Bedarfsfall BwFPS – Das 555-Tage-Projekt

Bedarfsfall BwFPS – das ist die Übernahme der Logistik an BwFuhrparkService (BwFPS)-Fahrzeugen, -Gerät und Anhängern durch die Bundeswehr, wenn die zivile Industrie diese Arbeiten nicht mehr durchführen kann. Normalerweise sind alle Geräte, die durch die BwFPS GmbH an die Bundeswehr vermietet werden, im „Full Service“ – die gesamten logistischen Aufgaben werden direkt durch die BwFPS GmbH gesteuertund durch Vertragspartner im In- und Ausland durchgeführt. Aber was ist in Krisen- und Kriegsgebieten oder im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung, wenn der Rückgriff auf Vertragspartner nicht gegeben ist? Dann muss die Bundeswehr die Logistik wieder eigenständig durchführen können. Dieser sogenannte Bedarfsfall wurde als Rückfallposition bei der Gründung der BwFPS im Vertrag niedergeschrieben, aber nicht umgesetzt.

Das änderte sich schlagartig mit der Ausplanung der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) 2019. Bei den Planungen der Landmobilität stellte das BMVg frühzeitig fest, dass jedes vierte Fahrzeug oder mitgeführte Gerät vom Dienstleister BwFPS GmbH stammt. Daraufhin wurde die Projektleitung BwFPS im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) beauftragt, die Rückfallposition auszuplanen und umzusetzen.

Damit begannen die Herausforderungen: Es gab keinerlei logistische Erfahrung im Umgang mit den Fahrzeugen, hier im Schwerpunkt mit Lastkraftwagen. Auf eine logistische Einsatzuntersuchung wurde nach der Einführung verzichtet, da das zunächst nicht notwendig erschien. Nach den Fahrzeugplanungen der VJTF-Truppenteile wurden vorrangig die Lkw hümS (Lastkraftwagen handelsüblich mit Sonderausstattung) für den Einsatz ausgeplant. Aufgrund der kurzen Zeitvorgaben (Beginn der Planungen Oktober 2016 und Abschluss aller Maßnahmen bis Mitte 2018) konnten nur die zahlenmäßig größten Lkw hümS Berücksichtigung finden.

Folgende Fahrzeuge wurden ausgeplant:

  • Mercedes-Benz „Axor“
  • „Atego“ U5000/U5023
  • „Greenliner“ G280/G300
  • Iveco „Trakker“
  • Scania Sattelzugmaschine
  • die Anhänger von Schmitz-Cargobull und Fliegl.

Zuerst wurde durch das Logistikkommando der Bundeswehr die Instandhaltungsstufe 3 und 24 Stunden Verweildauer innerhalb des logistischen Prozesses festgelegt. Mit dieser Vorgabe wurden die Lkw hümS und Anhänger an das Ausbildungszentrum Technik Landsysteme (AusbZ TLS) in Aachen gesteuert und eine Einsatzuntersuchung durchgeführt. Das Ergebnis mündete ineinen Bericht, der im Schwerpunkt festlegte, dass die Tätigkeiten innerhalb der 24 Stunden in der Instandhaltungsstufe 3 durchzuführen sind und die dazu benötigten Werkzeuge und Sonderwerkzeuge, Mess- und Prüfmittel, Ersatzteile und einen Vorschlag für die Ausbildung der Instandhaltung beinhaltete. Die Untersuchung dauerte fünf Monate und wurde nur durch die schnelle und zügige Zuarbeit der BwFPS ermöglicht. Hier sind vor allem die schnelle Bereitstellung der Werkstatthandbücher und die speziellen Mess- und Prüfgeräte hervorzuheben.

Eine sofortige, unkomplizierte Investition von rund 100 000 Euro wurde getätigt. Ein Projektleiter im BAAINBw hätte hier Wochen oder gar Monate benötigt, diese Investition aufgrund der Rahmenbedingungen des jährlichen Haushalts zu stemmen. Im Sommer 2017 sollten die ersten Lehrgänge an den BwFPS-Fahrzeugen (LKW hümS) starten. Eine Durchführung ist aber nur mit der Bereitstellung der notwendigen Werkzeuge, Sonderwerkzeuge und so weiter möglich. Das gesamte Ausbildungsequipment hatte einen Wert von rund einer Million Euro. Die BwFPS zögerte nicht und löste die Bestellung aus, damit das Ziel „Ausbildungsbeginn nach der Lehrgangspause 2017“ am AusbZ TLS gehalten werden konnte.

Ein Projektleiter im BAAINBw hätte diese Summe mindestens zwei Jahre zuvor im Haushalt anmelden müssen. Damals war das Projekt im BAAINBw jedoch noch gänzlich unbekannt.
Wir befinden uns mittlerweile im Juni 2017:
Das Ausbildungsmaterial ist bereitgestellt worden und die Ausbilder bereiten sich auf die Ausbildung vor. Zwischenzeitlich wurden sie bei den Firmen Mercedes-Benz, Scania und Iveco geschult. Auch diese Kosten wurden durch die BwFPS vorfinanziert. Gleichzeitig wurden die Planungen für die Leistungsbeschreibung der Werkstattausstattung mobile Instandhaltung Bedarfsfall BwFPS (WSA mobIH Bed BwFPS) begonnen.

Lagercontainer mit Ladekran

Hierzu dienten zwei ausgesonderte Container, in denen das notwendige Equipment zur Instandhaltung der Fahrzeuge und Geräte montiert wurde.
Die Planungen auf der Basis von nur zwei Containern ging glücklicherweise auf, trotz integrierter eigener Stromversorgung, Druckluft und Kran. Die Leistungsbeschreibung für die WSA mobIH Bed BwFPS wurde innerhalb von einer Woche im August 2017 durch zwei Stabsoffiziere schriftlich fixiert und der BwFPS zur Ausschreibung an die Vertragspartner zur Verfügung gestellt. Natürlich wurden notwendige Vorarbeiten durch die logistische Einsatzprüfung geleistet.

Zudem wurde auf dem seit fünf Jahre laufenden Projekt der Erneuerung der Werkstattwagen 1 und 2 seitens der Bundeswehr aufgebaut. Große Mitzeichnungsgänge der Leistungsbeschreibung WSA mobIH Bed BwFPS konnten ausbleiben, weil die Bevollmächtigten der TSK/OrgBereiche regelmäßig über den Fortschritt informiert oder direkt in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden wurden.

Die Ausschreibung ist sehr zügig durch die BwFPS erfolgt und bereits im Dezember 2017 konnte der Vertrag mit der Firma zur Herstellung von zehn Systemen der WSA mobIH Bed BwFPS, bestehend aus jeweils zwei Containern, gezeichnet werden. Noch im selben Monat wurde die Startbesprechung zum Projekt mit der Herstellerfirma durchgeführt und im Februar 2018 die finale Containerlösung abgezeichnet. Ende April 2018 konnte bei der Leistungsschau der BwFPS am Stammsitz in Troisdorf der Prototyp zum ersten Mal einem breiteren Publikum vorgestellt werden. Alle Beteiligten waren anwesend und konnten neben den Fahrzeugen und Geräten der BwFPS auch den Prototyp der WSA mobIH Bed BwFPS kennenlernen. Die hier geäußerte, zum Teil auch berechtigte Kritik wurde aufgenommen, zusammengefasst und mit der Herstellerfirma besprochen.
Mitte Juli wurde die erste und Ende August 2018 die letzte WSA mobIH Bed BwFPS mit einer feierlichen Zeremonie an das Logistikbataillon 172 übergeben. Nur zwei Tage nach dieser Übergabe wurden die Systeme für den Transport nach Norwegen zu „Trident Juncture“ 2018 für den Schiffstransport vorbereitet und versandt.
Derzeit läuft noch das Projekt der „24 Stunden“- Bereitstellung der Ersatzteile. Ein erster Erfolg ist die Bereitstellung der Container „Baugruppe Rad“. In zwei Containern, die bei der unterstützenden Einheit implementiert wurden, sind alle gängigen Räder eingelagert. Der Abruf wird über SASPF mit dem entsprechenden IH-Auftrag möglich. Weiterhin ist die Ausschreibung für die Container „Ersatzteile“ noch in vollem Gange. Wegen der hohen Vielfalt der Fahrzeuge und Anhänger werden für die unterstützenden Einheiten jeweils vier Container mit 650 verschiedenen Ersatzteilen (insgesamt 2550) bereitgestellt. Damit ist eine schnelle Verfügbarkeit gewährleistet.

Die BwFPS war zeitlich und personell sehr stark in die Prozesse eingebunden. Erst nach Auslieferung des gesamten Equipments, hierzu gehörten auch noch die Bereitstellung der allgemeinen Mess- und Prüfmittel für die Schirrmeister, Hauptuntersuchungs-Adapter für die Prüforganisation der Bundeswehr sowie die Anpassung der Ausbildungsausstattung des AusbZ TLS, konnten die monatlichen Mietpreise festgelegt werden. Ebenfalls erst Ende des Jahres 2018 wurde die Gesamtrechnung seitens der Bundeswehr beglichen. Der Schwerpunkt bei allen Beteiligten lag bei einer zeitgerechten Bereitstellung. Dieses Projekt war ein Novum in der Bundeswehr.

Wie der Titel schon andeutet, wurde dieses aufwändige Projekt innerhalb von nur 555 Tagen (von der Beauftragung der Projektleiter BwFPS im BAAINBw bis zur Auslieferung der ersten WSA mobIH Bed BwFPS) vollumfänglich umgesetzt.

Dies wurde nur möglich, weil allen Beteiligten das Ziel bekannt war und die Investitionssumme durch die BwFPS vorerst getragen wurde. Mit mehr Freiheiten für die Projektleitung im BAAINBw könnte die materielle Ausstattung der Bundeswehr wesentlich schneller, effektiver und effizienter durchgeführt werden. Es muss nicht immer ein Projekt aus dem Bereich „komplexe Dienstleistungen“ der Taktgeber sein.

Einer kleinen schlagkräftigen Mannschaft aus Soldaten und Mitarbeitern der BwFPS haben wir den schnellen Erfolg zu verdanken. Kurze Wege, kompetente Ansprechpartner und regelmäßige Besprechungen – ohne Mangelverwaltung – haben diesem Projekt den Erfolg gesichert.

Autor:

Oberstleutnant Sirko Bednarski
BAAINBw E3.2
Projektleitung BwFPS


Einen weiteren Artikel zu diesem Thema aus der Sicht des Ausbildungszentrums Technik Landsysteme (AusbZ TSL) finden sie hier.