewählt – im „Gefecht der verbundenen Waffen“. Dies allerdings in einem zeitgemäßen, hybriden und so äußerst komplexen Umfeld, weshalb sich eigentlich jegliche Diskussionen über ein „vorne und hinten“, ggf. verklammert mit Ausrüstungsfragen, verbieten.

Abb. 4: Übungsumgebung Logistische Unterstützung im Einsatz

In naher Zukunft ist deshalb eine Übungsumgebung „Logistische Unterstützung im Einsatz“ zu etablieren. Was heißt das? Keine derzeit bestehende Ausbildungseinrichtung ermöglicht ein verzahntes Beüben logistischer Verbände mit Volltruppe. Um eine umfassende Abbildung für den jüngst vom Generalinspekteur nochmals sehr deutlich und außenwirksam gegebenen „Auftrag „Landes- und Bündnisverteidigung“ in vorbereitenden Übungen mit Volltruppe sicher zu stellen, ist die Implementierung einer Übungsumgebung „Logistische Unterstützung im Einsatz“ auf einem Truppenübungsplatz der Bundeswehr erforderlich. Hierbei geht es um realitätsnahe Ausbildung und Übung der Regimenter und Bataillone, welche die logistische Leistungserbringung in operativ relevanter Größenordnung abbilden müssen. Dazu wird auch Personal der LogSBw zu einem mobilen Wirken zu befähigen sein, um die logistischen Verbände beispielsweise in einer Übungsumgebung „Logistische Unterstützung im Einsatz“ auf einem TrÜbPl bzw. im Rahmen von Übungen unterstützen zu können. Die Einrichtung einer solchen Übungsumgebung „Logistische Unterstützung im Einsatz“ ist ohne großen personellen Mehrbedarf zu realisieren. Für die personelle Unterstützung durch die LogSBw bedeutet dies absehbar und wie dargestellt temporäre und vorhabenorientierte Entsendungen. In einer synergetischen Perspektive kommt durchaus eine gemeinsame Nutzung mit einem zukünftigen Übungszentrum für Host Nation Support (HNS)/ Convoi Support Centre (CSC) in Betracht.

In bestehenden Ausbildungseinrichtungen wie dem LogÜbZ, dem JCTC, dem GÜZ oder auch bei SIRA können Teilaspekte dieser verzahnten Verbandsübungen vorab durch das Führungspersonal (LogÜbZ, SIRA, JCTC) oder auch im geschlossenen Verband (GÜZ) durchlaufen werden. Dies ist im Hinblick auf die Herausforderungen für insbesondere die mobLogTr SKB in einem LV/BV Szenar aber nicht hinreichend.
Daher werden die Planungen für verzahnte Verbandsübungen aller Verbände der mobLogTr SKB mit Nachdruck weiter vorangetrieben. Die Leistungsfähigkeit der mobLogTr SKB wird noch deutlicher auf den Einsatz in multinationalen, dimensions- und systemverbundübergreifenden Operationen in einem dynamischen Gefecht ausgerichtet sein. Dies erfordert beispielsweise von der Führungsebene Regiment die Fähigkeit, mehrere LogBtl zeitgleich taktisch und logistisch führen zu können und zusätzlich multinationale logistische Beiträge, gewerbliche Dienstleister und HIL-Leistungen einzubinden und zu koordinieren. Eine Führungsebene tiefer müssen die Bataillone inhaltsgleiche Herausforderungen bei der taktischen und logistischen Führung ihrer Einheiten und der Zusammenarbeit mit Dritten bewältigen und entsprechend zielorientiert gestalten können.

Die Übung DEFENDER EUROPE 2020 (DEF 20) hat bestätigt, dass sich die Erbringung logistischer Leistungen zunehmend auch im Bündnisrahmen vollzieht und, unter dem Schlagwort „Drehscheibe Deutschland“, Unterstützungsleistungen oder Host Nation Support erforderlich machen, deren Dimensionen und „Bilder“ nur wenigen gegenwärtig sind. Die LogSBw hat im engen Zusammenwirken mit den Spezialpionieren bei DEF 20 eine „Life Support Area“ betrieben und den Einsatzwert der unterstützten US-Kräfte beispielgebend hochgehalten. Die Übungsserie wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen und nicht nur die Schule wiederholt fordern.

Abb. 5: Weiterentwicklung JCTC

Ausweitung der Ausbildung im JLSG Coordination and Training Centre

Das als erster Schritt der Umsetzung des FNC Cluster Logistics aufgestellte JCTC konnte in kürzester Zeit bereits im Oktober 2019 die Akkreditierung durch die NATO als Ausbildungs- und Übungsstätte erreichen und führt erfolgreich multinationale Individual- und Teamausbildung durch. Die fortschreitende Multinationalisierung der einst national ausgebildeten Logistik erfordert zunehmend die Nutzung der Produktfamilie LOGFAS. Dieser Umstand wurde einerseits durch neue Vorschriften zur Nutzung und Ausbildung in diesem Bereich, aber vor allem durch ein deutlich in Umfang und Qualität gesteigertes Lehrgangsangebot im JCTC begegnet. Bei der Inübunghaltung ist durch die Nutzung von ConnectBw ebenfalls bereits ein Anfang gemacht, den es nun unter Federführung des JCTC weiter auszubauen gilt. Die JLSG HQs aus Neapel und Brunssum der NATO Command Structure, aber auch die JLSG HQ Core Staff Elements der NATO Force Structure, kommen gerne und regelmäßig zum JCTC, um die anerkannt gute Ausbildungsumgebung zu nutzen. Seit Oktober 2020 besteht zudem mit dem Multinational Logistics Coordination Centre (MLCC) in Prag ein Personalaustausch von je einem Stabsoffizier. Während die gemeinsame Ausbildungsplanung und – durchführung deutscher Kräfte wie dem LogRgt 1 in seiner Rolle als Stab NUK für NRF 22-24 oder dem LogBtl 163 in seiner Rolle als RSOM Btl des JLSG HQ NRF 2023 zusammen mit dem LogÜbZ bereits Realität geworden ist, ist die Zielvorstellung der intensiveren und integrativen Zusammenarbeit mit dem NATO Joint Warfare Centre (JWC) in Norwegen oder dem Joint Force Training Centre (JFTC) in Polen indessen weiter voran zu treiben und wesentlich von der Verfügbarkeit einer Anbindung an das „rote Netz“ der NATO abhängig. Die Ausstattung mit modernen Führungs- und Informationssystemen im Hinblick auf Interoperabilität in allen Verschlussgraden bis hin zu NATO SECRET, ist eine zwingende Voraussetzung für ein erfolgreiches Wirken zur Erreichung der Zielbefähigung (FOC 2024) des JCTC. Dazu ist auch die Verfügbarkeit einer personellen Stabs- und Unterstützungskomponente sowie die Entwicklung eines breiten und verlässlichen Pools an ausgebildeten Fachleuten unerlässlich. Gleiches gilt für die Bereitstellung einer geeigneten Gefechtsstandhülle für Übung und Einsatz. Die Vernetzung und Positionierung des JCTC als hochwertiger Leistungserbringer schreitet insgesamt höchst erfreulich voran. Mit dem JCTC verfügt die Bundeswehr über ein leistungsstarkes und anerkanntes logistisches „Pfund“ und Hochwertausbildungsstätte, mit Strahlkraft auf andere Nationen und multinationale Stäbe.

Schlussbetrachtung

Die Zielmarken und Meilensteine der Weiterentwicklung sind gesetzt. Zur Erhöhung und zum Erhalt von Leistung- und Zukunftsfähigkeit der LogSBw bedarf es zahlreicher Maßnahmen und Zuweisung entsprechender Ressourcen. Insbesondere der nachhaltigen Implementierung von KoA und dem Aufwuchs der Logistikkräfte der Bundeswehr ist mit einem angemessenen Personalansatz an der LogSBw Rechnung zu tragen. Hierbei sind moderne Ausbildungstechnologien, prominent erweitert um eine DistancELearning-Fähigkeit, kurzfristig zu realisieren. Die Etablierung einer Übungsumgebung „Logistische Unterstützung im Einsatz“ wird die Trainingsmöglichkeiten der mobLogTr SKB signifikant verbessern und deren Einsatzwert weiter erhöhen. Um die Zielbefähigung für das JCTC im Jahr 2024 zu halten, ist ein Stabs-/Unterstützungselement aus einer aufbau- und ablauforganisatorischen Lösung zu implementieren. Darüber hinaus werden eine zweckmäßige Gefechtsstandhülle ebenso wie die belastbare NATO SECRET-Anbindung in einem stationären und einem verlegefähigen Anteil verzugslos zu realisieren sein. Das multinationale Lastenheft bleibt auch zukünftig gut gefüllt. Das Joint Logistic Support Group Hauptquartier (JLSG HQ) des I. DEU/NLD Korps steht bereits ab Januar 2021 in Person des Kommandeurs der LogSBw unter deutscher Führung. Darüber hinaus ist der Stab LogBtl 163 beginnend in 2021 fachlich für die Stand-By-Phase der NRF 2023 als RSOM Btl auszubilden. Zusätzlich entwickelt sich die Ausgestaltung der Zusammenarbeit als Anlehnungsnation im Rahmen des Framework Nations Concept der NATO und im Rahmen der Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union (PESCO) weiter. Schließlich gilt es die Menschen, die an dieser hervorragenden Ausbildungseinrichtung ihren Dienst leisten weiterhin bestmöglich einzubeziehen, um Fachwissen und Innovationskraft zu erhalten und weiter zu verstetigen. Die Ausbildung der Logistiker von heute und morgen wird und muss es uns wert sein.

Text und Abbildungen: Logistikkommando der Bundeswehr

Nato 2030 – Geeint in ein neues Zeitalter

Auf Initiative von Außenminister Maas hat die NATO im Dezember 2019 einen Reflexionsprozess zur Stärkung der politischen Dimension der NATO in Auftrag gegeben. Zu dessen Unterstützung ernannte NATO-Generalsekretär Stoltenberg im März 2020 ein zehnköpfiges Experten- und Beratergremium unter Vorsitz von Bundesminister a. D. Dr. Thomas de Maizière und dem ehemaligen US-Diplomaten A. Wess Mitchell. Den Abschlussbericht des Expertengremiums unter der Überschrift NATO 2030 – United For a New Era” haben die  beiden Co-Vorsitzenden nun zum Treffen der NATO-Außenminister am 1./2. Dezember 2020 übermittelt.

Nun gibt es dieses Dokument auch als Arbeitsübersetzung in deutscher Fassung.

Zum Download …

In den kommenden Monaten werden die NATO-Alliierten nun weitere Vorschläge zur Weiterentwicklung des Bündnisses für das Frühjahrstreffen der NATO-Außenminister erarbeiten, bevor der Reflexionsprozess dann beim NATO-Gipfel 2021 seinen Abschluss findet.

 

Quelle: https://www.auswaertiges-amt.de

Robotik: Rheinmetall Mission Master nimmt an Erprobungen für Kampfverbände der Zukunft der niederländischen Armee teil

Das vielseitige Rheinmetall-Robotikfahrzeug Mission Master wird an einem Concept Development&Experimentation-Programm der niederländischen Streitkräfte teilnehmen. Die Robotik & Autonome Systeme (RAS)-Einheit der niederländischen 13. Leichten Brigade führt diese mehrjährige Konzeptentwicklungs- und Versuchsphase durch, um den Weg zu einer einsatzbereiten Einheit zu ebnen. Dabei werden verschiedene innovative Konzepte getestet, um Kampfverbände der Zukunft zu formen. Diese sollen es dem niederländischen Heer ermöglichen, seine Aufgaben effektiver zu erfüllen. Die Einsatzkonzepte umfassen auch die Nutzung von autonomen unbemannten Landfahrzeugen (autonomous unmanned ground vehicles, A-UGV). Der Mission Master von Rheinmetall, ein autonom fahrendes leichtes 8×8-Fahrzeug, wurde im November 2020 übergeben.

Rheinmetall ist ein weltbekannter Hersteller moderner unbemannter Fahrzeuge mit starkem Fokus auf autonomen und modularen Systemen. Nach ersten erfolgreichen Erprobungen in den Niederlanden und Schottland nimmt der Rheinmetall Mission Master nun an dem auf zwei Jahre angelegten CD&E-Programm teil, um solche Konzepte weiterzuentwickeln, bei denen Anpassbarkeit und Autonomie Schlüsselkriterien sind. Im Zuge der Entwicklung dieser Konzepte kooperieren Rheinmetall und die RAS-Einheit mit weiteren niederländischen Unternehmen, Wissenschaftszentren und Universitäten.

Robotik verändert bereits jetzt das Gefechtsfeld der Zukunft. Mit dem Mission Master bietet Rheinmetall ein modulares unbemanntes Fahrzeug mit autonomem Fähigkeiten (A-UGV) an, welches die Kampfkraft der Truppe bei vielfältigen Aufgaben steigern kann. Mit dem Mission Master können die Soldaten künstliche Intelligenz und „Robotik-Muskeln“ für die ungeliebten 3D-Aufträge (dull, dirty, dangerous – langweilig, dreckig, gefährlich) anwenden und – noch wichtiger – ihre Aufträge im Einsatz sicher ausführen.

Der Mission Master ist einsatzbereit und kann als autonomes oder auch als teilautonomes Element der Kampfgruppe dienen. Die Mission Master-Plattform zeichnet sich durch äußerste Flexibilität aus und lässt sich durch modulare, schnell zuzurüstende Aufbauten an eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten anpassen. Hierzu gehören neben dem Nachschub weitere Anwendungen wie Verwundeten-Evakuierung, CBRN-Aufklärung, Überwachung und Feuerunterstützung (hierbei erfolgt die Zielbekämpfung im ferngesteuerten Modus durch einen menschlichen Bediener und nicht autonom). Auch der Einsatz als Fernmelde-Relais ist möglich.

Der Mission Master ist eine robuste Plattform und zeichnet sich durch eine lange Einsatzdauer sowie geräuscharmes Fahren aus. Schnelligkeit, skalierbare Autonomie und die nachgewiesene hohe Beweglichkeit in jeglichem Gelände machen den Mission Master zu einem starken und zuverlässigen Kameraden der kleinen Kampfgemeinschaft.

Die jetzt erfolgte Übergabe an die niederländischen Streitkräfte markiert den zweiten Erfolg bei einem NATO-Kunden. Im April 2020 hatten die britischen Streitkräfte vier Robotik-Fahrzeuge Rheinmetall Mission Master bestellt. Die vier Unmanned Ground Vehicles in der Version Cargo sind Teil des britischen Robotic Platoon Vehicle Programme. Mit diesem Vorhaben wollen die britischen Streitkräfte erproben, wie durch unbemannte Fahrzeuge Kampfkraft und Fähigkeiten abgesessen kämpfender Kräfte auf Zug-Ebene verbessert werden können. Die vier Mission Master – Cargo wurden im Frühjahr 2020 ausgeliefert. Zum Lieferumfang gehörten zudem zwei Krankentrage-systeme, die sich innerhalb von 60 Sekunden auf dem Cargo-Fahrzeug integrieren lassen. Weiterhin umfasst der Auftrag Ausbildungs- und Serviceleistungen sowie Ersatzteile. Die Fahrzeuge werden durch Rheinmetall Canada ausgeliefert, Rheinmetall BAE Systems Land (RBSL) übernimmt als Kooperationspartner Unterstützungsleistungen vor Ort. In den Niederlanden fungiert Rheinmetall Defence Nederland in Ede als Kooperationspartner von Rheinmetall Canada.

Quelle:

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Rheinmetall AG

Die neue Atomwaffendebatte und die NATO

Die Rückkehr der Kernwaffen in die internationale Sicherheitspolitik

Helmut W. Ganser, Brigadegeneral a. D.

Im Kalten Krieg verfügten die Atommächte über insgesamt ca. 70.000 Atomwaffen, eine nicht fassbare Vernichtungskraft. Etwa zehn Prozent davon waren auf deutschem Boden disloziert. In einem beispiellosen Abrüstungsprozess haben die Vereinigten Staaten und Russland in den 1990er Jahren ihre Atomwaffen drastisch reduziert. Trotz weitergehender Initiativen einschließlich der Vision eines „Global Zero“ verschwanden die Nuklearwaffen jedoch keineswegs aus der internationalen Sicherheitspolitik. Sie blieben weiterhin Teil der nationalen Streitkräfteplanungen der Nuklearmächte, wurden instand gehalten und modernisiert. Heute verfügen die inzwischen neun Atommächte (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Pakistan, Israel, Nordkorea) über insgesamt ca. 14.000 Atomsprengköpfe, über 90 Prozent davon befinden sich in den russischen und amerikanischen Streitkräften. Der Einsatz selbst eines kleinen Bruchteils all dieser Waffen würde nicht nur Millionen von Menschenleben vernichten und unvorstellbare Zerstörungen in den angegriffenen Regionen verursachen. Er wäre gleichzeitig mit katastrophalen ökologischen Folgen verbunden. Ein jahrelang andauernder „nuklearer Winter“ würde zum Zusammenbruch der Nahrungsmittelversorgung für die Weltbevölkerung führen.

Im Zuge der sich seit Mitte des ersten Jahrzehnts ausweitenden Entfremdung und des Vertrauensverlusts zwischen Russland und den USA bzw. der NATO kehrten die Atomwaffen Schritt für Schritt wieder ins Zentrum der strategischen Planungen zurück. Für Moskau sind die Kernwaffen ausweislich der russischen Militärdoktrin das Rückgrat der nationalen Verteidigungsstrategie. Die NATO bekennt sich seit Jahren in Erklärungen ihrer Staats- und Regierungschefs/-chefinnen zu ihrem Status einer „nuklearen Allianz“. Im Zusammenhang mit der völkerrechtswidrigen Intervention in der Ukraine 2014 und der Annexion der Krim brachte der russische Präsident Wladimir Putin seine Atomwaffen rhetorisch ins Spiel, was im Westen vielfach als nukleares Säbelrasseln verstanden wurde. Die Stationierung russischer bodengestützter Marschflugkörpersysteme des Typs 9M729, die nach westlichen Erkenntnissen aufgrund ihrer 500 Kilometer übersteigenden Reichweite gegen den Mittelstreckenvertrag (INF-Vertrag) von 1987 verstoßen, provozierte 2019 den Kollaps dieses zentralen Bausteins der internationalen Rüstungskontrolle für Europa. Im Zuge gegenseitiger Vorwürfe, das Abkommen zu verletzen, entstand der Eindruck, dass beide Mächte aus geostrategischen Erwägungen und die Interessen Europas missachtend, nicht mehr an diesem Vertragswerk interessiert sind. Die USA und Russland haben inzwischen den Abrüstungs- und Rüstungskontrollpfad verlassen und stellen die Abschreckungslogik wieder in den Mittelpunkt ihrer Sicherheitsstrategien. Falls der New-Start-Vertrag, der die strategischen Kernwaffen begrenzt, bis zum 5.2.2021 nicht verlängert wird, werden alle vertraglichen Begrenzungen der Atomwaffen der beiden Großmächte aufgehoben sein. Es droht eine Rüstungsdynamik mit potenziell negativen Folgen für die strategische Stabilität. Beide Mächte gefährden damit überdies den für die Nichtweiterverbreitung wichtigen Atomwaffensperrvertrag (NPT), der ihnen Abrüstungsschritte auferlegt hat. Offenbar liegen die größten Hürden für eine New-Start-Verlängerung in Washington.

Nuklearstrategische Rationale gestern und heute

In der nuklearstrategischen Debatte werden traditionell zwei Szenarien bzw. Denkschulen differenziert, die miteinander in Wechselwirkung stehen. Das erste Szenario ist auf die Triade der strategischen Kernwaffensysteme (Interkontinentalraketen, seegestützte Raketen und Langstreckenbomber) bezogen. Im Mittelpunkt steht das Konstrukt der strategischen Stabilität, das auf einer technologisch gesicherten Zweitschlagsfähigkeit (Mutually Assured Destruction) basiert. Strategische Stabilität ist hier nach traditioneller Auffassung dann gegeben, wenn einem potenziellen Gegner durch die Konfiguration der eigenen Systeme verwehrt wird, diese in einem Erstschlag (First Strike Capability) auszuschalten. Auf gesicherter Zweitschlagsfähigkeit (Second Strike Capability) beruht der militärische Kern strategischer Stabilität. Dieser Kern bedarf der politischen Ummantelung durch ein stabilisierendes Management der strategischen Beziehungen der Atommächte, in der kooperative Rüstungssteuerung einen zentralen Raum einnehmen sollte. Die seit Jahren gewachsene geopolitische Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und Russland untergräbt schleichend diese Stabilitätsbedingungen.

Aus meiner Sicht behält das Prinzip strategischer Stabilität unabhängig von der Größe der jeweiligen Arsenale und losgelöst davon, ob eine bipolare oder multipolare Weltsicht vorherrscht, auch im 21. Jahrhundert ihre Gültigkeit. Die Überlebensfähigkeit ihrer Kernwaffen bleibt für alle Atomwaffenstaaten, größere und kleinere, eine Conditio sine qua non. Die USA und Russland stehen indessen vor der Herausforderung, gegebenenfalls unter Einbeziehung Chinas, ein neues Verständnis von strategischer Stabilität zu entwickeln. Denn die dem Stabilitätsbegriff zugrunde liegenden Parameter sind durch Raketenabwehr, Hyperschallsysteme, U-Boot-Abwehrsysteme, Anti-Satellitenwaffen und Cyber-Angriffspotenziale auf die digitalen Führungssysteme komplexer geworden. Vor allem die Auswirkungen der technologischen Entwicklungen in der neuen Domäne Cyber- und Informationsraum auf die Nuklearstrategien und die strategische Stabilität müssen stärkere Beachtung finden. Es bedarf vertiefter Analysen, inwieweit die digitalen Command-and-Control-Systeme für Einsatz und Sicherheit der Atomwaffen durch Cyberangriffe verletzbar werden, insbesondere im Blick auf potenzielle technologische Durchbrüche? Die Überlebens- und Funktionsfähigkeit der nuklearen Abschreckung könnte dadurch infrage gestellt werden, mit gefährlichen Implikationen für die Stabilität in Krisenlagen. Überdies erscheint möglich, dass massive Cyberangriffe auf zentrale kritische Infrastrukturen eines Landes eine größere Schadenswirkung hervorrufen, als Atomwaffen mit geringeren Sprengwerten, und damit gegebenenfalls die nukleare Schwelle unterlaufen.

Das zweite Szenario ist auf einen konventionellen bewaffneten Konflikt bezogen, in dem eine Eskalation mit Atomwaffen möglich ist. Im Kalten Krieg gehörte es zur Staatsraison der Bundesrepublik, die 5.000 in Deutschland stationierten US-Kernwaffen als politische Abschreckungswaffen und keinesfalls als Gefechtsfeldwaffen zu begreifen. Die Bundesregierung legte größten Wert auf ein ungeteiltes Abschreckungskontinuum, in dem erwartet wurde, dass die USA zur Verteidigung Europas im Rahmen einer vorbedachten Eskalation glaubwürdig den Einsatz ihrer strategischen Waffensysteme androhen. Aus deutscher Sicht war es zwingend, im Fall des Versagens der Abschreckung schlimmstenfalls einen Nuklearwaffeneinsatz mit dem Ziel der schnellen Kriegsbeendigung zuzulassen, um die Selbstvernichtung des eigenen Landes durch viele Atomschläge zu verhindern. Dies widersprach indessen dem Verständnis der Kriegsplaner_innen in Washington und in der NATO, die den Einsatz taktischer Nuklearwaffen mit kurzer Reichweite auf dem überwiegend deutschen Gefechtsfeld im Rahmen der vorbedachten Eskalation planten und in NATO-Übungen simulierten. Die Stationierung zahlreicher Atomwaffenträger mit kurzen Reichweiten, über die ebenfalls die deutschen Streitkräfte verfügten, untermauerten diese Planungen. Dazu gehörten nukleare Artilleriesysteme u. a. in der Bundeswehr und bis 1965 sogar die Miniaturatomwaffe „Davy Crockett“, deren Atomsprengkopf von einer Dreibeinlafette über nur zwei bis vier Kilometer Entfernung durch amerikanische Soldat_innen verschossen werden konnte. Auf sowjetischer Seite gab es Kofferbomben, die durch Personal der Spezialkräfte getragen und zur Detonation gebracht werden konnten. Über den Verbleib dieser Atomwaffen im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion bestehen immer noch Zweifel. Die Tatsache, dass der Kalte Krieg nicht in einen heißen Konflikt umschlug, ist ein großer Glücksfall für Deutschland, denn im Fall einer nuklearen Eskalation wäre es wahrscheinlich größtenteils zerstört und unbewohnbar geworden.

Die NATO hat ihre taktischen Atomwaffen nach dem Kalten Krieg abgerüstet und verfügt in Europa im Rahmen der nuklearen Teilhabe von fünf NATO-Staaten nach Expertenhinweisen noch über ca. 150 bis 200 atomare Flugzeugbomben, die als substrategische Waffen bezeichnet werden. Dementgegen hält Russland weiterhin 1.500 bis 1.800 taktische Kernwaffen in seinem Arsenal, die teilweise in der Exklave Kaliningrad, also innerhalb des NATO-Raumes disloziert sind. Russische Expert_innen verweisen mit Blick auf diese hohe Zahl auf die insgesamt 500 französischen und britischen Nuklearsprengköpfe. Nicht wenige Expert_innen halten den heutigen Zustand der Beziehungen zwischen Russland und den USA bzw. der NATO für instabiler und gefährlicher als im Kalten Krieg. In Osteuropa stehen sich erneut militärische Kräfte Russlands und der NATO unmittelbar gegenüber, ohne dass stabilisierende Maßnahmen zur Transparenz und Vertrauensbildung vereinbart sind, die zur Verhinderung unbeabsichtigter Zusammenstöße mit Eskalationspotenzial beitragen können.

Im Folgenden soll die Schuldfrage, welche Seite für die neue Konfrontation mehr verantwortlich ist, nicht im Mittelpunkt stehen. Vielmehr geht es darum, die neue Nuklearwaffendebatte in systemischer Perspektive und mit dem Erkenntnisinteresse zu beleuchten, welcher Handlungsbedarf besteht, um Frieden und Sicherheit in Europa zu erhalten. Die Betrachtung der Lage nur von einem Interessenstandpunkt aus würde die übergreifenden Wirkungszusammenhänge ausblenden. Die Folgen eigenen Handelns müssen stets in die sicherheitspolitische Analyse und die strategische Vorausschau einbezogen werden. Nukleare Abschreckungstheorien sind Denksysteme voller Ungenauigkeiten, Ungewissheiten und manchmal Mystifikationen. Sie beruhen auf zu glaubenden, letztlich nicht belegbaren Annahmen über den Verlauf eines Atomkrieges. Niemand weiß und keiner vermag vorherzusagen, welche Dynamiken sich vor und nach dem Ersteinsatz einer Kernwaffe ergeben würden.

Dieser Beitrag konzentriert sich auf die dominierenden Atommächte Vereinigte Staaten und Russland und deren überragende Bedeutung für die europäische Sicherheit. Obwohl die Zahl chinesischer Atomsprengköpfe mit unter 300 angegeben wird, gewinnt der Faktor China in den nuklearstrategischen Überlegungen von Washington und Moskau an Bedeutung. Insbesondere die chinesischen Mittelstreckensysteme üben schon einen hemmenden Einfluss auf die Rüstungskontrolle zwischen den atomaren Großmächten aus. Vor allem die USA fordern vor dem Hintergrund der geostrategischen Rivalität beider Supermächte im indo-pazifischen Raum die Einbeziehung Chinas in Verhandlungen über Mittelstreckenwaffen. Die Atomwaffen Indiens und Pakistans haben im Zusammenhang mit der Zunahme von Spannungen zwischen beiden Regierungen im Jahr 2019 international wieder stärkere Beachtung gefunden. Ein indisch-pakistanischer Krieg mit atomarer Eskalation würde das seit Hiroshima und Nagasaki bestehende nukleare Tabu brechen und könnte überdies weitreichende globale ökologische Folgen nach sich ziehen.

Europäische Dilemmata der erweiterten Abschreckung durch den Bündnispartner Vereinigten Staaten

Die Staats- und Regierungschefs/-chefinnen der NATO haben in ihren Gipfelerklärungen von 2016 und 2018 den Charakter der NATO als nukleares Bündnis betont und differenzierter als in früheren Kommuniqués die Grundzüge ihres politischen Abschreckungs- und Verteidigungsrationals beschrieben. Sie akzentuieren darin die Rolle der strategischen und substrategischen Kernwaffen für eine glaubwürdige Abschreckung und unterstreichen die Notwendigkeit der permanenten Anpassungsfähigkeit des Bündnisses mit Blick auf die Rüstungsentwicklung potenzieller Gegner. Die Bedeutung der nuklearen Teilhabe europäischer Staaten wird hervorgehoben.

In der medialen und wissenschaftlichen Debatte über die Atomwaffen fällt seit Jahren auf, dass sich nur wenige Autor_innen mit den Rationalen und Kalkülen befassen, die den nuklearen Abschreckungsstrategien zugrunde liegen. Die Debatte ist meist auf die Waffensysteme und deren Abrüstung und Rüstungskontrolle fokussiert. Bisweilen entsteht der Eindruck, dass sich ein großer Teil der Wissenschaftler_innen und die meisten sicherheitspolitischen NGOs in Deutschland aus politisch-moralischen Gründen nicht mit dem nuklearstrategischen „Maschinenraum“ befassen. Es fällt offenbar leichter, sich auf Waffensysteme zu konzentrieren und in Abrüstungskategorien zu denken, anstatt sich sachlich mit Nuklearstrategien auseinanderzusetzen. Faktisch wird das Feld so den Strateg_innen und Planer_innen in den militärpolitischen Stäben überlassen, ohne deren Konzepte und Gedankengänge zu durchdringen und intellektuell herauszufordern. Dies war im Kalten Krieg anders. Als Beispiel seien die Wissenschaftler_innen um Carl Friedrich von Weizsäcker erwähnt, die sich z. B. mit der NATO-Strategie der „Flexible Response“ kritisch und fachkundig auseinandergesetzt haben. Viele ihrer damaligen Erkenntnisse sind heute wieder aktuell. Auch Wolf Graf von Baudissin, der erste Direktor des Instituts für Friedens- und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), hat sich in den 1980er Jahren dezidiert zur Nuklearstrategie und Rüstungskontrolle der Kernwaffen geäußert, u. a. anderem im Rahmen einer Studiengruppe der Vereinigung deutscher Wissenschaftler.

Mit der tragenderen Rolle der Atomwaffen in der aktuellen Strategie der NATO kehren längst überwunden geglaubte Dilemmata der erweiterten Abschreckung, das heißt der Ausdehnung des amerikanischen „atomaren Schutzschilds“ auf Europa wieder zurück. Im Mittelpunkt jeder Abschreckungsstrategie steht die Frage nach deren Glaubwürdigkeit. Eine zentrale Überlegung ist, dass ein Spektrum an nuklearen Optionen und Einsatzmitteln erforderlich ist, um diese Glaubwürdigkeit zu untermauern. Damit verbunden ist das Rational, dass der erweiterte Atomschirm der USA für Europa weniger verlässlich sei, wenn dazu nur die amerikanischen strategischen Nuklearwaffen zur Verfügung stünden. Erst die Androhung des Einsatzes von US-Atomwaffen, die vom europäischen Boden aus und insbesondere durch Streitkräfte europäischer Bündnispartner eingesetzt werden können, stelle eine glaubwürdige Abschreckung her. Dieses Argument gründet auf der meist unausgesprochenen Annahme, dass die USA aus ureigenem nationalen Interesse versuchen würden, eine unvermeidbare nukleare Eskalation zwischen der NATO und Russland möglichst auf den europäischen Raum zu begrenzen und das eigene Territorium als Sanktuarium anzusehen und nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. Carl Friedrich von Weizsäcker hat diesen grundsätzlichen Sachverhalt wie folgt auf den Punkt gebracht: „Amerika wird zur Rettung Europas nicht die Selbstvernichtung riskieren.“ Es ist anzunehmen, dass jede_r amerikanische Präsident_in vermeiden will, in einem Krieg in Europa Nuklearwaffen einzusetzen. Sollte die nukleare Schwelle aber dennoch überschritten werden, dürften die USA, wie im Übrigen ebenso Russland, bemüht sein, ihr eigenes Territorium aus einer nuklearen Eskalation herauszuhalten. Die Glaubwürdigkeit der erweiterten Abschreckung beruht daher letztendlich auf dem unkalkulierbaren Risiko für einen Gegner, nicht hinreichend sicher einschätzen zu können, wie der oder die amerikanische Präsident_in und die NATO in einer nuklearen Krise reagieren würden.

Vor diesem Hintergrund sind die Parameter der aktuellen Modernisierung und Weiterentwicklung der Atomwaffentechnologie zu betrachten. Sie ist auf amerikanischer Seite durch weiter erhöhte Zielgenauigkeit der Trägersysteme und die Low-Yield-Modernisierung, das heißt durch neue Atomsprengköpfe mit kleinen Sprengwerten charakterisiert. Die neue B 61-12 Wasserstoffbombe, mit der auch die Dual-Capable-Flugzeuge der europäischen NATO-Staaten im Rahmen der nuklearen Teilhabe ausgerüstet werden, verfügt nach Medieninformationen über einstellbare Sprengwerte im Bereich unter einer Kilotonne. Die US-Streitkräfte verfügen nach der Einführung hochwirksamer konventioneller Sprengköpfe (Prompt Global Strike) auf strategischen Trägersystemen neuerdings auch über nukleare Gefechtsköpfe mit relativ geringer Sprengkraft auf seegestützten ballistischen Raketen. Diese Technologie basiert offensichtlich auf der Absicht, flexiblere Einsatzoptionen zu schaffen, das heißt die Systeme handhabbarer bzw. einsetzbarer zu machen, indem die Schadenswirkung einer Nuklearexplosion begrenzt wird. Auf amerikanischer Regierungsseite wird argumentiert, dass die Abschreckung dadurch gestärkt werde, insbesondere im Hinblick auf die Verbreiterung des Reaktionsspektrums gegen neue auf Europa zielende russische Mittelstreckensysteme. Diese Argumentation gründet auf nicht seriös begründbaren Annahmen und Vermutungen. Denn niemand kann realistisch einschätzen, was zwischen den Atommächten vor und nach dem Ersteinsatz einer Nuklearwaffe passieren wird. Eine unweigerliche Folge der neuen Low-Yield-Atomwaffen dürfte die Senkung der nuklearen Schwelle sein. Die selbst abschreckende bzw. selbst disziplinierende größere Schadenswirkung soll offenbar auf diese Weise verringert werden. Dies könnte sich beim Versagen der Abschreckung für die betroffenen Länder am Ende als verhängnisvoll erweisen. Denn nach dem Ersteinsatz von Atomwaffen mit kleineren Sprengwerten besteht die reale Gefahr, dass eine Spirale von Schlägen und Gegenschlägen mit am Ende größten Verwüstungen entsteht. Vor diesem Hintergrund muss über politische Konsultationen in der NATO verhindert werden, dass die Fahrlässigkeit, mit der im Kalten Krieg in Ost und West rhetorisch und planerisch mit Atomwaffen umgegangen wurde, tendenziell in das aktuelle strategische Denken zurückkehrt.

In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, dass Russland den atomaren Rüstungswettlauf ebenfalls anheizt und damit zur strategischen Instabilität beiträgt. Die Entwicklung und Indienststellung neuer Hyperschallatomwaffen (Luft-Boden-Rakete „Kinchal“ und Gleitflugkörper „Awangard“) verschärft die ohnehin bestehende nuklearstrategische Asymmetrie in Europa. Auch wenn diese Systeme vermutlich u. a. als Gegenrüstung zur amerikanischen Raketenabwehr konzipiert wurden, provoziert Moskau dadurch intensiver werdende Debatten in der NATO über Abschreckungslücken und Nachrüstungsforderungen.

Wege aus dem nuklearstrategischen Dilemma Europas

Zahlreiche Aussagen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump haben in NATO-Staaten eine Debatte darüber ausgelöst, ob die erweiterte Abschreckung in der NATO weiterhin glaubwürdig bzw. verlässlich sei. Meiner Ansicht nach lenkt diese oft geäußerte Perzeption von dem tatsächlichen operativen Geschehen in der amerikanischen Rüstungsplanung ab. Die oben skizzierten technologischen und nuklearstrategischen Trends führen eher zu der Frage, ob die US-Administration die erweiterte Abschreckung nicht dennoch stärken will, dies aber im Sinne der Führbarkeit eines auf Europa oder Asien begrenzten Atomkriegs versteht. Das liefe dem Interesse der europäischen NATO-Staaten an der Rolle der Atomwaffen als politische Waffen in einem ungeteilten Abschreckungskontinuum und an einer hohen Schwelle für deren Einsatz zuwider.

In der sich intensivierenden deutschen Debatte über künftige Wege der Abschreckung sind vor allem zwei Strömungen erkennbar. Eine Denkrichtung, die wachsenden Zulauf u. a. im linken deutschen Parteienspektrum und den Kirchen erhält, fordert, dass Deutschland dem Atomwaffenverbotsvertrag beitritt und folglich aus der nuklearen Teilhabe aussteigt. Die entgegengesetzte Denkrichtung setzt auf eine die NATO-Abschreckung ergänzende oder ersetzende erweiterte Abschreckung auf Basis des französischen Nuklearpotenzials. Beide Strömungen fußen, ähnlich wie in den politischen Auseinandersetzungen um Frieden und Sicherheit im Kalten Krieg, auf völlig unterschiedlichen Voreinstellungen, die in den aktuellen Debatten oft ausgeklammert werden. Mehr oder weniger pazifistisch geprägten Grundauffassungen, wie z. B. dem Konstrukt der „Friedensmacht“ und der Ablehnung machtpolitischen Denkens, stehen Positionen entgegen, die die deutsche und europäische Sicherheit gegen atomare Bedrohungen von außen auch mit Kernwaffen abzusichern bereit sind. Dabei unterscheiden sich die Geister in der Einschätzung des russischen konventionellen und atomaren Militärpotenzials, vor allen Dingen der hohen Zahl an Atomwaffen kürzerer Reichweite, u. a. in Kaliningrad. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, welche strategische Funktion diese Waffen für Moskau gegenüber Europa haben und inwieweit es realistisch oder unrealistisch erscheint, dass Russland seine Atomwaffen in Krisensituationen zur politischen Erpressung nutzen würde. Diese Frage darf im Sinne intellektueller Redlichkeit nicht ausgeklammert, sondern muss beantwortet werden.

Der Atomwaffenverbotsvertrag, deren Protagonisten eine politisch-moralische Diskreditierung der Kernwaffen anstreben, wurde bisher von über 120 Staaten, weit überwiegend von Regierungen des globalen Südens, unterzeichnet. Die Atommächte und die NATO-Staaten sind dem Vertragswerk erwartungsgemäß nicht beigetreten. Als politische Mahnung an die Atommächte, ihren Abrüstungsverpflichtungen nachzukommen, erscheint diese Initiative durchaus sinnvoll. Denn die Nuklearmächte gefährden durch ihre Abkehr vom Abrüstungspfad den äußerst wichtigen Atomwaffensperrvertrag (NPT), in dem sie einst versprochen hatten, den nuklearen Abrüstungsprozess weiterzuführen. Der Atomwaffenverbotsvertrag erinnert außerdem daran, dass die Reduzierung der derzeit ca. 14.000 Atomwaffen in der Welt angesichts der unvorstellbar grausamen humanitären und ökologischen Folgen eines Atomwaffeneinsatzes auf der politischen Agenda bleiben muss. Als Mittel zur konkreten Stärkung von Frieden und Sicherheit ist das Vertragswerk allerdings untauglich und höchstwahrscheinlich sogar kontraproduktiv. Atomwaffenstaaten lassen sich durch einen Verbotsvertrag nicht beeindrucken. Substanzielle asymmetrische Abrüstungsschritte dürften in einer Welt der machtpolitischen Gegensätze und Krisen mit erheblichen politischen Instabilitäten und Friedensgefährdungen verbunden sein. Nur balancierte Schritte der Abrüstung und Rüstungskontrolle, wie beispielsweise im Rahmen von New Start oder ganz neuen Rüstungskontrollinitiativen, können Wege entstehen lassen, die von Atomwaffen wegführen.

Inzwischen wird angesichts von Zweifeln an der Zuverlässigkeit des amerikanischen Schutzschirms in Deutschland die Möglichkeit einer erweiterten Abschreckung durch die Atommacht Frankreich diskutiert. Die Einladung von Präsident Emmanuel Macron zu einem Dialog über atomare Abschreckung an die Europäer_innen hat diese Denkrichtung beflügelt. Zwei Aspekte erscheinen dabei bedenkenswert. Erstens bedarf es der Klärung, welche Zielvorstellungen Präsident Macron hier bewegen und ob Frankreich jemals bereit wäre, seine Autonomie über die Verfügbarkeit der Kernwaffen aufzugeben bzw. zu teilen. Dies wäre überdies ein entscheidender Punkt bei der bereits diskutierten Frage einer deutschen oder europäischen Mitfinanzierung der französischen Nuklearstreitmacht. Zweitens bedarf es einer realistischen Bewertung, ob die Nuklearstreitkräfte Frankreichs in ihrer Zahl und Konfiguration trotz der insgesamt ca. 300 Atomsprengköpfe eine hinreichende Überlebensfähigkeit besitzen. Dies kann unter der Annahme von maximal zwei permanent im Einsatz befindlichen strategischen U-Booten, dem Rückgrat der französischen nuklearen Abschreckung, sowie einigen nuklearfähigen Bombern mit begrenzter Reichweite und Eindringfähigkeit durchaus bezweifelt werden. Überdies würden die oben skizzierten prinzipiellen Probleme der erweiterten Abschreckung eines Staates für andere im Grunde bestehen bleiben. Würde der französische Präsident z. B. in seinem nationalen Abschreckungsrational für die Verteidigung Hamburgs die Vernichtung von Marseille riskieren?

Aus all dem resultiert, dass es für NATO-Europa auf absehbare Zeit keine realistische Alternative zur erweiterten Abschreckung durch die Vereinigten Staaten gibt. Es sei denn, die Debatte würde sich in Richtung auf eine primär seegestützte multinationale europäische Abschreckungsmacht weniger EU-Staaten, gegebenenfalls im Sinne der strukturierten Zusammenarbeit und auf Basis der französischen Nukleartechnologie entwickeln – durchaus ergänzend zur erweiterten Abschreckung durch die USA im NATO-Rahmen und damit die Kalküle jedes potenziellen, nuklear gerüsteten Gegners komplizierend. Derartige Visionen verweilen einstweilen hinter den bestehenden politischen Horizont, erscheinen aber zumindest theoretisch diskussionswürdig.

Insgesamt bleibt den europäischen Regierungen angesichts der offensiven russischen Rüstungspolitik mit weiterhin mehreren Tausend auf Europa gerichteten Atomwaffen kurz- und mittelfristig nur die Wahl, auf den amerikanischen Atomschirm zu setzen und weit stärker als bisher auf deren Ausrichtung Einfluss zu nehmen. Atomarem „Gefechtsführungsdenken“ und der Regionalisierung des Einsatzes von Nuklearwaffen muss dabei auf bilateraler Ebene und im Rahmen der Nuklearen Planungsgruppe (NPG) der NATO Einhalt geboten werden. Die nukleare Teilhabe der fünf europäischen NATO-Staaten mit Kampfflugzeugen (Dual Capable Aircraft) ist für diese Einflussnahme auf die US-Regierung unverzichtbar, weil sie die für die USA fundamentale und nachvollziehbare transatlantische Risikoteilung untermauert und den teilhabenden Partnern ein gewisses Maß an Transparenz, auch über die NPG hinaus, ermöglicht. Ein Ausstieg aus der nuklearen Teilhabe würde das Risiko für Deutschland vergrößern, weil die Einflussnahme in der NATO und auf deren Nuklearstrategie geschwächt würde. Wer dies dennoch fordert, sollte über politisch-moralische Begründungen hinaus erklären, wie er oder sie auf andere Weise dem massiven, auf Europa gerichteten Nuklearpotenzial Russlands zu begegnen bereit ist. Hinweise auf Diplomatie und Dialog reichen dazu bei Weitem nicht aus. Es gibt keinen glatten Ausweg aus dem nuklearen Problem. Es geht um verantwortungsvolles politisches Handeln in einer potenziell existenziellen Dilemmasituation. Die Nachfolgeentscheidung für die als Atomwaffenträger vorgesehenen veralteten Tornado-Kampfjets der deutschen Luftwaffe ist seit Jahren überfällig. Die Optionen dafür liegen lange auf dem Tisch. Etwaige Hintergedanken in dem einen oder anderen politischen Lager, den Ausstieg aus der deutschen nuklearen Teilhabe indirekt über die technisch notwendige Ausmusterung der Tornado-Kampfflugzeuge zu erzwingen, wären unseriös.

Darüber hinaus bedarf es dringend neuer Initiativen für eine Rüstungskontrolle der substrategischen Waffen in Europa, um das weitere Abrutschen in strategische Instabilität zu vermeiden. Der aktuelle Zusammenbruch der nuklearen Rüstungskontrolle darf nicht zu einer Art unberechenbarer Anarchie in den strategischen Beziehungen führen. Neue Initiativen sollten von den Europäer_innen ausgehen, weil es in ihrem herausragenden Interesse liegt, Kernwaffen ausbalanciert zu reduzieren. Als Lichtblick erscheint, dass Delegationen aus den USA und Russland über die Implikationen der technologischen Entwicklungen für die strategische Stabilität sprechen, und dass China dabei gegebenenfalls einbezogen werden könnte. Eine solche trilaterale Rüstungskontrolle ist aufgrund der erheblichen Asymmetrien äußerst schwierig. Wissenschaftler_innen und Praktiker_innen, die dies fordern, sollten Ideen und Vorschläge entwickeln, wie trilaterale Wege zu mehr Stabilität konkret beschritten werden können. Es bleibt zu hoffen, dass bilaterale und gegebenenfalls trilaterale Konsultationen zu einem gemeinsamen Verständnis von strategischer Stabilität und zu vereinbarten Prinzipien und Verhaltensregeln führen, um Frieden und Sicherheit zu erhalten. Amerikanisch-sowjetische Abkommen aus den frühen 1970er Jahren, wie z. B. das „Abkommen über die Verhinderung eines Nuklearkrieges“ von 1973, könnten dabei Pate stehen bzw. als Muster für eine Rückbesinnung auf das gemeinsame existenzielle Interesse an kooperativer Sicherheit gelten. Eine politisch bindende Vereinbarung zwischen Russland und der NATO zu einem vertrauensbildenden „No First Use“ von Atomwaffen könnte unter Umständen als erster Schritt im NATO-Russland-Rat abgestimmt und beschlossen werden. Dieser Vorschlag bleibt allerdings so lange unrealistisch, wie es nicht gelingt, eine politische Entspannung im Verhältnis USA/NATO und Russland herbeizuführen und sich trotz substanzieller Gegensätze auf gemeinsame Interessen zu besinnen. Das gegenseitige Vertrauen ist schnell verspielt worden. Vertrauen wieder aufzubauen ist ein langwieriges Unterfangen. Die Zeit aber drängt.

Autor: Helmut W. Ganser, Brigadegeneral a.D. und Berater zu Themen multilateraler Sicherheitspolitik

Bilder:
Flagge: Wikipedia
Portrait: IPG Journal

Aktuelle Herausforderungen der NATO

Das FES-Landesbüro NRW lädt am 03. September herzlich zum nächsten Sicherheitspolitischen Forum NRW nach Bonn ein.

Die sicherheitspolitische Lage in und um Europa hat sich durch Krisen in der Nachbarschaft, durch die terroristische Bedrohung aber auch in Folge technologischer Entwicklungen der Cyberkriegsführung und der Klimakrise verschärft. Dabei sind zunehmend sicherheitspolitische Herausforderungen innerhalb Europas präsent, während ebenso Instabilitäten in einzelnen afrikanischen Staaten, im Nahen Osten, und in Teilregionen Asiens das globale Sicherheitsgefüge schwächen.
Seit 70 Jahren ist die NATO ein Garant für internationale und nationale Sicherheit. Als politische und militärische Allianz bietet sie den Rahmen für Kooperation zwischen den USA, Kanada und Europa und bindet die Türkei als wichtigen strategischen Partner in die Sicherheitspolitik ein. Doch das Bündnis steht aktuell vor großen externen und internen Herausforderungen. Nach der Annexion der Krim durch Russland und durch die russische Intervention in der Ostukraine hat sich das Verhältnis der NATO zu Russland verschlechtert. Als Folge rückte in der NATO die Bündnisverteidigung nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedsstaaten 2014 in Wales wieder in den Mittelpunkt der Agenda. In außenpolitischen Fragen vertreten die USA und viele der europäischen Staaten zunehmend konträre Positionen. Als 45. Präsident der USA stellte Donald Trump die NATO sogar grundsätzlich in Frage und befeuerte wiederholt die Debatte über die aus seiner Sicht unzureichenden Verteidigungsausgaben einzelner Mitgliedsstaaten.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen fragen wir im Rahmen des Sicherheitspolitischen Forums NRW im Dialog von Politik, Bundeswehr und Wissenschaft:

  • Wie bewertet der für die Verteidigungsplanung Nordeuropas, aber auch für den Einsatz der Nato in Afghanistan und im Baltikum, zuständige Nato-Kommandeur aus operativer Sicht die aktuelle Lage des Militärbündnisses?
  • Wie wirken sich aus politischer Perspektive die Auseinandersetzungen zwischen den USA und Europa auf die Stabilität der NATO aus und welche Erwartungen dürfen an die zukünftige Entwicklung des Verteidigungsbündnisses gerichtet werden?
  • Welche militärischen Krisenherde sind die größten Herausforderungen für die NATO?

 

Vorläufiges Programm:
17.30 Uhr Begrüßung
FES-Landesbüro NRW

17.40 Uhr Impulsvorträge
Erhard Bühler, General ,Commander Allied Joint Force Command, Brunssum

Wolfgang Hellmich MdB, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des deutschen Bundestags
Dr. Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Politik (angefragt)

18.45 Uhr Anschließende Podiumsdiskussion
Moderation: Hans-Joachim Schaprian, Oberst a.D.

19.45 Uhr Veranstaltungsausklang bei abschließendem Imbiss

Wir laden herzlich ein, diese und Ihre Fragen gemeinsam mit unseren Podiumsgästen zu diskutieren!

Wir bitten Interessierte um Anmeldung über diesen Link

 

Quelle:

Arne Cremer
Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung