Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in der Corona- Krise

Christoph Unger
Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Die Corona -Pandemie (Covid -19) hat das gesellschaftliche Leben in vielen Teilen der Welt weitestgehend zum Stillstand gebracht. Aus vielerlei Gründen, zu denen u.a. die Globalisierung der Wirtschaft sowie auch die Ökonomisierung des Gesundheitswesens und die demographischen Veränderungen zählen, ist die Pandemie zur gesellschaftlichen Krise g eworden. Die Menschen in den betroffenen Ländern fordern von den staatlichen Akteuren, diese tiefgreifende Krise so schnell wie möglich und mit Blick auf die Erkrankten so erfolgreich wie möglich zu beenden: Die Kinder wollen wieder in die Schule und rau s auf den Spielplatz, die Menschen wollen wieder arbeiten und ihren Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Für die verantwortlich Handelnden im Krisen management ist das auch deshalb eine extreme Herausforderung, weil niemand voraussagen kann, wie sich diese pa ndemische Lage weiterentwickelt.
In Deutschla nd liegt die Eindämmung des Infektionsgeschehens in der Zuständigkeit der Bundesländer, dort vor allem in den für die Gesundheit zuständigen Ressorts. Nur der Freistaat Bayern hat bisher landesweit den Katastrophenfall erklärt , der na ch Maßgabe des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes eine einheitliche Führung ermöglicht und besondere Strukturen in den Kreisen und kreisfreien Städten aktiviert. Die Befugnisse des Bundes ergeben sich aus dem Infektionsschutzg esetz und sind im Wesentlichen beratender und unterstützender Natur. Fachlich werden diese Aufgaben vom Robert – Koch – Institut wahrgenommen. Weisungsbefugnisse des Bundes gibt es insoweit nicht. Eine solche zentrale Steuerungsbefugnis hat der Bund nur in der größten denkbaren Katastrophe, dem Krieg .
Die Erkenntnis, dass diese föderalen Strukturen und Aufgabenverteilungen einer besonderen Koordinierung und eines regelmäßigen Beübens der Abstimmungsverfahren im Hinblick auf nationale Großschadensereignisse bed ürfen, war bereits Erfahrung der Hochwasserlage an der Elbe im Jahr 2002 , die zwei Jahre später zur Errichtung des Bundsamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) geführt haben. Einer der neuen gesetzlichen Aufträge des BBK war die Durchführung von Übungen auf der strategisch- politischen Ebene zwischen Bund und Ländern, die wir unter dem Namen „LÜKEX“
in der Regel alle zwei Jahre durchführen. Im Jahr 2007 fand eine solche nationale Übung mit einem Influenza -Pandemie- Szenario statt. Seit 2010 fertigt das BBK in Kooperation mit weiteren Partnerbehörden im Auftrag der Bundesregierung jährlich sog. Risikoanalysen an, die dem Deutschen Bundestag über das Bundesinnenministerium vorgelegt werden. Im Jahr 2012 befasst sich diese Analyse mit einem pandemischen Infektionsgeschehen anhand eines angenommenen modifizierten SARS -Virus. Die Notwendigkeit der Befassung mit dieser Thematik beruhte auf einer allgemeinen Risikobewertung, analog der Risikoanalysen aus der Schweiz und Großbritannien, und ist keinesfalls, wie aktuell in sozialen Medien verbreitet wird, ein „Geheimplan der Bundesregierung“. Die Erkenntnisse aus Übung und Risikoanalyse sind in vielfältiger Weise in die Pandemieplanung en eingeflossen, haben das allgemeine Krisenmanagement , die Fähigkeit zur Krisenkommunikation und die Ebenen übergreifende Zusammenarbeit verbessert. Auf der Schattenseite steht demgegenüber, dass sich der eigentliche Auftraggeber für die Risikoanalyse, der Deutsche Bundestag, damit ganz offensichtlich nicht befasst hat und deshalb darau s auch keine Maßnahmen ableiten konnte. Negativ, und in seinen Konsequenzen heute mehr als nur schmerzlich erkennbar, ist , dass d ie festgestellten Defizite, wie z.B. die Bevorratung an Schutzausrüstung en im Gesundheitswesen nicht bereinigt wurde. Das gilt für die Ärzteschaft, die Krankenhäuser genauso wie für Alten- und Pflegeheime, mobile Pflegedienste, den Rettungsdienst oder die Betreiber Kritischer Infrastrukturen und die für das Gesundheitswesen zuständigen Länder behörden. Auf der Bundeseben sind zwar vom BBK bisher an 17 Standorten Sanitätsmateriallager aufgebaut worden Zum einen sind deren Inhalte aber auf Verletzungen und nicht auf Erkrankungen ausgerichtet, zum anderen hatten wir bisher keinen Erfolg bei dem Bemühen, zusätzliche Haushaltsmittel für den weiteren Ausbau auf 100 Standorte zu bekommen.
Erfolgreicher sind wir bei einer anderen uns obliegenden Aufgabenstellung : der Warnung und Information der Bevölkerung. In einer solchen Lage, die geprägt ist von Unsicherheit und Ängsten, weil das Virus nicht sichtbar oder unmittelbar fühlbar ist, und weil es – gerade vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung der so genannt en Sozialen Medien – eine widersprüchliche und zum Teil bewusst falsche Berichterstattung in diesen Medien gibt, ist es notwend ig, die Entscheidungsfindungen transparent zu machen. Dies bedeutet, eine speziell auf Zielgruppen zugeschnittenen Informationspo litik zu betreiben, unabhängige wissenschaftliche Gremien einzubeziehen und d ie Ergebnisse dann über zentrale, gebündelte Kommunikationsinstanzen und – wege zu transportieren. Das BBK betreibt seit Jahren das Modulare Warnsystem mit der Warn-App NINA ( Notfall- Informations – und Nachrichten- App). Bisher haben fast 7 Millionen Nutzer diese App heruntergeladen. In der aktuellen Lage wird sie intensiv von Bund, Ländern sowie Städten und Landkreisen für die Aussendung von Handlungsempfehlungen oder – anweisungen genutzt. Nun hat der Deutsche Bundestag kurzfristig Haushaltsmittel für den Ausbau des Systems auf 40 Millionen Nutzer bereitgestellt. Die technische Umsetzung soll noch bis Ende April erfolgen.
Das BBK nutzt diese App, um dort auch eigen Empfehlungen zum Umgang mit oder zum Verhalten in der Pandemie einzustellen. Diese finden sich aber auch auf der Homepage oder sind als Print -Produkte abrufbar . Dazu gehören zum einen zahlreiche Handlungsempfehlungen für Bürgerinnen und Bürger zum Selbstschutz und zur Sel bsthilfe, Ratgeber für Behörden sowie für die Betreiber Kritischer Infrastrukturen (z. B. „ Handbuch betriebliche Pandemieplanung “), zum anderen aber auch sehr spezielle Tipps und Hilfestellungen für die Menschen in dieser besonderen aktuellen Situation ( „Tipps bei häuslicher Quarantäne “). Zu weiteren Angeboten, Produkten oder auch Fragen an das BBK haben wir auf unserer Homepage ( www.bbk.bund.de ) eine FAQ-Liste eingestellt.

Quelle:

Christoph Unger
Präsident Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Der Artikel stammt aus dem Newsletter Ak Sicherheit und Bundeswehr der NRW SPD (Ausgabe 01/2020).

Konzeption Zivile Verteidigung, Notwendigkeiten und Herausforderungen

Bundesressorts haben unter Koordinierung des BMI ein neues Gesamtkonzept der Bundesregierung für die Zivile Verteidigung erarbeitet. Die Konzeption Zivile Verteidigung (KZV) wurde am 24. August 2016 – kurz nach der Veröffentlichung des Weißbuches 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundesehr“ – vom Kabinett beschlossen und in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Notwendigkeit für die Neukonzeption der Zivilen Verteidigung liegt in den veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen. Das „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ stellt fest, dass die konventionelle Landes- und Bündnisverteidigung „ihren Charakter im Vergleich zur Zeit des Kalten Krieges“ in zeitlicher Perspektive (Stichwort kürzere Vorwarnzeiten) und räumlich stärker fokussierter Ausdehnung, aber auch in der Vorgehensweise selbst verändert hat. Die Konzeption der Bundeswehr (KdB) vom 20.07.2018 setzt die sicherheitspolitischen Vorgaben des Weißbuches 2016 um. Sie geht davon aus, dass „konventionelle Angriffe gegen das Bündnisgebiet vornehmlich an dessen Außengrenzen zu erwarten sind“. Darüber hinaus stellt sie fest, dass unter Umständen auch großangelegte asymmetrische bzw. terroristische Angriffe oder massive Cyberattacken zu einer Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls führen können.
Dies stellt nicht nur die Militärische, sondern auch die Zivile Verteidigung vor neue Herausforderungen, sowohl in der Bewertung eines Angriffes als auch in der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen. Die Bedrohungseinschätzungen wie sie im Weißbuch 2016 und der KdB 2018 formuliert sind, sind auch Grundlage der Konzeption Zivile Verteidigung. Entsprechend den beschriebenen Angriffsmitteln und Angriffszielen konzentrieren die Ressorts ihre Fachplanungen im Bereich der Zivilen Verteidigung auf folgende Bedrohungen:

  • Einsatz konventioneller Waffen, Einsatz chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Wirkstoffe (CBRN-Gefahren), Einsatz von Massenvernichtungswaffen und ihren Trägersystemen, Cyber-Angriffe, Ausfall oder Störung von Kritischen Infrastrukturen.

Bei hybriden Bedrohungen sind folgende Besonderheiten zu berücksichtigen:

  • Vielfalt offener und verdeckter Angriffe, Mischung konventioneller und irregulärer Kräfte / Fähigkeiten, Mischung militärischer und ziviler Wirkmittel, Fokussierung auf verwundbare Strukturen als Angriffsziele, Unübersichtlichkeit potenzieller Schadensszenarien,
  • Erschwerte Wahrnehmung und Zuordnung, kurze oder gänzlich entfallende Vorwarnzeiten

Die KZV vom 24.08.2016 ist das konzeptionelle Basisdokument für die ressortabgestimmte Aufgabenerfüllung im Bereich der Zivilen Verteidigung und zivilen Notfallvorsorge des Bundes. Sie beschreibt Zusammenhänge und Prinzipien und macht Vorgaben für die künftige Ausgestaltung einzelner Fachaufgaben. Damit bildet sie die Grundlage für die weiteren Arbeiten und Planungen in den Bundesressorts sowie in den Bundesländern.
Die Zivile Verteidigung steht jedoch nicht für sich, sondern ist mit der militärischen Verteidigung eng verknüpft und bereits in den Rahmenrichtlinien zur Gesamtverteidigung (RRGV) von 1989 mit ihren vier Säulen beschrieben:

  • Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen
  • Zivilschutz
  • Versorgung der Bevölkerung, der Staats- und Regierungsorgane, der für den Zivilschutz und die staatliche Notfallvorsorge zuständigen Stellen und der Streitkräfte
  • (sonstige) Unterstützung der Streitkräfte

Die Umsetzung der KZV 2016 findet in diesen vier Säulen durch Anpassung bestehender Unterlagen bzw. Erstellung neuer Konzepte statt. Gleichzeitig bildet die KZV gemeinsam mit der KdB vom 20.07.2018 die Basis für die Neugestaltung der RRGV von 1989.
Nicht zuletzt müssen, der veränderten Sicherheitslage folgend, auch die daran angepassten internationalen Anforderungen an die Bundesrepublik bei den Planungen berücksichtigt werden. So sind die strategischen und konzeptionellen Vorgaben der zivilen Verteidigungs- planung der NATO im nationalen Fähigkeitsprofil abzubilden. Im EU-Kontext ist die Erfüllung der Beistandspflicht gemäß Artikel 42 Absatz 7 Vertrag über die Europäische Union (EUV) im Falle eines bewaffneten Angriffes zu gewährleisten.
Im Zuge der Anpassung der Allianz und ihrer Mitgliedstaaten an das veränderte Sicherheits-umfeld haben die 28 NATO-Staaten im Februar 2016 Mindestanforderungen (Baseline Requirements) für eine effektive Zivile Verteidigungsplanung (Civil Preparedness) konsentiert, um so die kollektive Verteidigungsfähigkeit der Allianz auch im zivilen Bereich sicherstellen zu können, diese sind:

  • Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen,
  • Resiliente Energieversorgung,Fähigkeit zum effektiven Umgang mit ungesteuerten Bevölkerungsbewegungen,
  • Resiliente Nahrungsmittel- und Wasserversorgung,
  • Fähigkeit zum Umgang mit einem Massenanfall von Verletzten,
  • Resiliente zivile Kommunikationssysteme,
  • Resiliente zivile Verkehrssysteme.

Die auf diesen Mindestanforderungen basierenden Richtlinien für die nationalen Fähigkeits-profile stellen somit wichtige Anhaltspunkte für die aktuellen konzeptionellen Überlegungen und Planungsprozesse im Bereich der Zivilen Verteidigung und zivilen Notfallvorsorge in Deutschland dar. Auf der Basis der folgenden Grundprinzipien verfolgt die KZV die Schaffung und Verbesserung der gesamtgesellschaftlichen Strukturen und deren Resilienz gegenüber o. a. Bedrohungen:

  • Prinzip des integrierten Systems („Mehrfachnutzen“)
  • Konzentration des Bundes auf Spezialressourcen und Zusatzbedarfe
  • modularer Aufbau / Baukastenprinzip /Aufwuchsfähigkeit / Interoperabilität
  • Zivilschutz im Zusammenwirken: Selbstschutz – Ehrenamt – Berufskräfte
  • Versorgung im Zusammenwirken: Betreiber – Staat – Selbstschutz
  • ständige Fortentwicklung durch Forschung, Ausbildung und Übung
  • Ermöglichung einer Fortentwicklung der Aufgabenerfüllung auf der Basis eines Soll-Ist-Abgleiches

Die Umsetzung der KZV ist eine gemeinsame Aufgabe mit einem hohen Stellenwert und erfolgt ressortübergreifend auf allen administrativen Ebenen von Bund und Ländern, in der jeweiligen Zuständigkeit. Sie ist für alle Beteiligte mit besonderen Herausforderungen verbunden.
Da die Länder und Kommunen in den meisten Teilbereichen die Aufgabe des Zivilschutzes in Bundesauftragsverwaltung umsetzen, werden sich mittelfristig aus den Arbeiten neue Anforderungen für ihre Verwaltungen ergeben. Zum Aufbau der dazu erforderlichen Strukturen bedarf es einiger Zeit, da im Zivilschutz in den zurückliegenden Jahren weitgehend keine eigenständigen, über den Brand- und Katastrophenschutz hinausgehenden Vorkehrungen getroffen worden sind.
Seit 2016 befassen der Bund und die Länder sich mit der Umsetzung der Konzeption Zivile Verteidigung. Dabei wurden bereits viele Handlungsfelder, wie sie in der KZV gefordert sind, bearbeitet z.B. die Zivile Alarmplanung (ZAP), die Konzeption zur Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktion in der Krise, das Berichts- und Meldewesen, beim Zivilschutz im engeren Sinne z.B. die Themen „Massenanfall von Verletzten“ und „Betreuung“. Bei der Erstellung der Rahmenkonzepte müssen Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern beachtet werden und Fragen geklärt werden, die nicht immer zeitnah beantwortet werden können. Im Aufgabenfeld „Unterstützung der Streitkräfte“ sind z.B. Informationen über die Bedarfslage der Bundeswehr und der NATO zur Unterstützung durch die zivile Seite in einem evtl. Bündnisfall erforderlich. Das BBK bildet an seiner Akademie für Krisenmanagement, Notfallvorsorge und Zivilschutz (AKNZ) zum Handlungsfeld „Zivil-Militärische Zusammenarbeit“ aus. Die „Unterstützung der Streitkräfte“ findet nicht zuletzt auf der kommunalen Ebene statt. Die Landräte, Oberbürgermeister und zuständigen Behörden, die Ansprechpartner der Bundeswehr sein werden, müssen erfahren, was auf sie zukommt und was von ihnen erwartet wird.
Der durch die KZV angestoßene Prozess ist aus Sicht aller notwendig, um den Bevölkerungsschutz für die zukünftigen Herausforderungen aufzustellen. Das subsidiär aufwachsende, integrierte Hilfeleistungssystem auf Ebene des Bundes und der Länder einschließlich der Kommunen und unter Beteiligung einer Vielzahl von Bundes- und Landesbehörden und der Hilfsorganisationen zum Schutz der Bevölkerung muss kontinuierlich und auf allen genannten Ebenen unter Berücksichtigung aller Gefährdungsmöglichkeiten organisiert, überprüft und bedarfsgerecht angepasst werden.
Die Vorgaben der KZV müssen Verbindlichkeit erhalten, indem die hierfür erforderlichen Rechtsgrundlagen geschaffen sowie die vorhandenen Rechtsgrundlagen (u. a. ZSKG, Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze, RRGV) – soweit erforderlich – entsprechend angepasst werden. Diesen Prozess gilt es gemeinsam auf allen Ebenen – nicht zuletzt auch im politischen Raum und in der Öffentlichkeit – zu gestalten, Konkurrenzdenken und Egoismen wären hier fehl am Platz.

Quelle:
Christoph Unger, Präsident BBK
Koautorin: Angela Clemens-Mitschke, Referatsleiterin Grundsatzangelegenheiten BBK
Der Artikel stammt aus dem Newsletter – Ausgabe 01 / 2019 (12. Jahrgang) des Arbeitskreises Sicherheit und Bundeswehr der NRW SPD.