Die Troika im Rahmen der Übung Citadel Bonus 2023. Links Generalmajor Georg Klein, Mitte Generalleutnant Emmanuel Gaulin, rechts Generalmajor Jean Bouillaud - Blauer Bund

Die Beteiligung des Heeres am Rapid Reaction Corps France

Die „Zeitenwende“ findet auch bei unserem größten Nachbarn statt, die französischen Landstreitkräfte werden konsequent auf ihre Aufgaben im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet. Hieran hat auch das Deutsche Heer unmittelbaren Anteil – einige deutsche Offiziere besetzen Schlüsselpositionen im Rapid Reaction Corps France in LILLE.

Nebel liegt über dem Antreteplatz der Zitadelle - Blauer Bund
Nebel liegt über dem Antreteplatz der Zitadelle © Simon Baaske

Das Rapid Reaction Corps France (RRC-FRA) ist, ebenso wie das französische Heeresführungskommando (C.F.O.T.), im äußersten Norden des Landes, unweit der belgischen Grenze beheimatet. Die Indienststellung in 2005 erfolgte zwar um einige Jahre später als die vergleichbarer Korpsstäbe in anderen europäischen Staaten, ging aber der französischen Rückkehr in die integrierte Kommandostruktur der NATO noch um vier Jahre voraus. Nicht nur in zeitlicher Hinsicht fungiert das RRC-FRA somit und bis heute als Bindeglied zwischen der NATO und den französischen Streitkräften: Es ist die höchste verlegefähige Kommandobehörde der französischen Armee, in dieser Rolle federführend in der Beübung der beiden Heeresdivisionen sowie maßgeblich beteiligt an der Umstrukturierung der französischen Landstreitkräfte hin zu einer „Armee der fünften Dimension“ und „Start-Up Army“, wie es der französische Inspekteur des Heeres, General Pierre Schill, im Dezember 2023 betonte. Zugleich reiht es sich ein in die NATO-Streitkräftestruktur (kurz: NFS, engl. NATO Force Structure) als einer von insgesamt zehn verlegefähigen Korps-Stäben, die generisch neuerdings als „NATO Response Corps (NRC)“ bezeichnet werden. Die nun knapp zwanzigjährige Geschichte des Korps ist gekennzeichnet von der Bewährung in häufig wechselnden Rollen. So erfolgte zunächst die Zertifizierung zur High Readiness Force 2007, sodann zum Land Component Command (LCC) der NATO Response Force 2008, 2014 und 2022 – jeweils gefolgt von Phasen erhöhter Bereitschaft; ferner die Entsendung von Personal zu Stabilisierungsoperationen nach Afghanistan (ISAF/RSM) und als European Forces in den Tschad sowie die Zentralafrikanische Republik. Darüber hinaus werden seit 2015 kontinuierlich aus dem Stab heraus Kräfte zu den inländischen Antiterror-Operationen „Vigipirate“ bzw. „Sentinelle“ abgestellt. Im März 2024 wurde die Zertifizierung als NATO Warfighting Corps im Zuge der Übung LOYAL LEDA 24 abgeschlossen. Das Korps ist befähigt, bis zu fünf Divisionen und Korpstruppen, insgesamt rund 100.000 Soldaten, in einem Konflikt mit hoher Intensität zu führen. In die aktuellen Verteidigungsplanungen der NATO ist das RRC-FRA eng eingebunden. Es ist zu erwarten, dass die Rolle des Korps anlässlich des Washingtoner Jubiläumsgipfels der Allianz im Juli 2024 bestätigt werden wird. Bis auf weiteres soll es sodann bei dieser zugewiesenen Rolle bleiben, die erforderlichen Fähigkeiten werden durch geeignete Ausbildungs- und Übungsprogramme auch über Personalwechsel hinweg aufrechterhalten.

Die Troika im Rahmen der Übung Citadel Bonus 2023. Links Generalmajor Georg Klein, Mitte Generalleutnant Emmanuel Gaulin, rechts Generalmajor Jean Bouillaud - Blauer Bund
Die Troika im Rahmen der Übung Citadel Bonus 2023. Links Generalmajor Georg Klein, Mitte Generalleutnant Emmanuel Gaulin, rechts Generalmajor Jean Bouillaud
© CRR-FR / Amaury Duthoy

Die insgesamt rund 430 Soldaten stammen aus 14 Nationen, mit Frankreich als Gastgeber- und einziger Rahmennation. Die Nachbarländer Deutschland und Belgien stellen die nächstgrößeren Kontingente und besetzen Schlüsselpositionen. So ist der Stellvertreter des Kommandierenden Generals (Deputy Commander, DCOM) seit 2005 durchgehend ein deutscher Generalmajor, zudem dienen deutsche Offiziere in den Abteilungen G7 und G5 an besonders hervorgehobener Stelle. In den Abteilungen G2, G35, G4, G6 und Feuerunterstützung (JFIT) nehmen weitere deutsche Offiziere maßgeblichen Einfluss vor allem auf die Planungsarbeit. Insgesamt dienen beim RRC-FRA 14 deutsche Heeressoldaten, davon zwei in einem nationalen Unterstützunsgelement. Die vereinbarte Arbeitssprache ist Englisch, die Stabsverfahren orientieren sich an den Vorgaben der NATO – soweit jedenfalls die Theorie. Tatsächlich kann jedoch mit Blick auf die nationalen Anteile des Aufgabenspektrums weder in Gänze auf die Nutzung der französischen Sprache verzichtet werden noch auf die Kenntnis und fallweise Anwendung der nationalen Militärdoktrin. Diese teils widerstreitenden Belange immer wieder in einen sinnfälligen Ausgleich zu bringen, macht u.a. für das entsandte deutsche Personal die Herausforderung, nicht zuletzt aber auch den Reiz einer Verwendung beim RRC-FRA aus.

Der DACOS G5 trägt im Rahmen einer Planübung in Vorbereitung für die Übung Loyal Leda 24 zum Operationsplan vor. - Blauer Bund
Der DACOS G5 trägt im Rahmen einer Planübung in Vorbereitung für die Übung Loyal Leda 24 zum Operationsplan vor. © CRR-FR / ADC EMMANUEL

Die Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung als Raison d’être des Militärs wurde besonders deutlich im Zuge der letztjährigen, vierteiligen Übungsserie ORION 23 demonstriert. Unter Beteiligung zahlreicher NATO-Partner, darüber hinaus aber auch beispielsweise indischer Truppenteile, wurde über Monate hinweg die Intensivierung konventioneller wie auch hybrider Bedrohungen geschildert, denen durch abgestufte, sich ebenfalls steigernde Gegenmaßnahmen letztlich erfolgreich begegnet wurde. Nicht zuletzt durch die enthaltenen Volltruppenanteile handelte es sich bei ORION 23 um ein Übungsvorhaben, das in Frankreich, aber auch in weiteren Teilen Europas ohne Beispiel seit 1987 war, also seit der Spätphase des Kalten Krieges. Das Rapid Reaction Corps France spielte eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung und ebenfalls in der Durchführungsphase – mit Teilen im Leitungsdienst, aber auch als Teil der Übungstruppe. Das erfolgreiche Großprojekt soll in 2026 eine Wiederholung erfahren, und erneut ist RRC-FRA im vorgenannten Umfang beauftragt worden. Bis dahin liegen die Arbeits- und Übungsbeziehungen zwischen RRC-FRA und den Truppenteilen und Dienststellen des französischen Heeres jedoch keineswegs brach. Vielmehr wird der Übungskalender mit Blick v.a. auf die beiden Heeresdivisionen deutlich verdichtet. Für diese beiden Großverbände ist ein alternierender Rollenwechsel im Rhythmus von jeweils drei Jahren vorgesehen, zwischen dem Verantwortungsbereich „Europa“ und „übrige Welt“. Ersteres zielt v.a. auf den Beitrag Frankreichs zur atlantischen Allianz, letzteres vorrangig auf überseeische französische Territorien sowie die Region Afrika / Naher Osten. Hierdurch ergeben sich für die Soldaten des Deutschen Anteils einmalige Einblicke sowohl hinsichtlich der französischen Positionierung und Mitwirkung im Bündnis wie auch bezüglich der nationalen Interessenverfolgung in aller Welt.

Das mächtige Haupttor, die Porte Royal mit dem Namen der Liegenschaft: Quartier Boufflers, benannt nach Marschall Louis-François de Boufflers (1644-1711), einstigem Kommandeur der Stadt Lille und der Zitadelle - Blauer Bund
Das mächtige Haupttor, die Porte Royal mit dem Namen der Liegenschaft: Quartier Boufflers, benannt nach Marschall Louis-François de Boufflers (1644-1711), einstigem Kommandeur der Stadt Lille und der Zitadelle © Simon Baaske

Abschließend noch einmal ein Blick auf LILLE, die Heimat des RRC-FRA. Die Stadt, Herzstück des viertgrößten französischen Ballungsraumes und zugleich auch einer grenzüberschreitenden europäischen Metropolregion, hat den Soldaten und deren Familien viel zu bieten. Viel Grün, zahlreiche Gewässer, sehenswerte historische Bausubstanz und ein ausgefeiltes Nahverkehrssystem, zudem meist kurze Wege – viel mehr kann man von seiner Garnison kaum erwarten. Sollte man dennoch einmal auf Reisen gehen wollen oder müssen, so profitiert man vor allem von der exzellenten Anbindung auf dem Schienenweg: Eine Stunde Fahrzeit nach Paris, eine halbe nach Brüssel oder ca. 80 Minuten nach London – auch in dieser Hinsicht wird man es schwerlich besser treffen können. Ein weiteres Highlight dieser Attraktivitätsfaktoren stellt das von RRC-FRA genutzte Stabsquartier dar – die in unmittelbarer Innenstadtnähe gelegene Zitadelle von LILLE. Zwischen 1668 und 1671 wurde sie nach den Plänen des Marschalls Sébastien Le Prestre de Vauban gebaut, eben jenes Großmeisters der Ingenieurskunst, der für den Bau und die Modernisierung von über 100 weiteren Festungen und Verteidigungsanlagen verantwortlich war. Ludwig XIV. hatte den Bau dieses gewaltigen Verteidigungsrings an den damals neuen Grenzen Frankreichs veranlasst, nachdem er diese Gebiete im Frieden von Aachen zulasten der spanischen Niederlande zugesprochen bekommen hatte. Ungeachtet aller zwischenzeitlichen historischen Wechselfälle hat diese Grenzziehung bis heute im Wesentlichen Bestand.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Dienst im RRC-FRA von den Soldaten des Deutschen Anteils als gleichermaßen sinnstiftend wie attraktiv empfunden wird. LILLE ist nicht nur eine Reise wert – wer darüber hinaus als geeignet für eine hiesige Verwendung identifiziert wird und eine solche angeboten bekommt, sollte zugreifen!

Text: Hauptmann Simon Baaske 

Podiumsgespräch des CSU-Europaminister Eric Beißwenger (rechts) mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke. - Blauer Bund

Informationsveranstaltung mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke

Am 22.05.2024 hatte die Kameradschaft Ulm/Dornstadt die Gelegenheit in der Betreuungsgesellschaft in Sonthofen auf Einladung des CSU-Europaministers Beißwenger und des Arbeitskreises für Sicherheitspolitik der CSU an einer Informationsveranstaltung mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke teilzunehmen. Er erläuterte in dieser Veranstaltung zunächst in einem kurzen Impulsvortrag und später in einem Podiumsgespräch mit CSU-Europaminister Beißwenger seine Sicht zu den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und der Rolle der Europäischen Union in diesem Spannungsfeld.

Der Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke informiert zu seine Sicht zu den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und der Rolle der Europäischen Union in diesem Spannungsfeld. - Blauer Bund
Der Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke informiert zu seine Sicht zu den aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und der Rolle der Europäischen Union in diesem Spannungsfeld.

Die sicherheitspolitische Lage in der Welt und insbesondere in der Ukraine und im Gazastreifen spitzt sich weiter zu. Putin droht dem Westen ganz offen auch mit atomaren Waffen und zündelt mit Nadelstichen, wo er nur kann.
Die ordnungspolitische Achsenverschiebung durch autoritäre revisionistische Mächte in der internationalen Politik stellt die größte Herausforderung für den Westen in der 1. Hälfte des 21. Jahrhunderts dar. Es kriselt an vielen Stellen in der Welt. Weitere Kriege würden unser Leben in Wohlstand endgültig beenden.
Die Europäische Union ist derzeit und auch noch für längere Zeit nicht in der Lage, sich aus eigener Kraft gegen jede Art von Angriffen oder Sicherheitsrisiken zu verteidigen. Da muss sich was verändern.
Bei der Lösung der aktuellen Herausforderungen spielt die EU trotz 440 Millonen Einwohner und hoher Wirtschaftskraft eher eine Nebenrolle und wird in der Welt kaum beachtet oder positiv wahrgenommen. Die Länder des globalen Südens verurteilen die Doppelmoral des Westens, vor allem der ehemaligen Kolonialmächte und sind anfällig für die auf den ersten Blick positiven Angebote und Hilfen Chinas oder Russlands. Der Westen verspielt durch sein wankelndes, manchmal fragwürdiges, aktives oder passives Verhalten in den Organisationen der Vereinten Nationen seine Glaubwürdigkeit. Dies trägt nicht zum Erhalt unserer regelbasierten Weltordnung bei.

Podiumsgespräch des CSU-Europaminister Eric Beißwenger (rechts) mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke. - Blauer Bund
Podiumsgespräch des CSU-Europaminister Eric Beißwenger (rechts) mit dem Geschäftsführer der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Benedikt Franke (links).

Der Westen und damit auch die EU wäre gut beraten, sein eigenes Gesellschaftsmodell besser zu kommunizieren und für unsere Werte, Lebensweisen und Stärken des demokratischen Zusammenlebens sowie der daraus entwickelten Wirtschaftkraft zu werben und zu überzeugen. Dies funktioniert am sinnvollsten über Netzwerke, Ausbildungsangebote und Gespräche auf Augenhöhe. Wir müssen uns als Partner erweisen und Gemeinschaft schmieden.

Die Gäste kamen in der Betreuungsgesellschaft in Sonthofen zur Informationsveranstaltung zusammen. - Blauer Bund
Die Gäste kamen in der Betreuungsgesellschaft in Sonthofen zur Informationsveranstaltung zusammen.

Damit schließt sich der Kreis zu unserem Netzwerk des blauen Bund e.V. und soll Ermunterung sein, für die Teilnahme an weiteren interessanten Veranstaltungen und die Teihabe an der Gestaltung unserer Welt. Überlassen wir das nicht den anderen!

Text und Bilder: Oberstlt a.D. Andreas Lempke

Minister Pistorius während seiner Rede zur Kiellegung der ersten F126 - Blauer Bund

Kiellegung der ersten Fregatte der Klasse 126 für die Deutsche Marine

Nur wenige Monate nach dem Baubeginn des größten Schiffbauprojektes in der Geschichte der Deutschen Marine fand am 03. Juni 2024 – im Beisein von Verteidigungsminister Boris Pistorius, der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, und dem Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, Stephan Weil – die feierliche Kiellegung der ersten von vier beauftragten Fregatten der Klasse 126 (F126) statt.

Im Rahmen der traditionellen Kiellegung nagelt Verteidigungsminister Pistorius, neben den weiteren Ehrengästen, eine Münze auf ein Holzbrett - Blauer Bund
Im Rahmen der traditionellen Kiellegung nagelt Verteidigungsminister Pistorius, neben den weiteren Ehrengästen, eine Münze auf ein Holzbrett

„Vor etwa einem halben Jahr hat an diesem Ort der Eintritt in die Bauphase des größten Schiffprojekts der Bundeswehr begonnen. Mit der heutigen Kiellegung feiern wir nicht nur symbolisch einen Meilenstein auf dem Weg zu unserer neuen Fregattenklasse“, sagte Minister Pistorius im Rahmen der feierlichen Zeremonie.

Die Fregatte 126 sei ein einzigartiges Schiff mit herausragenden technologischen Fähigkeiten. Sie stehe für ihn für drei Dinge: Für die Zeitenwende, für Deutschlands Einsatz für die internationale Ordnung und sie stehe für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit, so Pistorius weiter.

Minister Pistorius während seiner Rede zur Kiellegung der ersten F126 - Blauer Bund
Minister Pistorius während seiner Rede zur Kiellegung der ersten F126

Die sogenannte Kiellegung stellt einen traditionellen Meilenstein in der Schifffahrt dar. Minister Pistorius nagelte, neben den weiteren Ehrengästen, hierbei selber eine Münze auf ein Holzbrett, welches anschließend durch die Schiffbauer auf die „Pallung“ – einen Bereich am Kielblockträger – der künftigen Fregatte „Niedersachsen“ geschlagen wurde.

Zwei Schiffbauer bringen die genagelten Münzen an der „Pallung“ - einem Bereich am Kielblockträger - der künftigen Fregatte „Niedersachsen“ an - Blauer Bund
Zwei Schiffbauer bringen die genagelten Münzen an der „Pallung“ – einem Bereich am Kielblockträger – der künftigen Fregatte „Niedersachsen“ an

Die vier Fregatten F126 werden an verschiedenen Werften produziert. So wird das Hinterschiff in der Peene-Werft in Wolgast gebaut. Die German Naval Yards Kiel GmbH baut das Vorschiff und Blohm+Voss Hamburg integriert beispielsweise Sensoren und Effektoren und übernimmt die Endmontage der F126.

Mitte 2028 soll das heute auf Kiel gelegte erste Schiff an die Deutsche Marine übergeben werden. Bis 2032 sollen die drei weiteren Fregatten folgen.

Die Fregatten F126 haben eine Länge von 167 Metern, eine Breite von rund 21 Metern und eine Verdrängung von circa 10.000 Tonnen. Mit einer Besatzungsstärke von 125 Personen werden die Schiffe für den weltweiten Einsatz im gesamten Intensitätsspektrum zur dreidimensionalen (zu Luft, Über- und Unterwasser) Seekriegführung befähigt sein.

Zu den wichtigsten Aufgaben gehören die Seeraumüberwachung, das Durchsetzen von Embargos, das Unterstützen von Spezialkräften sowie Evakuierungsoperationen. Die Aufgabenwahrnehmung wird unterstützt durch die Einrüstung von speziellen Missionsmodulen, mit denen das Schiff durch standardisierte Ausrüstungs- und Personalpakete für bestimmte Einsätze angepasst werden kann.

Text:      PIZ AIN
Bilder:  
©Bundeswehr/Sebastian Moldt

Eine gezündete Nebelgranate liegt im Unterholz während des Lehrgangs Sondertraining Taktische Verwundetenversorgung auf dem Truppenübungsplatz Cham, am 04.10.2023. Blauer Bund

Rund eine Million Nebelhandgranaten für die Bundeswehr

Die Bundeswehr hat knapp eine Million Nebelhandgranaten für die Truppe bestellt. Ein entsprechender Rahmenvertrag zur Herstellung und Lieferung wurde am 22.05.2024 durch die Präsidentin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr, Annette Lehnigk-Emden, mit dem Hersteller Rheinmetall Waffe Munition GmbH geschlossen. Insgesamt können aus der Vereinbarung über die kommenden Jahre bis zu 1,5 Millionen Nebelhandgranaten des Typs DM 45 beschafft werden. Zuvor hatte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages das Vorhaben im Rahmen einer sogenannten „25-Millionen-Vorlage“ gebilligt.

Finanziert aus dem Sondervermögen der Bundeswehr hat die jetzt geschlossene Vereinbarung – bei Beauftragung der knapp eine Million Nebelhandgranaten – ein Volumen von rund 67 Millionen Euro. Dadurch ist ein jährlich flexibler Abruf der Munition anhand des identifizierten Bedarfes für die Truppe bis zum Jahr 2027 möglich.

Eine gezündete Nebelgranate liegt im Unterholz während des Lehrgangs Sondertraining Taktische Verwundetenversorgung auf dem Truppenübungsplatz Cham, am 04.10.2023. Blauer Bund
Insgesamt können aus der heute zwischen BAAINBw und Rheinmetall geschlossenen Vereinbarung über die kommenden Jahre bis zu 1,5 Millionen Nebelhandgranaten des Typs DM 45 beschafft werden. – ©Bundeswehr/Nien

Die Granate mit der offiziellen Bezeichnung „Granate, Hand, DM45, 800 g, KM“ ist seit Mitte der 1990er-Jahre bei der Bundeswehr eingeführt. Anders als Antipersonenhandgranaten findet bei dieser Munition keine Explosion statt. Die pyrotechnische Ladung in der Granate erzeugt beim Abbrennen starken Rauch. Die dadurch entstehende Nebelwand kann gegnerischen Kräften die Sicht nehmen und die Bewegungen der eigenen Truppe verschleiern. Die Nebelhandgranate erfüllt die im Rahmen von Ausbildung, Übung und Einsatz gestellten Anforderungen der Truppe umfänglich.

Text: PIZ AIN

Die frisch getaufte Korvette „Karlsruhe“ gehört zum zweiten Los Korvetten 130 - Blauer Bund

Neue Korvette K130 auf den Namen „Karlsruhe“ getauft

Ein weiterer Meilenstein für die Stärkung der Deutschen Marine: Im Beisein zahlreicher Gäste wurde am 07. Mai 2024 die Baunummer 8 der Korvettenklasse K130 in der Hamburger Blohm+Voss Werft feierlich auf den Namen „Karlsruhe“ getauft. Im Anschluss wird die dritte der insgesamt fünf neuen Korvetten K130 planmäßig endausgerüstet. In Hamburg wird die „Karlsruhe“ später auch in Betrieb genommen und durchläuft von dort aus ihre Funktionsüberprüfungen und Abnahmen.

„Dieser exzellente Teamspirit, die intensive Expertenarbeit in gemeinsamen Arbeits-gruppen und selbstverständlich auch das gemeinsame Risikomanagement sind nach wie vor ein nicht wegzudenkender und erfolgsbestimmender Faktor für dieses Projekt.“, betonte Flottillenadmiral Andreas Czerwinski, Abteilungsleiter See des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, kurz BAAINBw, anlässlich der Taufe. Dies sei ein wirklich guter und sichtbarer Fortschritt im Projekt, freute er sich im Beisein von Vizeadmiral Jan Christian Kaack, dem Inspekteur der Marine und der Taufpatin, Karlsruhes Erster Bürgermeisterin Oberbürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz

Die frisch getaufte Korvette „Karlsruhe“ gehört zum zweiten Los Korvetten 130 - Blauer Bund
Die frisch getaufte Korvette „Karlsruhe“ gehört zum zweiten Los Korvetten 130 – NVL Group/Foto: ©Felix Matthies

Die Korvetten der Braunschweig-Klasse werden mit dem neuesten Stand der Technik, insbesondere in den Bereichen Schiffstechnik sowie Waffen- und Führungssystemen ausgestattet. Viele Anlagen an Bord sind automatisiert, wichtige Komponenten mehrfach vorhanden. Dank Stealth-Eigenschaften sind die Korvetten nur schwer zu orten. Zusätzlich zum eigenen Mehrzweckradar profitieren sie dicht unter Land von ihren leistungsfähigen Videosensoren. Außerdem können sie Hubschrauberdrohnen einsetzen. Das erweitert das Gebiet, das sie kontrollieren, über den Radarhorizont hinaus.

Text: PIZ AIN

Die symbolische Schlüsselübergabe für das erste Nachweismuster erfolgte am 02. Mai 2024 bei Rheinmetall in Unterlüß. - Blauer Bund

„Schwerer Waffenträger Infanterie“ – Nachweisführung kann zeitnah beginnen

Nachdem erst im März die Beschaffung von insgesamt 123 neuen „Schweren Waffenträgern Infanterie“ (sWaTrg Inf) mit einem Regierungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der australischen Regierung vereinbart wurde, konnte einige Wochen später bereits das erste Fahrzeug als sogenanntes Nachweismuster durch Rheinmetall Landsysteme vorgestellt werden und die symbolische Schlüsselübergabe an die Bundeswehr erfolgen.

Voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte wird das am 02. Mai 2024 präsentierte Referenzfahrzeug dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) für Entwicklungs- und Erprobungszwecke zur Verfügung stehen. Anschließend können erforderliche Nachweise, beispielsweise hinsichtlich Zulassung und Transportierbarkeit, schon frühzeitig erbracht werden und auch Verlade- und Verstautests sowie Ergonomie-Untersuchungen können bereits durchgeführt werden.

Das am 02. Mai 2024 in Unterlüß vorgestellte Referenzfahrzeug des "Schweren Waf-fenträgers Infanterie" in Bewegung. - Blauer Bund
Das am 02. Mai 2024 in Unterlüß vorgestellte Referenzfahrzeug des „Schweren Waf-fenträgers Infanterie“ in Bewegung. ©Bundeswehr/Anett Groß

Darüber hinaus können Entwicklungsarbeiten bezüglich der elektronischen Architektur und Anpassungen der Systemsoftware an die deutschen Forderungen erfolgen.

Für die Anpassungsentwicklung der Systemsoftware bietet das Referenzfahrzeug eine wertvolle Möglichkeit Softwarestände sehr kurzfristig zu testen, um somit einen hohen Reifegrad der Systemsoftware bei Serieneinführung sicherzustellen.

Bei etwaigen Mängeln können frühzeitig Änderungsvorschläge zur Behebung erarbeitet werden und in die Serienproduktion einfließen. Die derart frühe Bereitstellung eines Nachweismusters ist somit ein wesentlicher Baustein zur Erreichung des zeitlich sehr eng gesteckten Zieles einer Einführung des sWaTrg Inf in 2025.

Gemeinsam mit Rheinmetall schreibe man für die Truppe erneut den Hashtag „Beschaffungläuft“ in die Timeline der seit Monaten ambitionierten Beschaffungsagenda, freute sich die Parlamentarische Staatsekretärin Siemtje Möller bei der Vorstellung des Nachweismusters. Im Beisein weiterer hochrangiger Vertreter des Bundesverteidigungsministeriums und der Streitkräfte betonte sie: „Der heute erreichte Meilenstein ist sichtbares Zeichen der Zeitenwende und ein weiterer Schritt, um die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr so rasch wie möglich herzustellen.“.

Die symbolische Schlüsselübergabe für das erste Nachweismuster erfolgte am 02. Mai 2024 bei Rheinmetall in Unterlüß. - Blauer Bund
Die symbolische Schlüsselübergabe für das erste Nachweismuster erfolgte am 02. Mai 2024 bei Rheinmetall in Unterlüß.
v.r.n.l.: Siemtje Möller (Parlamentarische Staatssekretärin), Björn Bernhard (Rheinmetall), Jessica Ward (Vertreterin des australischen Militärattachés), Frank Aldekamp (BAAINBw), Vizeadmiral Carsten Stawitzki (Abteilungsleiter Rüstung im BMVg). © Bundeswehr/Anett Groß

Der Radpanzer wird, als Nachfolgesystem des Waffenträgers Wiesel, der direkten taktischen Feuerunterstützung und weitreichenden Panzerabwehr für die Infanterieverbände der Bundeswehr dienen. Er vereint die Fähigkeiten von bisher zwei Wiesel-Varianten sowie der zum Munitionstransport eingesetzten Zusatzfahrzeuge in einer Plattform und stellt einen idealen Mix aus Schutz, Mobilität, Wirkung und Durchhaltefähigkeit dar. Bereits ab 2025 sollen die ersten Systeme des „Schwere Waffenträger Infanterie“ den Mittleren Kräften des Heeres zur Verfügung stehen.

Text: PIZ AIN

Konzeptgrafik Betriebsstoffversorger Klasse 707 - Blauer Bund

Kiellegung des zweiten Tankschiffs für die Deutsche Marine

Am 25. April 2024 erfolgte in Rostock die Kiellegung des zweiten Betriebsstoffversorgers für die Deutsche Marine. Die zwei „schwimmenden Tankstellen“ werden künftig die Schiffe der Rhön-Klasse ersetzen.

„Nach dem erfolgreichen Produktionsstart beider Betriebsstoffversorger sowie der Kiellegung des ersten Schiffes im August 2023 können wir heute wiederum termingerecht diese traditionsreiche Zeremonie für das zweite Schiff feiern“, sagte Flottillenadmiral Andreas Czerwinski, Abteilungsleiter See des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. Die neuen Marinebetriebsstoffversorger würden wie ihre verdienten Vorgänger die Durchhaltefähigkeit maritimer Einsatzverbände auf hoher See sicherstellen und somit einen wesentlichen Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung leisten, so Czerwinksi weiter.

Flottillenadmiral Andreas Czerwinski (re.), Abteilungsleiter See im Bundes-amt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, nagelt Messingschilder mit dazwischen gelegten Münzen auf ein Holzbrett. Dieses wurde im Anschluss traditionell unter die Stahlsektion geschlagen - Blauer Bund
Flottillenadmiral Andreas Czerwinski (re.), Abteilungsleiter See im Bundes-amt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, nagelt Messingschilder mit dazwischen gelegten Münzen auf ein Holzbrett. Dieses wurde im Anschluss traditionell unter die Stahlsektion geschlagen; © NVL Group/Felix Matthies

Die Tanker der Klasse 707 sind deutlich größer als ihre Vorgänger. Mit 173 Metern Länge und 20.000 Tonnen erreichen sie, trotz ihrer Größe und Verdrängung, dank der leistungsstarken Antriebsanlage eine Spitzengeschwindigkeit von 18 Knoten und haben eine Reichweite von bis zu 8.000 Seemeilen.

Beide neuen Schiffe sind gegen den Einsatz von ABC-Kampfstoffen geschützt, besitzen ein Flugdeck für Hubschrauber und haben ein Fassungsvermögen von über 12.000 Kubikmetern Flug- und Dieselkraftstoff. So können sie abseits von Häfen Marineeinheiten in See mit Kraftstoff versorgen.

Konzeptgrafik Betriebsstoffversorger Klasse 707 - Blauer Bund
Konzeptgrafik Betriebsstoffversorger Klasse 707– © NVL Group/Felix Matthies

Mit den verbauten Ballastwasser-Aufbereitungsanlagen und der modernen Abgasnachbehandlung können die Schiffe auch entsprechend aktueller Umweltstandards betrieben werden. Beide Betriebsstoffversorger werden eine Besatzung von 42 Personen umfassen, mit der Option zusätzlich 23 Personen einzuschiffen.

Text: PIZ AIN

Die Titelseite des Buches "Denkmäler für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus" - Blauer Bund

Denkmäler für den Widerstand – eine Buchrezension

Blotz, Josef D: Denkmäler für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Topographie einer deutschen Erinnerungslandschaft am Beispiel des 20. Juli 1944.

Verlag De Gruyter Oldenbourg, München 2024, 322 Seiten, 39,95 €. ISBN (PDF) 978-3-11-138074-2, ISBN (EPUB) 978-3-11-138115-2, ISSN 21-3222.

Das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 jährt sich 2024 zum achtzigsten Mal. Zu diesem wichtigen Ereignis der neuern deutschen Geschichte liegen heute Forschungsergebnisse und andere Veröffentlichungen in großer Fülle vor – auch zur Rezeption des Widerstandes gegen das NS-Regime nach 1945. Ergänzend zu dem kaum noch überschaubaren Schrifttum und den jährlichen Gedenkfeiern gibt es in Deutschland, in einigen Fällen auch im Ausland, zahlreiche ››Denkmäler für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus‹‹, so der Titel des hier vorzustellenden Buches von Josef D. Blotz. Darin wird beschrieben, wie der Widerstand sichtbar gemacht wird. An 300 Orten im Bundesgebiet wurden im öffentlichen und privaten Raum, in Schulen, Kirchen und Kasernen rund 1.130 Denkmäler, Gedenktafeln und anderen sichtbaren Formen der Erinnerung an Persönlichkeiten oder Ereignissen im Zusammenhang mit dem Widerstand errichtet, zumeist dort, wo es einen regionalen Bezug dazu gibt.

Die Titelseite des Buches "Denkmäler für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus" - Blauer Bund
Die Titelseite des Buches „Denkmäler für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus“

Blotz untersucht die Vielfalt dieser Denkmäler und anderer Erinnerungsstätten, ihre Entstehungsgeschichte sowie deren sich im Laufe der Zeit ändernde Wahrnehmung. Die in seinem Buch erfassten Denkmäler sind räumlich im Bundesgebiet sehr ungleichmäßig verteilt.  Besonders viele befinden sich in Berlin, weil sich dort ein Schwerpunkt des Widerstandes war. Seit 1952 fanden die ersten Gedenkveranstaltungen im Bendlerblock statt. Ein Großteil der Denkmäler befindet sich in Bayern und Baden-Württemberg-Württemberg, im Norden und Westen der Bundesrepublik deutlich weniger. In seinem Buch untersucht Blotz auch die Gründe für dieses regionale Ungleichgewicht.

Da Kenntnis und Bedeutung des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus heute vielfach in Vergessenheit geraten, können und sollen die in dem Buch beschriebenen Denkmäler auch Lernprozesse, insbesondere bei Jugendlichen unterstützen. Außer den von Blotz beschriebenen Denkmälern gibt es noch andere Formen der Erinnerung: Filme, Fernsehsendungen, Briefmarken, Symposien oder zwei IC-Züge der Deutschen Bahn.

Das Buch leistet einen wichtigen Betrag zur Erinnerungskultur für einem wichtigen Abschnitt der neueren deutschen Geschichte. Der Verfasser untersucht auch die mit diesen Denkmälern verbundenen städtebaulichen und kunstgeschichtlichen Aspekte, wobei viele dieser Denkmäler nicht als Kunstwerk, sondern zumeist als bescheidene Erinnerungs- und Mahnobjekte konzipiert sind, wie zum Beispiel die dem Widerstand gewidmeten Stolpersteine. Mit dem Buch erwirbt der Verfasser auch ein Stück Deutungshoheit über den bis heute noch zum Teil umstrittenen Widerstand gegen das NS-Regime

Generalmajor a. D. Josef D. Blotz hat seine Arbeit zwei Jahre nach dem Eintritt in den Ruhestand abgeschlossen, als Dissertation vorgelegt und wurde damit zum Dr. phil. promoviert. Dabei ist ein gut lesbares, reich bebildertes und materialreiches Buch entstanden. Die für die Darstellung der Erinnerungslandschaft erforderlichen Tabellen und Graphiken sind anschaulich und übersichtlich. Der als Datenbasis für Folgeuntersuchungen angelegte Katalog ist online verfügbar.

Generalmajor a.D. Josef Dieter Blotz - Blauer Bund
Der Autor: Generalmajor a.D. Josef Dieter Blotz; © Bw/Andrea Rippstein

Dem Verfasser und seinem Buch sind zu wünschen, dass damit die Erinnerung an den deutschen Widerstand auch im Bewusstsein der jüngeren Generation angemessene Anerkennung und Verbreitung findet.

Text: Dr. Michael Vollert, Oberst a. D.

Schaubild PRADA-Web-Service ©PlgABw Blauer Bund

Der PRADA-WebService – Innovative Entscheidungsunterstützung als IT-Service

Der PRADA-WebService des Planungsamtes der Bundeswehr – Innovative Entscheidungsunterstützung als IT-Service

Nicht erst mit der Zeitenwende rückte die materielle Einsatzbereitschaft in der Nutzung von Waffensystemen in den Fokus. Schon Jahre davor war festzustellen, dass die generelle Verfügbarkeit hinter den Erwartungen zurückblieb. Die in 2017 aufgelegte „Agenda Nutzung“ hatte das Ziel, dies nachhaltig zu ändern. Die Erarbeitung einer Fähigkeit, logistische Prozesse, die Nutzung von Waffensystemen und deren Instandhaltung auf Basis von Daten darstellen und modellieren und sogar Prognosen zur zukünftigen Verfügbarkeit der Waffensysteme erstellen zu können, war von Anfang an Bestandteil dieses Konzeptes.

 Kernfrage: Lässt sich auf Basis vorhandener Daten aus der Nutzung eine weitgehend automatisierte Prognosefähigkeit herstellen, um Defizite zu analysieren, Optimierungspotenziale zu identifizieren und die zukünftige materielle Einsatzbereitschaft zu prognostizieren?

Von den Dimensionsblaupausen zum PRADA-WebService

Das Planungsamt der Bundeswehr ist ministerieller Dienstleister und gestaltet darüber hinaus eigenständig. Es ist u. a. zentraler Serviceleister zur Analyse von Problemstellungen mit wissenschaftlichen Methoden. 2018 wurde die Abteilung Wissenschaftliche Unterstützung und Interoperabilität des Planungsamtes vom BMVg mit der Untersuchung der Kernfrage beauftragt.

Word cloud Prognosefähigkeit ©PlgABw Blauer Bund
Word cloud Prognosefähigkeit ©PlgABw

Anhand dreier Studien sollte gemeinsam mit industriellen Partnern die grundsätzliche Machbarkeit eines Simulationssystems zur Abbildung der realen Prozesse der Nutzung, Instandhaltung und Materialbewirtschaftung untersucht werden. Als Untersuchungsobjekt wurde in den Dimensionen Land, Luft, See je ein Waffensystem ausgewählt (GTK BOXER, Eurofighter, Korvette 130). Die Studien endeten mit dem Ergebnis, dass es möglich ist eine Prognosefähigkeit auf Basis waffensystemspezifischer Simulationsmodelle in jeweils separaten Softwaredemonstratoren herzustellen. Die Fähigkeit, Kennzahlen des technisch-logistischen Managements unter vereinfachten Annahmen abzuschätzen, konnte nachgewiesen werden. Die „Blaupause“ für Folgeaktivitäten lag damit vor.

Die beauftragte Folgestudie „Prognosefähigkeit, Änderung des Ausfallverhaltens“ kurz: PRADA knüpfte inhaltlich an die vorangegangenen Ergebnisse an. PRADA zielte darauf ab, die getroffenen Annahmen zu konkretisieren und das Ganze in einem Softwaredemonstrator für die zu untersuchenden Waffensysteme GTK BOXER, FENNEK und KH TIGER umzusetzen. Im Schwerpunkt sollte der Einfluss von Nutzungsprofilen[1] auf das Ausfallverhalten der genannten Waffensysteme bis auf Hauptbaugruppenebene und die Implikationen auf das Instandhaltungssystem quantifiziert werden. Nutzungsprofile und Prozesse der Instandhaltung werden in ausführbaren und waffensystemspezifischen Simulationsmodellen abgebildet und können über einen beliebig einstellbaren Zeitraum bis zu sieben Jahren in die Zukunft untersucht werden.

Was ist PRADA?

PRADA ermöglicht sogenannte „Was-wäre-Wenn“-Analysen. Mit Hilfe statistischer Methoden und Machine Learning werden aus Nutzungsdaten der Waffensysteme unterschiedlicher Quellen Muster in der Nutzung festgestellt, entsprechende Abnutzungsparameter pro Hauptbaugruppe berechnet und in die Simulation übernommen. Dies ermöglicht bei vergleichbarer zukünftiger Nutzung der Komponenten eine quantitative Abschätzung über die Belastung der Flotte und den Instandhaltungsbedarf in der Zukunft. Der PRADA-WebService vereint die Simulationsmodelle, die Datenanalyse und das Management in einer softwarecontainer-basierten Anwendung. Ergebnis ist ein experimenteller IT-Service zur simulationsgestützten Flottenanalyse und Nutzungsplanung.

Schaubild PRADA-Web-Service ©PlgABw Blauer Bund
Schaubild PRADA-Web-Service ©PlgABw

 Von der Theorie zur Praxis

Der Kampfhubschrauber TIGER als Träger der luftgestützten Panzerabwehr- und Aufklärungsfähigkeit des Heeres stand trotz Bewährung im Einsatz in Afghanistan und Mali seit Jahren in der Kritik, da seine Zuverlässigkeit hinter den Erwartungen zurückblieb. Zwischen der Bundeswehr und der Industrie wurden Maßnahmen zur Optimierung des technisch-logistischen Systems vereinbart. PRADA konnte erfolgreich eingesetzt werden, um Ursachen für die zu geringe Einsatzbereitschaft zu analysieren und mögliche Änderungen vorab auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Die Datenanalyse zeigte eindeutig, dass Wartungsplan und korrespondierende Instandhaltungskapazität begrenzende Faktoren für eine Steigerung der Verfügbarkeit waren. Mit PRADA kann neben der Jahresflugstundenplanung, den Instandhaltungskapazitäten und den Durchlaufzeiten für Inspektionen auch das implementierte Inspektionssystem in seinen Komponenten frei konfiguriert werden So können sich daraus ergebende Implikationen auf die Einsatzbereitschaft frühzeitig untersucht werden. Mit der Gegenüberstellung diverser, vorab auf grundsätzliche Machbarkeit geprüfter Änderungen der Wartungspläne und Instandhaltungskapazitäten konnte simulativ das erfolgversprechendste Maßnahmenpaket bestimmt werden.

Entscheidungsunterstützung ©PlgABw Blauer Bund
Entscheidungsunterstützung ©PlgABw

Dabei zeigte sich auch, dass eine Änderung bei Wartungsplänen, -zyklen und -kapazitäten erst mit einem deutlichen zeitlichen Verzug Wirkung entfaltet, weil sich das neue System erst „einschwingen“ muss. Umso wichtiger ist damit die Fähigkeit, Änderungen vorab im Rahmen von Simulation zu prüfen, um besser fundierte Entscheidungen zu treffen und somit Zeit und Geld zielgerichtet zu investieren. Inzwischen ist festzuhalten, dass sich die reale Einsatzbereitschaft der TIGER-Flotte wie prognostiziert vom negativen Trend lösen konnte.

Studie Datenraum Nutzung – GTK BOXER

Während das TIGER-Modell einen weit fortgeschrittenen Stand der Modellentwicklung vorwies und die Nutzung der Simulation für weitere Zielvereinbarungen im Projekt als verstetigt angesehen werden konnte, wurde beim GTK BOXER ein anderer Ansatz gewählt.

Bei allen Simulationen dieser Art sind Daten die Grundlage für gute Prognoseergebnisse. Bei allen Waffensystemen der Dimension Land spielen insbesondere für die Nutzung das „Wo“ und „Wie“ eine herausragende Rolle. Beim GTK BOXER kann die Nutzung im Vergleich zu anderen Waffensystemen der Dimension Land durch die Existenz eines in jedem Fahrzeug integrierten, digitalen Logbuches kontinuierlicher nachvollzogen werden. Im Rahmen von PRADA wurde mit diesen Daten anhand des entwickelten Algorithmus zur automatisierten Quantifizierung des Ausfallverhaltens in Abhängigkeit von Nutzungsintensität, Verwendungsdauer und Umwelteinflüssen (Nutzungsprofil) festgestellt, dass die verfügbare Datenbasis für eine hinreichende Qualität der Vorhersagen bisher unzureichend ist. Insbesondere in Bezug auf das Ausfallverhalten von Baugruppen konnten noch keine Kennzahlen für nutzungsabhängiges Ausfallverhalten quantifiziert werden.

Im Rahmen der F&T-Studie „Datenlabore – Datenraum Nutzung“ wird von der WTD 41[2] die Schwingungsbelastung an ausgewählten Radfahrzeugen messtechnisch erfasst und ausgewertet. Genutzt wird dazu ein speziell entwickeltes Einsatzmesssystem, das sowohl eigene Daten wie z. B. Beschleunigungswerte generiert, als auch Daten aus dem CAN-Bus des Fahrzeuges sammelt und alle Daten georeferenziert ablegt. Parallel dazu wurde BMVg Rüstung (Rü I 2) mit der Einführung eines Produktlebenszyklus-Management befasst. So wurde entschieden, dass das Planungsamt der Bundeswehr, die WTD 41, die Universität der Bundeswehr München und ein externer Partner eine gemeinsame Forschungs- und Technologiestudie aufsetzen. Zudem wurde das Einsatzmesssystem in ausgewählte Radfahrzeuge der BOXER-Flotte eingerüstet, um neue Daten zu gewinnen. Während die WTD 41 vorrangig die Betriebsfestigkeit der Fahrzeuge mit dem sogenannten „Durability-Transfer-Verfahren“ („Rupp´sches Verfahren“) untersucht, sollen die zu gewinnenden Daten auch als verbreiternde Basis für den PRADA-WebService genutzt werden. Insbesondere von der Georeferenz der Datenpakete wird erwartet, dass Ableitungen möglich sind, wie sich die Nutzung der BOXER in unterschiedlichem Gelände auf das Ausfallverhalten auswirkt. Die dann vorliegenden Nutzungsprofile würden es zukünftig erlauben, auf Basis der Einsatzplanung Aussagen über die Verfügbarkeit zu treffen und Empfehlungen für die Bemessung der technisch-logistischen Unterstützung abzugeben. So könnten die nutzenden Verbände in die Lage versetzt werden, ihren Kräfteansatz für den Einsatz als auch für die Wartung und Instandhaltung präziser vorauszuplanen.

PRADA goes private Cloud Bundeswehr

Bisher wird der prototypische Demonstrator PRADA-WebService in einer gekapselten IT-Umgebung des Planungsamtes am Standort Taufkirchen betrieben. Mit der „Cloud First“-Strategie der Bundeswehr eröffnen sich neue Möglichkeiten. Neue IT-Services sollen grundsätzlich als Cloud-basierte Dienste bereitgestellt werden und Product-Lifecycle-Management-Systeme stehen hierbei im Mittelpunkt. Um PRADA als IT-Service zukünftig einem breiten Nutzerkreis bei den Waffensystemverantwortlichen zugänglich zu machen, ist die Überführung des IT-Service auf die private Cloud der Bundeswehr (pCloudBw) bis Ende 2024 geplant. Eine erste Implementierung auf der Entwicklungsumgebung der pCloudBw wurde erfolgreich realisiert, bis zur vollständigen Umsetzung sind jedoch noch einige Schritte zu gehen.

Ausblick

PRADA ist noch ein experimenteller IT-Service zur simulationsgestützten Flottenanalyse und Nutzungsplanung von Waffensystemen. Unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden können aber schon heute für ausgewählte Waffensysteme entscheidungsrelevante Kennzahlen und Prognosen auftragsbezogen, datengestützt und teilautomatisiert berechnet werden.

PRADA ermöglicht daher in Ergänzung zur Einschätzung der Waffensystemexperten erstmals eine datengestützte und somit objektive und reproduzierbare Perspektive im Nutzungsprozess. Der Mehrwert, gerade für die Projektleitungen, spricht sich herum. So werden im laufenden Jahr mit dem SPz PUMA, NH90 NTH SeaLion und A400M weitere Waffensysteme in PRADA integriert.

In Verbindung mit dem Private-Cloud-Programm der BWI soll die Prognosefähigkeit mit dem PRADA-WebService als Nukleus als Anwendungsfall im Cloud-Clusterprogramm „Analytics & Simulation“ ausgerollt werden. Eine Entscheidung dazu steht unmittelbar bevor. Dies böte zukünftig vielen Projektleitungen weiterer Waffensysteme die Möglichkeit, diesen IT-Service für die zielgerichtete Nutzungssteuerung zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft zu verwenden.

[1] Kombination aus Umweltfaktoren und der Nutzung des Waffensystems

[2] Wehrtechnische Dienststelle für landgebundene Fahrzeugsysteme, Pionier- und Truppentechnik

Text: PlgABw

Das Planungsamt der Bundeswehr
Das Projektteam am Tag des Feldtests von YARDED am 24.01.2024: Hauptmann Oskar H (l.), Hauptmann Anna T. (2. v.l), Kapitänleutnant Eric L. (r.) vom LogBtl 163 RSOM und Christoph R. (2.v.r.), Product Owner Innovation beim CIHBw; Blauer Bund

YARDED – von der Idee zum Testprodukt

Im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung müssen innerhalb von kürzester Zeit umfangreiche Mengen an Personal und Material an die Peripherie der NATO verlegt werden. Das Innovationsvorhaben YARDED ist eine Software, welche hilft, große Fahrzeug- und Materialströme während der Verlegung zu planen und zu steuern. Mithilfe dieser Software werden strategische Anforderungen der NATO taktisch umsetzbar.

Innovation ist kein glücklicher Zufall. Mithilfe eines klaren Prozesses werden Ideen identifiziert, angepasst, entwickelt – und oftmals zugunsten vielversprechenderer Vorschläge verworfen. YARDED durchlief von der Skizzierung einer ersten Idee bis hin zur Entwicklung des heute verfügbaren Produkts unzählige Iterationen.

Das Projektteam am Tag des Feldtests von YARDED am 24.01.2024: Hauptmann Oskar H (l.), Hauptmann Anna T. (2. v.l), Kapitänleutnant Eric L. (r.) vom LogBtl 163 RSOM und Christoph R. (2.v.r.), Product Owner Innovation beim CIHBw; Blauer Bund
Das Projektteam am Tag des Feldtests von YARDED am 24.01.2024: Hauptmann Oskar H (l.), Hauptmann Anna T. (2. v.l), Kapitänleutnant Eric L. (r.) vom LogBtl 163 RSOM und Christoph R. (2.v.r.), Product Owner Innovation beim CIHBw; ©Bundeswehr/PIZLogKdoBw

 

  1. Von der Herausforderung zur Idee

An strategischen Entladeseehäfen und Bahnhöfen werden sogenannte Bereitstellungsräume, im Englischen als Marshalling Areas (MA) bezeichnet, eingerichtet. In einer Marshalling Area werden Fahrzeuge, Container und Material organisiert und für die weitere Verlegung vorbereitet. Die räumlichen Anforderungen werden idealerweise durch eine befestigte und zusammenhängende Fläche mit fester Infrastruktur erfüllt. Der Raum kann sich aber ebenso über diverse kleinere Bereiche erstrecken.

Die Anforderungen der NATO an das RSOM Bataillon fordern die Fähigkeit der Abfertigung von bis zu 500 Fahrzeugen und 2.500 Tonnen Material pro Tag in jeder Marshalling Area.

Als Planungsgrundlage dienen Daten aus LOGFAS – dem logistischen Führungs- und Informationssystem der NATO. Mit dem aktuellen Versionsstand 8.0 besteht im Portfolio der bestehenden LOGFAS-Module eine Lücke. Die für die taktische Umsetzung der Pläne erforderliche Detailtiefe wird nicht ohne weiterführende manuelle Aufbereitung der Daten erreicht. Während für die operative Planung die „Mission“ als kleinste logische Einheit genügt (bspw. ein Eisenbahntransport, oder eine Marschteileinheit), erfordert die taktische Realisation die Betrachtung von „Items“ (bspw. einzelner LKW oder Container).

In der Praxis wurden die operativen Planungsdaten bisher in Exporten der LOGFAS-Daten für die jeweiligen Zwecke händisch aufbereitet und weitergenutzt. So konnten – mit entsprechendem Aufwand – Daten für die erforderliche fahrzeug- und containerspezifische Organisation der Materialströme in den Marshalling Areas generiert werden. Während der Durchführung bestand der Werkzeugkasten des MA-Offiziers aus einem Klemmbrett mit Stift, gedruckten Excel-Tabellen und Lageplänen.

Der analoge Planungsaufwand war mühselig, zeitraubend und fehleranfällig. Weiterhin war diese Art der Organisation unflexibel bei der Reaktion auf Lageänderungen. Unter Umständen wurden Stunden der Vorbereitung aufgrund einer Lageänderung irrelevant und der gesamte Planungsprozess begann von vorne. Mit Durchführungsbeginn wurde der MA-Offizier mit seinen analogen Übersichten zur einzigen validen Informationsquelle im Raum. Ein digitalisiertes Lagebild für die übergeordnete Führung konnte nur mit genügend Freiraum zum folgenden Umschlag verfügbar gemacht werden. Dieses war zum Zeitpunkt der Weitergabe bereits veraltet. Weder Redundanz noch eine nachhaltige Durchhaltefähigkeit waren mit diesem System und Personalansatz unter Einsatzbedingungen umsetzbar.

Der Status Quo war unhaltbar und von den durchführenden Kräften der Marshalling Area bis hin zu dem Bataillonskommandeur herrschte Einigung über den Handlungsbedarf. Es reifte rasch die Absicht, die Prozesse in der Planung und dem Betrieb von MAs zu digitalisieren. In diesem Rahmen wurden beispielsweise Hafenumschläge der amerikanischen Streitkräfte in Bremerhaven und im dänischen Esbjerg beobachtet und die Möglichkeiten der eingesetzten Software im Hinblick auf den eigenen Auftrag analysiert. Doch schnell war klar, dass die Anforderungen des Logistikbataillons 163 RSOM (LogBtl 163 RSOM) mit seinem spezialisierten Auftrag bisher nicht adressiert wurden. Auch die Betrachtung ziviler Anwendungen führte nicht zum Erfolg. Frau Hauptmann Anna T. aus der Einsatzzentrale RSOM des Bataillons zog damals Resümee: „Natürlich gibt es zivile Lösungen zum Parking- und Containermanagement. Anwendungen wie sie beispielsweise in Containerhäfen eingesetzt werden, sind auf unseren Bereich jedoch nicht übertragbar. Ein Tracking, in dem jeder alles weiß, wäre ein Sicherheitsrisiko. Außerdem ist unser Material nicht sortenrein. Vom Kampfpanzer bis zum Kühlcontainer kann alles dabei sein.“

Obwohl diese Erkenntnis offenbarte, dass eine innovative Softwarelösung geschaffen werden musste, blieb der Entschluss, dass Planung und Organisation der Marshalling Areas künftig digital erfolgen müssen.

  1. Von der Idee zum Innovationsvorhaben

Die vom Logistikkommando der Bundeswehr (LogKdoBw) in Verbindung mit dem Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) organisierte Innovation Challenge Logistik als Ideenwettbewerb im Jahr 2022, bot dem Projektteam schließlich eine einmalige Gelegenheit. Mit ihrem innovativen Ansatz konnten die Projektmitglieder des LogBtl 163 RSOM die Entscheidungsträger im LogKdoBw und im CIHBw von Beginn an überzeugen.

Das war auch die Motivation für Kapitänleutnant L.: „Dieser Spruch, der einem in der Bundeswehr oft begegnet: ‚Warum machen wir das so? – Weil wir das immer so gemacht haben!‘ Damit kommen wir nicht weiter. Gerade wenn man auf die globale sicherheitspolitische Situation schaut. Mit dem CIHBw wird etwas Großes dazu beigetragen, dass Innovation in der Bundeswehr schneller gedacht und umgesetzt werden kann.“

Mithilfe des CIHBw wurden aus den jungen Offizieren des Projektteams Defence Intrapreneure. Intrapreneure bzw. Intrapreneurinnen sind Mitarbeiter in Unternehmen oder öffentlichen Einrichtungen, welche sich unternehmerisch Verhalten. Diese Personen handeln eigenverantwortlich und gestalten die Organisation proaktiv mit.

Am 15. Juni 2022 präsentierten acht Teams aus dem Kommandobereich des LogKdoBw am Ende der Innovation Challenge Logistik ihre Innovationsideen einer Jury aus Experten der Bundeswehr und zivilen Start-up-Unternehmern.

Nur drei Monate nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine war die Relevanz von YARDED für die Verlegung von kampfkräftigen Verbänden im Bündnisfall das entscheidende Argument für die Idee.

Beim sogenannten „Ideation Review Pitch“ des CIHBw in Berlin ging es erneut um alles oder nichts für das Projekt. Nur wenn die überarbeitete Idee dem Urteil aller Mitarbeiter im CIHBw standhält und sich ein Innovation Manager bereiterklärt das Projekt zu betreuen, wird aus einer Idee ein neues Innovationsvorhaben mit eigenem Budget.

Innovationsprozess des Cyber Innovation Hubs der Bundeswehr. Blauer Bund
Innovationsprozess des Cyber Innovation Hubs der Bundeswehr

 

Nachdem die Idee zu YARDED abermals überzeugen konnte entstand das Innovationsvorhaben #142 YARDED. Damit begann der Übergang in die Phase Setup und damit die ersten Schritte in Richtung einer Umsetzung. Zur Vorbereitung der Ausschreibung musste das Projektteam eine Leistungsbeschreibung verfassen. Diese definiert rechtlich bindend, welche Umfänge durch die Anbieter zwingend oder optional zu erfüllen sind.

Auch die Lieferantenauswahl erfolgte keineswegs Top-Down, wie es in den strikt hierarchisch organisierten Streitkräften üblich ist. Die Intrapreneure des LogBtl 163 RSOM wählten anhand der Anbieterpräsentationen, gemeinsam mit dem CIHBw die Lieferanten aus: Ein Bieterzusammenschluss aus der MVPF Technologies GmbH aus Berlin und der VisiTrans GmbH aus Paderborn. Nach Vertragsschluss zwischen dem CIHBw und den Anbietern ging das Projekt in die Entwicklungsphase der Software über.

  1. Die Entwicklung von YARDED – Co-Entwickler statt bloßer Kunde

Da YARDED nicht einfach durch den Kauf und die Inbetriebnahme eines marktverfügbaren Produkts gelöst werden konnte, sondern eine Entwicklungsleistung beinhaltete, mussten die Auftragnehmer im Detail verstehen, vor welchen Herausforderungen das Bataillon steht. Jeder Arbeitsschritt, jeder Handgriff und jeder Kommunikationsweg wurde erfasst und darauf untersucht, wie er mit YARDED effizienter abgebildet werden könnte.

Zu diesem Zwecke wurden Workshops im LogBtl 163 RSOM und beim CIHBw in Berlin durchgeführt, um den Ist-Prozess zu erfassen und anschließend den Soll-Prozess zu modellieren. Effiziente Digitalisierung bedeutet nämlich nicht, analoge Prozesse digital zu kopieren. Nur wer unter Beachtung der zusätzlichen Möglichkeiten Arbeitsschritte völlig neu denkt, kann die Effizienz- und Fähigkeitsgewinne digitaler Lösungen ausschöpfen.

Die Software YARDED digitalisiert und automatisiert die Phase Reception im RSOM Prozess der NATO während der Planung, Durchführung und Auswertung. Die Datengrundlage dafür liefert das NATO Tool LOGFAS. Blauer Bund
Die Software YARDED digitalisiert und automatisiert die Phase Reception im RSOM Prozess der NATO während der Planung, Durchführung und Auswertung. Die Datengrundlage dafür liefert das NATO Tool LOGFAS. ©CIHBw

 

Die permanente Bereitstellung der Entwicklungsumgebung durch die VisiTrans GmbH erlaubte es den Intrapreneuren jeden Entwicklungsschritt und jedes Update live im System zu verfolgen und unmittelbar zu testen. Mit dem so generierten Feedback wurde permanent sichergestellt, dass die Entwicklung von YARDED eng auf die Bedürfnisse des Bataillons ausgerichtet blieb.

Als im September 2023 die Softwareanwendung YARDED – nach Erfüllung aller Anforderungen der Leistungsbeschreibung – übergeben wurde, begann die Phase Build & Experiment. Diese trägt dem Faktum Rechnung, dass viele Details des eigenen Bedarfs erst dann deutlich werden, wenn man ein testbares Produkt in den Händen hält. So war es auch bei YARDED. Am Reißbrett entworfene Designs, wie etwa Anordnung von Informationen und Schaltflächen wurden angepasst und sogar neue Funktionen ins Lastenheft aufgenommen.

— Die YARDED Exercise – Test as you fight —

Im niedersächsischen Delmenhorst führte das LogBtl 163 RSOM Ende Januar 2024 einen dreitägigen Feldtest mit dem Testprodukt der YARDED Software durch. „Ziel der Übung ist es, Schwachstellen der Software sichtbar zu machen, die Anwendung mit Soldatinnen und Soldaten unter realen Einsatzbedingungen zu testen und sie dadurch zu verbessern“, so Bundeswehr-Intrapreneur Kapitänleutnant Eric L. Die Erwartungen für den Feldtest in Delmenhorst waren hoch. Das Innovationsvorhaben des CIHBw hat das Potenzial, die logistischen Abläufe im RSOM-Prozess weiterzuentwickeln und zu verbessern. Eine Übertragung der für die Marshalling Area entwickelten Software auf Staging Area und Convoy Support Center ist naheliegend. Andere logistische Einrichtungen könnten folgen. Aufgrund der offenen Konzeption der Software haben auch andere Truppengattungen und Organisationsbereiche der Bundeswehr die Möglichkeit, sich am Projekt zu beteiligen. Darüber hinaus ist das Innovationsvorhaben auch für alle NATO-Partner interessant, welche wie Deutschland vor ähnlichen logistischen Herausforderungen im Bündnisfall oder bei Großübungen stehen. Oberstleutnant Julian H., Kommandeur des Logistikbataillons 163 RSOM, zeigte sich optimistisch: „Wir hatten kleine Startschwierigkeiten, aber das, was ich bis jetzt erlebe, ist ein großer Erfolg und ein gewaltiger zeitlicher Vorteil.“

In der Durchführung stellt YARDED nicht weniger als einen Paradigmenwechsel dar. Durch die Umstellung des Prozesses wird jedem Soldaten der Umschlagkräfte mehr Verantwortung übertragen. Das stellte natürlich zunächst eine Umstellung dar. Aber bereits 2 Stunden nach Übungsbeginn konnte in der Marshalling Area dieselbe Arbeitsgeschwindigkeit erreicht werden, wie zuvor nach 2 Jahren Praxiserfahrung im Altsystem. Dabei wurden während der Übung auch Anpassungsbedarfe erkannt und sogar live im laufenden Übungsbetrieb in das System eingearbeitet. Nach einer ohnehin eingeplanten kurzen Pause, konnte dann mit dem neuen Update weitergearbeitet werden. Hier zeigte sich beispielhaft die enorme Entwicklungsgeschwindigkeit und Flexibilität der Anwendung.

Am Ende konnten auch die Bundeswehr-Intrapreneure zufrieden mit ihrem Feldtest sein: „Mit den bisherigen Testergebnissen sind wir derzeit sehr zufrieden“, erklärt Hauptmann Oskar H. im Namen des Projektteams. Die Daten zeigten einen deutlichen Vorteil von YARDED: „Unsere Planung ist schneller, präziser und durch die Standardisierung deutlich verständlicher und übersichtlicher in der Visualisierung. In der Durchführung herrscht nun endlich ein einheitliches Lagebild!“

  1. Vom erfolgreichen Test zur Einführung in die Truppe

Im Abschlussbericht werden alle relevanten Erkenntnisse des Innovationsvorhabens zusammengefasst und nachgehalten. Er bildet die Grundlage für eine Umsetzungsempfehlung durch das Zentrum für Digitalisierung der Bundeswehr als zentraler Bedarfsträger für die Streitkräfte im Teilportfolio Cyber/IT und damit die Überführung in den regulären Beschaffungsprozess.

Neben der bestehenden nationalen Erfolgsgeschichte konnte sich das Projektteam zusammen mit dem CIHBw im November 2023 in der finalen Runde der jüngsten NATO Innovation Challenge nicht nur behaupten, sondern belegte darüber hinaus den ersten Platz! Im Rahmen des Wettbewerbs war die NATO, unter dem Vorsitz des Supreme Allied Commander Transformation, auf der Suche nach zukunftsfähigen Lösungen für die militärische Transportplanung im transeuropäischen Verkehrsnetz. Unter dem Motto „Military Mobility“ hat sich das Innovationsvorhaben YARDED gegen 39 anderen Ideen von NATO-Staaten durchgesetzt. Die finale Runde des Wettbewerbs fand am Dienstag, den 14. November 2023, in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana statt. Dort kämpften elf zuvor ausgewählte Ideen um den Sieg. Im Finale waren mit Estland, Frankreich, Deutschland, Kanada, Polen und den USA Bewerber aus insgesamt sechs NATO-Ländern vertreten.

Eine Weiterentwicklung des Projekts durch Institutionen der NATO erscheint im weiteren Verlauf mehr als vorstellbar.

Fazit

Die Geschichte von YARDED zeigt beispielhaft, dass Innovationen „aus der Truppe, mit der Truppe, für die Truppe“ allen Beteiligten viel Kreativität, Engagement und Durchhaltewillen abverlangt. Der Weg von der ersten Idee bis zum abgeschlossenen Innovationsvorhaben erfordert die Unterstützung aufstrebender Intrapreneure durch ihre Vorgesetzten. Die Vielzahl der zu durchlaufenden Etappen ist ohne Verständnis für den erforderlichen Arbeitsumfang und entstehende Kosten (Stichwort Dienstreisen) nur schwierig zu bewältigen. Doch diese Kraftanstrengung bedeutet gelebte Zeitenwende und leistet einen wertvollen Beitrag zur Transformation in Richtung einer bedrohungsangepassten Landes- und Bündnisverteidigung.

YARDED fügt sich in die bestehende LOGFAS Softwarefamilie ein und ergänzt diese um Funktionen zur taktischen Umsetzung operativer Pläne während der Phase RSOM. Es ermöglicht eine transparentere Kommunikation, kürzere Reaktionszeiten auf Lageänderungen und eine erhöhte logistische Leistungserbringung durch Optimierung der Fahrzeug- und Materialströme. Mit dem Innovationsvorhaben YARDED erhält die Bundeswehrlogistik die Chance einen neuen Standard in der NATO zu setzen und zum Vorreiter in der Weiterentwicklung bündnisgemeinsamer Logistikprozesse zu avancieren. Es gilt nun das aufgebaute Momentum aufrechtzuerhalten und die zügige Verstetigung voranzutreiben.

Autor: Autorenteam YARDED