Skizze zur logistischen Drehscheibe Deutschland

Unterstützung der Drehscheibe DEU durch Kräfte des LogKdoBw

Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland und der Ausbruch des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine war im Jahr 2014 eine Zäsur in der Sicherheitspolitik. Als Reaktion auf die damit einhergehende veränderte Bedrohungslage hat die NATO ihr Verständnis zum Einsatz von Streitkräften grundlegend angepasst. Eine fast ausschließliche Konzentration auf Operationen im Rahmen des Internationalen Krisenmanagements (IKM) konnte unter den veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen nicht mehr aufrechterhalten werden. Der Auftrag und die Befähigung zur Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) wurde deutlich stärker akzentuiert und auch für die Bundeswehr wieder strukturbestimmend. Die deutschen Streitkräfte werden seither befähigt, schnell und kampfkräftig im gesamten Bündnisgebiet in einem 360° Ansatz zum Einsatz kommen zu können. Neben den Phasen der Bereitstellung von eigenen Kräften und der Gewährleistung der Erst- und Folgeversorgung kommt damit der Phase der Strategischen Verlegung aus Deutschland in ein mögliches Einsatzland an der Peripherie des Bündnisgebietes eine besondere Bedeutung zu.

Aufgrund der zentralen geografischen Lage Deutschlands im Bündnisgebiet ist Deutschland zudem Aufmarschgebiet, rückwärtiges Operationsgebiet und „Drehscheibe“ von NATO Operationen. Neben dem Aufmarsch eigener Kräfte werden insbesondere NATO-Partner das Territorium der Bundesrepublik im Rahmen ihres Transits in ihre Einsatzländer und -räume nutzen.

Skizze zur logistischen Drehscheibe Deutschland
Abbildung 1 – Prinzipdarstellung „Drehscheibe Deutschland“,  © LogKdoBw / eigene Darstellung

Von der Bundesrepublik Deutschland werden daher umfangreiche Leistungen im Rahmen von Host Nation Support (HNS) gefordert. HNS umfasst dabei alle militärischen und zivilen Leistungen zur Unterstützung ausländischer Streitkräfte in Deutschland, welche die Entsendenationen selbst nicht sicherstellen können. HNS ist dabei als gesamtstaatliche und somit als ressortübergreifende Aufgabe zu verstehen.

In der Bundeswehr ist das Kommando Streitkräftebasis (KdoSKB) als federführendes Kommando mit dem nationalen Territorialen Befehlshaber (NatTerrBefh) an der Spitze für die Bereitstellung und Koordination von militärischen HNS-Leistungen der Bundeswehr auf der operativen Ebene verantwortlich. Das KdoSKB trägt zudem in seiner Rolle als Aufmarschführendes Kommando (AufmFüKdo) die Verantwortung für die Strategische Verlegung des gesamten deutschen Kräftedispositivs. Auf der taktischen Ebene werden diese Aufgaben auf Weisung NatTerrBefh und AufmFüKdo durch das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (KdoTerrAufgBw) in Operationspläne umgesetzt.

Die militärischen HNS-Leistungen können beispielsweise Elemente der Gesundheitsversorgung, der Gewährleistung von Schutz und Sicherheit (Bewachung, Schutz vor ABC-Bedrohung, etc.), der Führungsunterstützung oder der Informationsversorgung (z.B. Bereitstellung von Informationen des Geoinfodienstes [Wetter, Kartenmaterial, etc.]) sowie logistische Unterstützungsleistungen beinhalten.

Im Rahmen der Gewährleistung von logistischen Unterstützungsleistungen kommen dem Logistikkommando der Bundeswehr (LogKdoBw) umfassende Aufgaben zu. Das LogKdoBw, mit seinem nachgeordneten Bereich, übernimmt auf Weisung NatTerrBeh und AufmFüKdo sowie auf Basis eines Operationsplans KdoTerrAufgBw Aufgaben innerhalb der Planung (wahrgenommen durch den Stab LogKdoBw), der taktischen Durchführung und als logistischer Bedarfsdecker (wahrgenommen durch das Logistikzentrum der Bundeswehr [LogZBw]) sowie – aber nur im Rahmen freier Kapazitäten – als Truppensteller (im Schwerpunkt wahrgenommen durch die mobilen Logistiktruppen der SKB [mobLogTr SKB]).

Logistische Unterstützungsleistungen im Rahmen von HNS umfassen dabei unter anderem die Transport-/Marschkoordinierung durch das National Movement Coordination Center (NMCC) des LogZBw, Leistungen beim intermodalen Transport, beim Umschlag von Material sowie bei der Abfertigung, Zusammenführung, Unterbringung und Versorgung von Personal und Material. Besonders bei längeren Straßenmärschen von Kräftedispositiven werden neben der Möglichkeit zur Durchführung von Technischen Halten, in regelmäßigen Abständen auch Rasträume oder sogenannte Convoy Support Center [CSC] zur Unterstützung Alliierter bereitgestellt.

Als Grundlage für eine erfolgreiche Operationsführung und auch für eine zielgerichtete logistische Unterstützung im Rahmen von HNS bedarf es auch immer einer abgestimmten Planung aller Bewegungen deutscher und alliierter Kräfte in Deutschland. Um dies zu ermöglichen erarbeitet der Stab LogKdoBw für den Aufmarsch deutscher Truppenteile den National Detailed Deployment Plan (NDDP). Mit diesem Plan wird zunächst die nationale Aufmarschplanung koordiniert, um diese anschließend in die multinationale Gesamtplanung auf Ebene der NATO im Allied Movement and Coordination Centre (AMCC) einbringen zu können.

Mit dem NDDP wird die nationale Verlegeplanung umgesetzt. Für deutsche Kräfte wird festgelegt, welches Personal und Material sich wann, wohin und womit bewegen soll, um in die Einsatzgebiete gemäß NATO-Vorgabe verlegt werden zu können. Der NDDP fließt in den Multinational Detailed Deployment Plan (MNDDP) auf Ebene AMCC ein. Der MNDDP bildet dann nach erfolgter multinationaler Harmonisierung den Abholpunkt für das LogZBw, eine abgestimmte Transport- und Marschplanung zu erstellen. Im Anschluss an diese Planung erfolgt die Durchführung mit Hilfe von militärischen Kräften und zivilen Dienstleistern.

Auf Basis dieser Gesamtmarschplanung werden für die „Drehscheibe“ Deutschland auch die notwendigen logistischen Unterstützungspakete ausgeplant. Entlang der Marschstraßen werden in den CSCs oder in Technischen Halten eine Vielzahl von Leistungen zur Verfügung gestellt, die die Kampfkraft der marschierenden Kräftedispositive während eines Landmarsches aufrechterhalten. Diese Leistungen umfassen Schlafmöglichkeiten, Sanitäreinrichtungen, Betreuungsmöglichkeiten sowie die Versorgung der Soldaten mit Verpflegung und Marketenderwaren. Darüber hinaus werden in diesen Räumen grundsätzlich Fähigkeiten zur Bergung und zum Abschub von ausgefallenem Großgerät, zur Unterstützung von kleineren Reparaturmaßnahmen, für erforderlichen Umschlag sowie zur Betankung mit Kraftstoff vorgehalten.

Ein weiterer Beitrag innerhalb der logistischen HNS-Leistungen ist die Unterstützung beim intermodalem Transport. Bei den hierbei zu erbringenden Leistungen handelt es sich um die Vorbereitung, Koordination und Durchführung von Straßen-/Schienen-/Lufttransporten, Binnenschifffahrt sowie von Spezialtransporten bzw. Groß- und Schwerlasttransporten und den damit im Zusammenhang stehenden typischen Nebenleistungen bei der Transportdurchführung (z.B. Transportberatung, Fahrplanwesen, Trassenbestellungen, Bereitstellungen Bedien- und Fachpersonal, sicherheitstechnische Abnahmen, etc.). Und auch logistische Aufgaben im Rahmen des Betriebs von Häfen, Flughäfen und Bahnhöfen können Teil eines logistischen Unterstützungspaketes sein. Hierbei werden beispielsweise Kapazitäten und/oder Fähigkeiten zur Sicherstellung des Umschlags, zur Abfertigung oder Zusammenführung von Personal und Material zur Verfügung gestellt. Auch dazugehörige Peripherieleistungen und notwendige administrative Arbeiten sind grundsätzlich mit inbegriffen. Dazu zählen z.B. das Erstellen notwendiger Ladepapiere und Dokumente, das Abwickeln von Zollformalitäten oder das Erwirken von Genehmigungen und Überprüfungen.

Sämtliche aufgeführten logistischen HNS-Leistungen können durch das LogZBw und insbesondere durch die mobLogTr SKB nur im Rahmen von freien Kapazitäten geleistet werden. Die mobLogTr SKB stehen aufgrund ihrer begrenzten Kapazitäten und prinzipiellen Bindung für Einsätze und Einsatzgleiche Verpflichtungen sowie als Kräfte der „ersten Stunde“ innerhalb von LV/BV Operationen grundsätzlich nicht zur Verfügung. Damit besteht zurzeit eine Kapazitätslücke, die mit anderen Instrumenten geschlossen werden muss. Die logistischen Unterstützungsleistungen sollen daher künftig durch einen zivilen Vertragspartner erbracht werden. Das LogKdoBw arbeitet zusammen mit dem Bundesministerium der Verteidigung, dem Planungsamt der Bundeswehr und Bedarfsdeckern mit Hochdruck an einer zivilen Provider Lösung, um bereits für die VJTF 2023 diese Möglichkeit zur Bedarfsdeckung verfügbar zu haben.

Abbildung 2 – Entladung eines GTK BOXER, © Bundeswehr / R. Alpers

 

Welche Aufgaben und welcher Umfang an logistischen Unterstützungsleistungen von Deutschland erwartet werden, kann derzeit in der Großübung DEFENDER-Europe 20 beobachtet werden. Für DEFENDER-Europe 20 steht ein ziviler Providervertrag noch nicht zur Verfügung, so dass Kräfte der mobLogTr SKB – trotz bestehender einsatzgleicher Verpflichtungen – derzeit umfangreiche Unterstützungsleistungen für die Verlegung und den Transit multinationaler Streitkräfte leisten.

DEFENDER-Europe 20 hat dabei eine lange nicht mehr bekannte Dimension. Im Rahmen von DEFENDER-Europe 20 wird beispielsweise erstmals seit mehr als 20 Jahren eine verstärkte US Division mit insgesamt bis zu 20.000 Soldatinnen und Soldaten, aus den USA nach Europa verlegt. Eine vergleichbare Verlegung wurde in den vergangenen Jahren maximal in der Größenordnung bis zu einer Brigade geübt, was etwa einem Fünftel des jetzigen Kräftedispositivs entspricht.

Im Rahmen von DEFENDER-Europe 20 richten die mobLogTr SKB daher zur Unterstützung von Konvois insgesamt zwei CSCs in Burg und auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz sowie eine Life Support Area (LSA) – vergleichbar mit einem Feldlager – in Garlstedt ein. In den CSCs in Burg und der Oberlausitz können Fahrzeugkolonnen mit jeweils bis zu 450 Soldatinnen und Soldaten im Rahmen ihrer Verlegung unterstützt und gleichzeitig versorgt werden. Die LSA in Garlstedt bietet Kapazitäten, um bis zu 1.800 Soldatinnen und Soldaten temporär aufzunehmen und zu versorgen. Die Versorgung mit Betriebsstoff wird zudem für einen Zeitraum von ca. dreieinhalb Monaten aus einem militärischen Tanklager vom Truppenübungsplatz Bergen heraus sichergestellt, welches eine Kapazität von ca. 1.200.000 Liter hat. Das Feldtanklager sowie die LSA werden hierbei durch Spezialpioniere der mobLogTr SKB aufgebaut und betrieben.

Abbildung 3 – militärisches Tanklager, © Bundeswehr

Die mobLogTr SKB werden des Weiteren im Rahmen der Unterstützung mit Schwerlasttransportraum sowie zum intermodularen Transport von Containern eingesetzt. Dazu wird beispielsweise auf einer 380 km langen Strecke zwischen zwei Container Umschlagpunkten in Augustdorf und in Fläming/Lehnin eine Transportkapazität von 40 Containern pro Tag an 6 Tagen die Woche zur Verfügung gestellt.

Diese in Auszügen dargestellten logistischen Leistungsdaten zur Unterstützung der Großübung DEFENDER-Europe 20 unterstreichen nachdrücklich das Leistungsspektrum und den Umfang des logistischen Anteils der „Drehscheibe“ Deutschland. Das LogKdoBw trägt damit wesentlich dazu bei, die benötigten Leistungen im Rahmen von HNS zeitgerecht und in der geforderten Menge und Qualität zu erbringen.

Die Bereitstellung von Leistungen im Rahmen von Host Nation Support ist, wie bereits betont, ein wesentlicher Beitrag der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen seiner Bündnisverpflichtungen. Die Erfüllung der HNS-Verpflichtung kann jedoch nur durch einen gesamtstaatlichen Ansatz gelingen und ist somit als ressortübergreifende Leistungserbringung in all ihrer Vielfalt zu verstehen. Beim Transit von alliierten Kräften durch Deutschland im Rahmen von Einsätzen, Einsatzgleichen Verpflichtungen und bei Übungen kommt dabei dem Unterstützungsbereich Logistik und damit auch Teilen des Logistischen Systems der Bundeswehr (LogSysBw) im Rahmen der „Drehscheibe Deutschland“ eine wesentliche Rolle zu. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass die militärischen Kapazitäten der Bundeswehr nicht ausreichend sind, um diese Unterstützungsleistungen in Deutschland künftig im erwarteten Umfang gewährleisten zu können. Es bedarf daher weiterer Instrumente wie z.B. der gesicherten und verlässlichen Einbindung von zivil-gewerblichen Partnern der Wirtschaft. Nur so können die Herausforderungen der Zukunft gelöst und gleichzeitig die Streitkräfte bei begrenzten Ressourcen aufgaben- und auftragsgerecht eingesetzt werden.

Diesem Ziel fühlt sich das LogKdoBw verpflichtet und unternimmt alle Anstrengungen, um die logistische Unterstützung für die Einsätze der Bundeswehr und für unsere Verbündeten verlässlich zu gewährleisten.

 

Autoren und Abbildungen: Autorenteam LogKdoBw