Neue Generation ungeschützter Transportfahrzeuge für die Bundeswehr

Neue Generation ungeschützter Transportfahrzeuge für die Bundeswehr – die Fahrzeugfamilie Ungeschützte Transportfahrzeuge der Zuladungsklasse 5t-15t (UTF mil 5t-15t) – und die Durchführung der technisch-logistischen Einsatzprüfung (TLEP) am AusbZTLS

Am 5. Juli 2017 haben das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) einen Rahmenvertrag zur Lieferung von 2.271 ungeschützten militarisierten Transportfahrzeugen (UTF mil) – als Nachfolger für die teilweise über 40 Jahre alten LKW 5, 7, 10t Kat 1 – abgeschlossen. Am AusbZTLS wurde im Zeitraum von Januar bis Oktober 2018 im Rahmen der integrierten Nachweisführung die technisch-logistische Einsatzprüfung durchgeführt.

UTF mil ZLK 5t

 

UTF mil ZLK 15t

Das Fahrzeugkonzept

Die Fahrzeugfamilie UTF mil 5t-15t soll als neue Generation der ungeschützten Transportfahrzeuge eine Vielzahl von unterschiedlichen Transportaufgaben im Einsatzgebiet leisten. Mit den UTF mil wird die neueste Entwicklungsstufe der bewährten HX2-Baureihe aus dem Hause RMMV in die Bundeswehr eingeführt. Aus dieser Baureihe haben auch die Nationen Großbritannien, Australien, Neuseeland, Norwegen, Schweden und Dänemark Fahrzeuge für ihre Streitkräfte beschafft. Eine der wesentlichen Forderungen an die neue Fahrzeuggeneration war, diese als Fahrzeugfamilie umzusetzen. Achsen, Motoren, Kühlung, Getriebe, Abgasanlage und weitere Baugruppen sollten bei allen Modellen der technischen Gleichheit unterliegen. Diese Vorgabe wurde konsequent umgesetzt. So sind im UTF mil 5t und 15t über 90% identische Bauteile verbaut. Die Kabine ist für eine Drei-Mann-Besatzung mit kompletter Ausrüstung ausgelegt. Vom mittleren Sitz aus wird die für die Selbstverteidigung vorgesehene Waffenstation FLW 100 bedient. Alternativ ist eine Drehringlafette vorhanden. Im Fahrerhaus integriert sind die Kommunikationssysteme SEM 80/90, Tetrapol und SatCom (BGAN Explorer), FüInfoSysH sowie alternativ ein gehärteter Tablet PC mit der Software MOBIKAN. Dieser dient als militärische Fahrzeug-Navigationsanlage bei Einsatz der Fahrzeuge ohne FüInfoSysH. Die Ausrüstung der Fahrzeuge mit der Schutzausstattung CG12+ ist ebenfalls vorgesehen. Konstruktiv sind diese auch für die Aufnahme von geschützten Fahrerhäusern ausgelegt, um sie bei Bedarf in geschützte Transportfahrzeuge kurzfristig umrüsten zu können. Die Fahrzeuge sind mit einem verwindungsfreien (ZLK 5t) bzw. verwindungsarmen (ZLK 15t) Containertragrahmen mit Twistlock-Schnittstellen ausgestattet. Der UTF mil ZLK 5t kann eine 15ft Wechselpritsche oder jeweils einen 10ft oder 15ft Container transportieren, während der UTF mil ZLK 15t über Schnittstellen für zwei 10ft Container oder einem 20ft Container bzw. einer 20ft Wechselpritsche verfügt. Weiterhin sind Schnittstellen für eingeführte Kabinen I/II und FmA/FmB vorhanden, so dass diese nicht mehr aufwendig auf einer Pritsche verzurrt werden müssen. Die UTF mil müssen zu dem alle eingeführten oder in Einführung befindlichen Anhänger ziehen können. Weitere Vorgaben für die Konstruktion war die Einhaltung der Abgasnorm EURO 5 sowie der Betrieb mit den Treibstoffsorten F54 (Dieselkraftstoff), F34, F63 (Kerosin) als auch mit Schlechtkraftstoff „Afrikadiesel“ mit einem Schwefelanteil über 3000 ppm (parts per million). Zum Vergleich an deutschen Tankstellen wird nur schwefelfreier Dieselkraftstoff verkauft. Dieser gilt als schwefelfrei, wenn sein Schwefelanteil unter 10 ppm liegt. Kommt es zum Einsatz von Schlechtkraftstoff kann durch den „Instandsetzer“ die Abgasnachbehandlung mit AdBlue© abgeschaltet werden. Ebenfalls ist der Einsatz der Fahrzeuge ohne AdBlue© bei unverminderter Leistung möglich. Für den Blick nach hinten ist zusätzlich zu den Spiegeln eine Infrarotrückblickkamera vorhanden. Die UTF mil verfügen ohne Vorbereitung über eine Wattiefe von 1.500 mm und erfüllen die Mobilitätsstufe B+, nach der Mobilitätsklassifizierung der WTD 41. Die im Fahrzeug verbauten technischen Unterstützungen wie permanenter Allradantrieb mit umschaltbarer Verteilung, das vollautomatische 7-Gang-Lastschaltgetriebe mit integriertem 6-stufigen Retarder aus dem Hause ZF sowie Differentialsperren längs und quer erlauben ein Fahren dieser schweren Nutzfahrzeuge – selbst in schwierigem Gelände – schon nach kurzer, intensiver Einweisung. Die Technik unterstützt den Fahrer dabei in allen Situationen, so dass sich dieser vollständig auf das Fahren konzentrieren kann.

Die Produktion der Fahrzeuge erfolgt im RMMV Werk in Wien. Die bestellten UTF mil sollen in den nächsten sechs Jahren der Truppe zulaufen. In 2018 wurden bereits die ersten 90 UTF mil an das Materiallager Karlsruhe übergeben. Dort werden die Fahrzeuge nach Vorgabe der militärischen Organisationsbereiche komplettiert und im Anschluss an die Truppe ausgeliefert.

 

Die integrierte Nachweisführung

Zu Beginn der Realisierungsphase im August 2016, etwa ein Jahr vor Vertragsabschluss, wurde durch die Projektleitung BAAINBw das AusbZTLS und die LogSBw aufgefordert, an den für die Erprobung durch die Wehrtechnischen Dienststellen vorgesehenen Fahrzeugen, eine erste Begutachtung aus taktischer und technisch-logistischer Sicht noch im Wettbewerb durchzuführen und einen Ergebnisbericht zu verfassen. Ziel war es, die Rüstsatzintegration der Kommunikationssysteme und der Waffenstation hinsichtlich Bedienung, Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung zu bewerten, um Verbesserungspotential frühzeitig zu erkennen und um Mängel bei der Konstruktion aus Sicht der Instandhaltung noch vor der Serienfertigung durch den Hersteller abstellen zu lassen. Die gewonnenen Erkenntnisse und sämtliche durch die beiden Ausbildungseinrichtungen eingebrachten Verbesserungsvorschläge wurden in die Leistungsbeschreibung für den Serienvertrag umgesetzt. Im weiteren Verlauf der Realisierungsphase wurde in zwei weiteren Stellproben die Umsetzung durch die Industrie erneut begutachtet und bewertet. Im Ergebnis wurde damit am Serienfahrzeug die Bedienbarkeit, Wartung und Instandhaltung erheblich verbessert und von Anfang an sichergestellt.

Nach Vorschlägen AusbZTLS konstruktiv geänderte Unterbringung der Kommunikationssysteme bei der 2. Stellprobe im November 2017

Allen im Projekt beteiligten Dienststellen war von Beginn an daran gelegen, die Beschaffung der neuen Fahrzeugfamilie in einem sehr straffen Zeitplan zu realisieren. Im Juli 2014 wurde durch BMVg die Erarbeitung der Fähigkeitslücke und Funktionale Forderungen beauftragt. Nur 47 Monate später, im März 2018, stand das 1. Seriengerät für die integrierte Nachweisführung zur Verfügung. Ziel war es, möglichst schnell die Genehmigung zur Nutzung zu erreichen. Um den Zeitplan einzuhalten, wurde auch bei der technisch-logistischen Einsatzprüfung (TLEP) vom Standardverfahren abgewichen. Nach erfolgter Erprobung der Nachweismuster durch die Wehrtechnischen Dienststellen stand ab Januar 2018 ein Fahrzeug, das zu etwa 80% dem zukünftigen Serienfahrzeug entsprach, für die TLEP zur Verfügung. Da andere Nationen wie z.B. Großbritannien, Neuseeland oder auch Australien bereits ähnliche Fahrzeuge in Nutzung haben, konnte die Firma RMMV neben dem Sonderwerkzeug auch handelsübliche Dokumentationen, zum Teil in englischer Sprache, zur Verfügung stellen.

Am 10.01.2018 begann am AusbZTLS die TLEP. Im ersten Schritt wurden die von RMMV und MAN vorgeschriebenen Wartungs- und Serviceintervalle in ein militärisches Fristenkonzept umgesetzt, sowie alle Fristenarbeiten praktisch durchgeführt, um die einzelnen Tätigkeiten und Ebenen der Instandsetzung festzulegen. Hierbei zeigte sich, dass der Aufwand für die planmäßige Instandhaltung erfreulich gering ausfällt. Insgesamt werden für sämtliche Fristenarbeiten gerade einmal 27 verschiedene Ersatzteile benötigt. Da einige Fristenarbeiten nur alle 48 Monate fällig sind, wurde eine F5 Frist eingeführt.

Wesentlich ist aus Sicht des „Instandsetzers“ ist der Austausch der Hauptbaugruppen. Da der Zeitaufwand für die Instandhaltung moderner, hochkomplexer Baugruppen wie Motor, Achsen und Getriebe erheblich ist, ist der Austausch der Hauptbaugruppen bei der Feldinstandsetzung in der Instandhaltungsstufe 3 (IHS 3) von elementarer Bedeutung. Im zweiten Schritt der TLEP wurde daher der Austausch der Hauptbaugruppen praktisch erprobt und die Instandhaltungszeiten für die einzelnen Tätigkeiten ermittelt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sich sämtliche Hauptbaugruppen in der IHS 3 ohne feste Infrastruktur auswechseln lassen.

Auswechseln der Vorderachse am UTF mil ZLK 5t Nachweismuster

 

Auswechseln des Motors am UTF mil ZLK 15t Serienfahrzeug Auswechseln Hauptbaugruppen Zeitbedarf in Stunden: #Getriebe 5t: 8h; 15t: 12h #Motor 5t: 14h; 15t: 22h #Achsen 3h

 

Das Abnehmen des Fahrerhauses ist konstruktiv exzellent gelöst und lässt sich in 2,5h durchführen. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, die ungeschützten Fahrerhäuser durch geschützte Fahrerhäuser in ca. 7h in der IHS 3, also in der Truppe, auszutauschen. Neben dem Fahrerhaus sind lediglich noch die Blattfedern der Vorderachse und die Hydraulikzylinder für die Fahrerhauskippvorrichtung umzurüsten, da das geschützte Fahrerhaus ca. 2t schwerer sein wird. Voraussetzung für den Tausch ist, dass die geschützten Fahrerhäuser innen vollständig ausgestattet sind und somit keine Umbaumaßnahmen erforderlich sind. Im Rahmen des zurzeit laufenden Rüstungsprojekts UTF 15t mil gl Wechselladersystem werden geschützte Fahrerhäuser qualifiziert. Eine Beschaffung von geschützten Fahrerhäusern für die UTF mil-Flotte ist angedacht.

Demontiertes ungeschütztes Fahrerhaus
UTF mil ZLK 15t Serienfahrzeug mit demontiertem ungeschütztem Fahrerhaus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

UTF mil ZLK 15t Serienfahrzeug mit geschütztem Fahrerhaus

Die Diagnosesysteme und das interne Prüfsystem

Ein weiterer wesentlicher Punkt bei der TLEP ist der Nachweis der Prüf-  und Diagnosefähigkeit bei auftretenden Störungen. Die UTF mil verfügen über ein internes Prüfsystem, mit dem alle Betriebsparameter überwacht werden. Auftretende Fehler und Störungen werden dem Fahrer über das Display im Armaturenbrett angezeigt. Für die IHS 2 und 3 wird die Fehlerdiagnose mit Hilfe des handelsüblichen Diagnosemittels MANCATS III aus dem Hause MAN realisiert. Das MANCATS III ist für die Fehlersuche und Diagnose bei Betriebsstörungen zwingend erforderlich. Eine abschließende Instandhaltung ohne den Einsatz des MANCATS III ist nicht möglich. Durch den Einsatz dieses Diagnosemittels ist der „Instandsetzer“ in der Lage, eine umfassende und bis in die Tiefe reichende Fehlersuche durchzuführen. Über den im Sonderwerkzeugsatz vorhandenen Adapterkasten können gezielt Messungen einzelner Sensoren und Geber – ohne Öffnen des Kabelbaums – durchgeführt werden. Der Wechsel der neun im Fahrzeug verbauten Steuergeräte ist nur mit Hilfe des MANCATS III möglich. Das Diagnosemittel deckt alle erforderlichen Prüfbereiche für die IHS 2-3 ab.

MANCATS III
Angeschlossen an UTF mil ZLK 15t

Nachdem am 26.03.2018 zwei Serienfahrzeuge an das AusbZTLS geliefert wurden erfolgte mit der Bereitstellung des Prüfentwurfs der IETD am 14.06.2018 der Einstieg der anderen Dezernate des Bereichs Technik/Logistik in die Prüfung der Kommunikationssysteme, der Waffenstation, der Schutzausstattung und der Klimaanlage.

Die TLEP endete am 31.08.2018 mit der Durchführung der technischen Materialprüfung (TMP). Dabei wurde der Nachweis erbracht, dass die Durchführung der TMP durch die militärische Prüforganisation mit der vorhandenen Ausstattung sichergestellt ist. Eine wesentliche Feststellung der TLEP war, dass bis zum Herstellen der vollständigen Versorgungsreife die Fahrzeuge unter Erfüllung folgender Voraussetzungen schon jetzt nahezu uneingeschränkt instandhaltbar sind:

  • Sonderwerkzeugsätze sind an die Truppe ausgeliefert,
  • Ersatzteilerstbedarf ist in der Versorgungskette verfügbar,
  • vorgesehenes Instandhaltungspersonal hat am AusbZTLS die eingerichteten Systemtechniklehrgänge besucht,
  • handelsübliche Dokumentation steht dem Instandhaltungspersonal zur Verfügung und
  • Unterstützung des militärischen Instandhaltungspersonal bei Fragen und Problemen erfolgt über HelpDesk Einsatz AusbZTLS.

 

Ausblick auf die Lehrgänge UTF mil 5t-15t am AusbZTLS

Am AusbZTLS werden für die Ausbildung des Instandhaltungspersonals zwei Systemtechnik Lehrgänge eingerichtet. Der Lehrgang Systemtechnik 1 hat den Schwerpunkt Instandhaltung der UTF mil und der Lehrgang Systemtechnik 2 wird im Schwerpunkt die Diagnose und Fehlersuche abbilden. Beide Lehrgänge sind zurzeit mit einer Lehrgangsdauer von jeweils 10 Ausbildungstagen ausgeplant. Im Jahr 2019 werden die ersten beiden Pilotlehrgänge am AusbZTLS durchgeführt. Die UTF mil werden zusätzlich in die integrierte Meisterausbildung eingebunden und der Bremsenwerkstatt steht das Nachweismuster als zusätzliches Ausbildungsgerät zur Verfügung. Damit die Durchführung der geplanten Ausbildungen sichergestellt werden kann, wird dem AusbZTLS eine umfangreiche Ausbildungsausstattung Instandsetzung (AAI) zur Verfügung gestellt. Neben dem bereits vorhandenen Sonderwerkzeug und den drei UTF mil der Einsatzprüfung, wurde nach gemeinsamer Planung BAAINBw mit AusbZTLS, die Beschaffung von zwei Trainingsmodellen „Kombinierte Elektrik- und Bremsensysteme“ sowie die Beschaffung einzelner Baugruppen als Ergänzung für eine moderne, fordernde Ausbildung eingeleitet.

 

Zusammenfassung

Als Ergebnis der TLEP lässt sich folgendes festhalten: Über alle Fachtechniken hinweg ist die Fahrzeugfamilie als gut instandhaltbar bewertet worden. Es ergab sich nur eine geringe Anzahl an Änderungsforderungen, die im Wesentlichen die Dokumentation und das Sonderwerkzeug betreffen. Im Gesamtergebnis wurde aus technisch-logistischer Sicht die Fahrzeugfamilie „Ungeschützte Transportfahrzeuge der Zuladungsklasse 5t-15t“ als geeignet bewertet. Dieses erfreuliche Resultat ist insbesondere auf die frühzeitige und konsequente Einbindung des AusbZTLS in der gesamten Realisierungsphase zurückzuführen. Die Genehmigung zur Nutzung durch die Truppe wurde am 17.01.2019 erteilt. Damit erhält die Truppe ein sehr robustes, hochmobiles und modernes Fahrzeug mit hohem Einsatzwert, das alle anfallenden Transportaufgaben genauso zuverlässig erfüllen wird, wie es die LKW der Kat 1 Generation die zurückliegenden 40 Jahre getan haben.

Autor: Hptm Thönnissen, AusbZTLS, Ber Techn/Log

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