Neue Bevölkerungsumfrage: Deutschland in der militärischen Führungsrolle?

Russland führt seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine unvermindert fort, während das Vertrauen in den Bündnispartner USA schwindet. Wie reagiert die deutsche Bevölkerung auf diese doppelte Herausforderung? Antworten auf Fragen zur Bedrohungswahrnehmung, zu den transatlantischen Beziehungen und zur Wehrbereitschaft in Deutschland liefert die jährliche Bevölkerungsbefragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). Über 2.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger nahmen im Zeitraum vom 11. April bis 17. Mai 2025 an der repräsentativen Umfrage teil.

Mehrheit sieht Russland als Bedrohung

Russland wird von zwei Dritteln der Bevölkerung als Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands wahrgenommen. Zugenommen hat die Angst vor russischen Cyberangriffen und der Aufrüstung der russischen Streitkräfte. Dieses Bedrohungsgefühl ist in allen Gruppen der deutschen Bevölkerung ähnlich stark ausgeprägt: Selbst Befragte mit einer Wahlpräferenz für die AfD oder die Linke sehen Russland mehrheitlich als Bedrohung. Die Spannungen zwischen dem Westen und Russland stellen aus Sicht der Befragten inzwischen die zweitgrößte Bedrohung für ihre persönliche Sicherheit dar – nach der Inflation, aber noch vor der Zuwanderung nach Deutschland.

Vertrauen gegenüber dem Bündnispartner USA schwindet

Das vormals große Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die USA als verlässlichen (Bündnis-)Partner ist seit der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten um 21 Prozentpunkte im Vergleich zu 2024 auf jetzt 41 Prozent stark gesunken. Nur noch 37 Prozent der Befragten sehen die USA grundsätzlich als zuverlässigen Partner. Dies bedeutet einen Verlust von 28 Prozentpunkten und die größte Einstellungsveränderung im Vergleich zum Vorjahr. Von einer relativen Mehrheit wird die Außen- und Sicherheitspolitik der USA als Gefahr für den Zusammenhalt in der NATO wahrgenommen. Obwohl das Vertrauen in die USA als NATO-Partner aktuell leidet, möchte eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger nicht auf den militärischen Beistand der USA verzichten.

Zuspruch zur Verteidigungsfähigkeit wächst

In dieser Bedrohungslage findet die finanzielle und personelle Stärkung der Bundeswehr immer größere Zustimmung: Nie haben sich mehr Bürgerinnen und Bürger für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben (64 Prozent; +7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2024) und für einen personellen Aufwuchs der Bundeswehr (65 Prozent; +7 Prozentpunkte) ausgesprochen. Die Stärkung der Bundeswehr wird von einer Mehrheit in allen untersuchten Gruppen in der Bevölkerung befürwortet. Nur eine kleine Minderheit spricht sich für eine Verringerung der Verteidigungsausgaben (8 Prozent) und des Personalumfangs der Bundeswehr (7 Prozent) aus, während jeweils ein Viertel (24 Prozent; -6 Prozentpunkte) für ein gleichbleibendes Niveau plädiert. Eine unverändert große Mehrheit der Gesellschaft von mehr als 80 Prozent hat eine positive Einstellung zur Bundeswehr, bringt ihr Vertrauen entgegen und bewertet das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Gesellschaft positiv. „Die Stärkung der Bundeswehr und der nationalen Verteidigungsfähigkeit ist gesamtgesellschaftlicher Konsens“, so Dr. Timo Graf, Leiter der Bevölkerungsumfrage.

Das Wachbataillon der Bundeswehr steht beim Empfang
für den kanadischen Premierminister vor der Kulisse der Reichstagskuppel

Die Einführung eines neuen Wehrdienstes für junge Menschen stößt ebenfalls auf mehrheitlichen Zuspruch in der Bevölkerung. Im Vergleich zum Vorjahr ist hier die Akzeptanz auch unter den 16-29-Jährigen gestiegen und eine relative Mehrheit in dieser Gruppe betrachtet die Einführung inzwischen als notwendig. Ein großer Teil der Bevölkerung unter 50 Jahren wäre zudem nach eigenem Bekunden bereit, im Falle eines militärischen Angriffs das Land mit der Waffe zu verteidigen: Bei den Männern liegt der Wert für die persönliche Verteidigungsbereitschaft bei 54 Prozent, bei den Frauen sind es 21 Prozent. Damit wird deutlich, dass „die Bürgerinnen und Bürger nicht nur eine Stärkung der Bundeswehr durch eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben fordern, sondern auch bereit wären, sich persönlich militärisch zu engagieren“, so Dr. Graf.

NATO und EU wichtiger denn je

Trotz des massiven Vertrauensverlustes in den Bündnispartner USA bekennt sich die Mehrheit der Befragten klar zur NATO-Bündnisverteidigung. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zustimmung zur NATO-Bündnisverteidigung weiter gestiegen, insbesondere zu einer militärischen Führungsrolle Deutschlands. Auch das bereits seit vielen Jahren positive Meinungsbild zur EU-Verteidigungskooperation hat sich noch einmal deutlich verbessert. Eine absolute Mehrheit der Befragten befürwortet eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, finanzielle Unterstützung europäischer Rüstungsprojekte, das Auftreten der EU als eigenständiger sicherheits- und verteidigungspolitischer Akteur sowie eine gemeinsame europäische Armee. Die öffentliche Zustimmung zu einer militärischen Führungsrolle Deutschlands in der EU ist ebenfalls deutlich gestiegen (44 Prozent; +7 Prozentpunkte; Ablehnung: 27 Prozent; Teils/teils: 26 Prozent).

Fazit

Der öffentliche Zuspruch in Deutschland zu einer ambitionierten deutschen Verteidigungspolitik und zu einer militärischen Führungsrolle Deutschlands in der NATO und der EU ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und stärker denn je. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger fühlt sich durch Russland militärisch bedroht und viele haben seit dem Amtsantritt von Präsident Trump das Vertrauen in die USA als verlässlichen NATO-Bündnispartner verloren – nicht aber das Vertrauen in die NATO und die europäischen Partner. Dieser doppelten Herausforderung für die Sicherheit Europas und Deutschlands sollte aus Sicht einer großen Mehrheit in der deutschen Bevölkerung durch eine zweifache Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit begegnet werden: zum einen durch die finanzielle und personelle Stärkung der Bundeswehr, zum anderen durch eine noch stärkere Verteidigungszusammenarbeit im Rahmen der NATO und der EU.

Autor

Dr. Timo Graf forscht zur öffentlichen Meinung über Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie zu den zivil-militärischen Beziehungen in Deutschland. Dr. Graf leitet die jährliche ZMSBw-Bevölkerungsbefragung und ist der Autor des Forschungsberichts.

Zur Studie

Die jährliche ZMSBw-Bevölkerungsbefragung ist seit Beginn der Umfragestudie im Jahr 1996 der Gradmesser für die gesellschaftliche Legitimation, Relevanz und Integration der Streitkräfte. Ihre Ergebnisse dienen dazu, das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Gesellschaft zu analysieren sowie die Informationsarbeit der Bundeswehr zu evaluieren (Ressortforschung). Mit der öffentlichkeitswirksamen Publikation der Befragungsergebnisse in vielfältigen Produktformaten (Forschungsberichte, Zeitschriften- und Webartikel, Monografien, Sammelbandbeiträge, Podcasts, öffentliche Vorträge, Interviews) leistet das ZMSBw einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Wissenstransfer). Darüber hinaus werden die Befragungsdaten in wissenschaftlichen Fachpublikationen aufbereitet, als Grundlage für sozialwissenschaftliche Qualifikationsarbeiten und in der universitären Lehre genutzt sowie der Forschung allgemein im Datenarchiv des GESIS zur Verfügung gestellt (Grundlagenforschung).

Ausführlichere Informationen zur Studie mit Zahlen, Methodologie und ein Download finden Sie auf der Website des ZMSBw.

Quelle: Pressestelle ZMSBw  Bildrechte: picture alliance/dpa

Indienststellung des Kommandos Gesundheitsversorgung der Bundeswehr

Seit dem 22. September 2025 gibt es in Koblenz eine neue Bundeswehr-Dienststelle. Mit der feierlichen Indienststellung des Kommandos Gesundheitsversorgung der Bundeswehr, das in der Falckenstein-Kaserne beheimatet ist, erreicht der Sanitätsdienst der Bundeswehr einen Meilenstein auf dem Weg der Refokussierung zur Landes- und Bündnisverteidigung.

Der Befehlshaber des Zentralen Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann, übergab in einem feierlichen Appell auf der über Koblenz thronenden Festung Ehrenbreitstein das Kommando an Generalstabsarzt Dr. Johannes Backus und überreichte die Truppenfahne. Parallel dazu erhielt das neue Kommando das Fahnenband des Kommandos Gesundheitsversorgung der Bundeswehr.

„Wer kriegstüchtig sein will und muss, benötigt einen starken und leistungsfähigen Sanitätsdienst – ohne Wenn und Aber“ – machte Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann in seiner Rede deutlich.

Teil des Unterstützungsbereichs

Seit dem 1. April 2025 ist der Zentrale Sanitätsdienst Teil des zweitgrößten Organisationsbereiches der Bundeswehr. Der neue Unterstützungsbereich bündelt mit 55.000 Mitarbeitenden alle unterstützenden Leistungen für die sogenannte „kämpfende Truppe“. Dies beinhaltet neben den Fähigkeiten der Logistik, des Feldjägerwesens und der ABC-Abwehr vor allem auch die Gesundheitsversorgung in der Bundeswehr. Der Befehlshaber des Unterstützungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant Gerald Funke, betonte dazu die Bedeutung des gemeinsamen Ziels: Der gesamte Unterstützungsbereich sei gefordert, wo immer möglich, geschlossen als Enabler aufzutreten, so Funke. Es gelte die Zusammenarbeitsbeziehungen weiter auszuformen und zu vertiefen. Ziel sei eine engere Verzahnung sanitätsdienstlicher, logistischer und operativer Abläufe. „Dies alles passiert mit der festen Überzeugung, dass hier etwas entsteht, von dem die gesamten Streitkräfte profitieren“, erklärt der Befehlshaber des Unterstützungskommandos.

Clemens Hoch, Minister für Wissenschaft und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz, übermittelte dem Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr für die nun greifende neue Struktur die besten Wünsche. Er machte in seiner Rede deutlich, dass die medizinische Versorgung der Soldatinnen und Soldaten, aber auch der Zivilbevölkerung nur mit starken Partnern gelingen kann: „Wir brauchen uns, wir brauchen uns gegenseitig zum Schutz der Menschen, für eine gute medizinische Versorgung im Alltag und natürlich auch in möglichen Krisen!“

Der Menschlichkeit verpflichtet

Der 22. September 2025 ist damit die offizielle Geburtsstunde des neuen Sanitätsdienstes als Teil eines großen Unterstützungsverbundes und unter der Führung des neuen Koblenzer Kommandos Gesundheitsversorgung der Bundeswehr. Es wird alle sanitätsdienstlichen Belange der Bundeswehr verantworten und dem Befehlshaber des Sanitätsdienstes beratend zur Seite stehen. Der Kommandeur, Generalstabsarzt Dr. Johannes Backus, dankte allen, die den Schritt in die neue Zukunft möglich gemacht haben und hob die Wichtigkeit des Sanitätsdienstes der Bundeswehr insbesondere im Kontext einer Landes- und Bündnisverteidigung hervor. Die aktuelle weltpolitische Lage lässt die Soldatinnen und Soldaten einen verstärkten Fokus auf ihre medizinische Versorgung in Kriegs- und Krisenszenarien richten. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr kann versichern: Er ist einsatzbereit und ein verlässlicher Partner in allen medizinischen Belangen. „Unser Ziel bleibt klar: die Einsatzbereitschaft der Truppe sichern – durch verlässliche, erstklassige medizinische Unterstützung, im Frieden, in der Krise und im Krieg. Dabei gilt für uns immer: Wir sind der Menschlichkeit verpflichtet. Dieses Leitmotiv verbindet Professionalität mit Verantwortung – und macht aus Auftrag Haltung“, erklärt Generalstabsarzt Dr. Backus.

Quelle: Pressestelle KdoGesVersBw Bildrechte: Bundeswehr/Patrick Grüterich

Veranstaltungshinweis: Sicherheitspolitisches Forum

Vor dem Hintergrund tiefgreifender geopolitischer Umbrüche rückt die Frage nach der Verteidigungsfähigkeit Europas immer mehr in den sicherheitspolitischen Fokus. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die unsichere Rolle der USA in der NATO und die zunehmende Fragilität internationaler Ordnungssysteme fordern neue Antworten auf eine alte Frage: Kann Europa sich im Ernstfall selbst verteidigen?

Deutschland kommt in dieser Debatte eine Schlüsselrolle zu. Im Bündnisfall ist die Bundesrepublik die logistische Drehscheibe für militärische Bewegungen und damit ein zentraler Akteur des Host Nation Support. Die Aufnahme, Versorgung und Weiterleitung verbündeter Streitkräfte auf deutschem Boden wird zur Grundlage jeder glaubwürdigen Verteidigungsstrategie an der NATO-Ostflanke.

Gerade in einem Bündnis, das auf Solidarität und Zusammenarbeit fußt, ist der Blick über nationale Grenzen hinaus entscheidend. Angesichts der unmittelbaren Bedrohungslage der Partner an der NATO-Ostflanke wird die Dringlichkeit der Debatte ersichtlich. Europas Verteidigungsfähigkeit ist keine nationale Frage mehr, sondern eine gemeinsame Verantwortung.

Moderiert wird die Veranstaltung von Kerry Hoppe, Reserveoffizierin und angehende Juristin. Die Podiumsdiskussion in Berlin kann im Livestream verfolgt werden. ­

 

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­ Thema

Kriegsbereit? Europas Verteidigungsfähigkeit im Umbruch

Von der Friedensdividende zur Wehrhaftigkeit
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­ ➡ Livestream zur Veranstaltung ⬅ ­
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­ Programm

18:00 Uhr – Eröffnung

Joachim Sanden
Oberst a.D., Vizepräsident Sicherheitspolitik des Verbandes
der Reservisten der Deutschen Bundeswehr

18:10 Uhr – Podiumsdiskussion

Prof. Dr. Patrick Sensburg
Oberst d.R., Präsident des Verbandes der Reservisten
der Deutschen Bundeswehr

Heinrich Brauß
Generalleutnant a. D., ehemaliger Beigeordneter NATO- Generalsekretär für Verteidigungspolitik und Streitkräfteplanung (2013-2018)

Karsten Lepper
Beauftragter der Deutschen Industrie für Sicherheit und Verteidigung bei der EU
Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie

Markus Woelke
Botschaftsrat Erster Klasse, Vizepräsident der
Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS)

Moderation: Kerry Hoppe
Leutnant d.R. und angehende Juristin

20:00 Uhr – Ende ­

Quelle: ­ ­Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V.