Rede des Bundesministers der Verteidigung, Boris Pistorius, zum Haushaltsgesetz 2025 vor dem Deutschen Bundestag am 9. Juli 2025 in Berlin:

Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen!

Vor zwei Wochen habe ich gemeinsam mit dem Bundeskanzler und dem Außenminister am Nato-Gipfel in Den Haag teilgenommen. Dieses Treffen war weit mehr als ein Routinetreffen, weit mehr als ein normaler sicherheitspolitischer Austausch; es war ein historischer Meilenstein für unser Bündnis und für Europa.

Die Nato-Partner haben sich verpflichtet, bis 2035 5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zu investieren: in die Verteidigung 3,5 Prozent und in sicherheitsrelevante Bereiche 1,5 Prozent. Dieser Paradigmenwechsel unterstreicht: Europa übernimmt wieder Verantwortung in der Nato – politisch, militärisch und finanziell –, und das gemeinsam. Das ist historisch, und ich füge hinzu: Es ist überfällig.

Angesichts der Entwicklung der letzten Jahrzehnte, wie man sagen muss, in denen die Vereinigten Staaten von Amerika den Löwenanteil der konventionellen Abschreckungsfähigkeiten in Europa übernommen hatten, war klar, dass irgendwann die Europäer mehr Verantwortung würden übernehmen müssen, nicht zuletzt, aber vor allem auch wegen eines verstärkt notwendig werdenden Engagements der Amerikaner im Indopazifik aufgrund der dort herrschenden Lage. All das führt dazu, dass wir mehr machen müssen.

Dieses Burden Sharing findet jetzt Niederschlag in dieser Übereinkunft, und ich wiederhole mich: Es wird höchste Zeit. Die Zeiten, in denen über die Nato gelächelt wurde mit der Umwandlung der Abkürzung in „No Action, Talking Only“, sind vorbei. Die Nato ist handlungsfähig und hat das in Den Haag eindrucksvoll gezeigt.

Aber mit diesem europäischen Wendepunkt beginnt ja erst der eigentliche Weg, und Deutschland geht auf diesem Weg voran. Wir holen nach, was zu lange aufgeschoben wurde, wir reparieren, was verschlissen ist, und wir bauen auf, was wir in dieser neuen Zeit brauchen: eine wehrhafte Nato, die unsere Gegner abschreckt und unsere Freiheit schützt. Dieser Kurs ist die richtige Antwort auf eine Bedrohungslage, die wir alle täglich sehen können, mindestens nach den etwa dreieinhalb Jahren Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine: ein aggressives Russland mit unverkennbar imperialistischen Ambitionen. Die jüngsten Äußerungen von Wladimir Putin in Sankt Petersburg lassen keinen Zweifel daran. Er sagte dort – ich zitiere –: „Es ist kein Sprichwort, es ist kein Gleichnis, sondern eine alte Regel: Wo ein russischer Soldat seinen Fuß hinsetzt, das ist unser.“

Imperialistischer geht es nicht. Das ist eine klare Ansage.

Auch deswegen und wegen der allgemeinen Bedrohung, die sich daraus ergibt, durch die Umstellung auf Kriegswirtschaft, durch verbale Bedrohungen von Nachbarstaaten, aber auch von Nato-Mitgliedern war klar: Das transatlantische Bündnis muss seine neuen Fähigkeitsziele definieren, sich auf sie verständigen. Und ja, sie sind ambitioniert, aber sie sind auch notwendig.

Sie verlangen viel von unserer Bundeswehr: höhere Bereitschaftsgrade, umfassende Vollausstattung, moderne Führungssysteme, Luftverteidigung, Aufklärung und vieles, vieles mehr. Hinzu kommen Fähigkeiten, die wir selbst für den Schutz unserer Heimat benötigen, für die Umsetzung des Operationsplans Deutschland. Deshalb ist die Erhöhung unserer Verteidigungsausgaben in Deutschland zwingend notwendig.

Wir senden damit klare Signale. Zuerst an unsere Partner und Alliierte: Deutschland steht zu seinem Wort, auf Deutschland ist Verlass. An die Industrie: Wir schaffen Planungssicherheit und sorgen für eine schnellere und verlässliche Beschaffung. Und schließlich an mögliche Gegner: Verteidigung ist für uns keine Option, sondern Staatsaufgabe mit höchster Priorität.

Deswegen legt die Bundesregierung hier heute einen Verteidigungshaushalt vor, der Deutschlands Verantwortung in der Nato und für die Sicherheit in Europa gerecht wird. Vorbehaltlich Ihrer Zustimmung steigt der Einzelplan 14 in diesem Jahr auf rund 62,4 Milliarden Euro; das sind rund 10 Milliarden Euro mehr als im vergangenen Jahr. Hinzu kommen 24 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. In Summe stehen der Bundeswehr damit gut 86 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir machen damit einen großen Schritt Richtung 5 Prozent.

Ja, das sind große Summen, die vielen wehtun. Und ja, das sind große Summen, die wir aber zielgerichtet und mit Augenmaß einsetzen werden: für Personal, Ausrüstung, Ausbildung, Infrastruktur und Technik. Unser Ziel ist die möglichst schnelle Vollausstattung der Bundeswehr und ihre Durchhaltefähigkeit. Denn daran werden wir international gemessen. Wir werden daran gemessen, wie einsatzbereit wir wann sein werden.

Ein Beispiel dafür, wie das beobachtet wird, ist die Brigade Litauen, deren Aufstellungsappell noch keine sieben Wochen her ist – eine Brigade, für die wir hohen Respekt und viel Dankbarkeit bekommen, und das völlig zu Recht.

Ja, wir haben im letzten Jahr fast 100 25-Millionen-Euro-Vorlagen in den Deutschen Bundestag eingebracht. Und trotz vorläufiger Haushaltsführung ist es uns gelungen, das Tempo bei der Beschaffung für die Bundeswehr weiter hoch zu halten und so an die Erfolge vom letzten Jahr anzuschließen. Ich danke Ihnen allen, die daran in den Ausschüssen mitgewirkt haben, für Ihre Unterstützung.

Neben der Fortführung begonnener Rüstungsprojekte, wie der Beschaffung des Kampfpanzers Leopard 2 A8 und weiterer Flugabwehrsysteme der Typen Patriot und IRIS-T sowie der Digitalisierung unserer Streitkräfte, werden wir mit Ihrer Unterstützung auch in diesem Jahr eine Vielzahl wichtiger Vorhaben auf den Weg bringen, Munition – nach wie vor –, Drohnen, Radhaubitzen bis hin zum Eurofighter. Unser Anspruch ist es, die Beschaffung in dieser Legislaturperiode weiter zu beschleunigen und die Zusammenarbeit mit der Industrie weiter zu intensivieren; denn gerade hierin liegt ein Schlüssel für den Erfolg der nächsten Jahre.

Und ja, es ist klar: Geld ist das eine. Aber gleichzeitig gilt auch: Wer technologisch zurückbleibt, wird sicherheitspolitisch abgehängt. Deshalb investieren wir gezielt in Zukunftstechnologien: vom Schutz gegen Kleindrohnen bis hin zur Integration von künstlicher Intelligenz in Gefechtsführung und Lagebild. Gerade Drohnentechnik und Drohnenabwehr sind längst keine Nischen mehr. Sie sind zunehmend Kernfähigkeiten moderner Streitkräfte, und sie werden die taktischen Verfahren der Zukunft in unserer Truppe wesentlich mitprägen.

Aber ja, Material alleine reicht nicht, um uns zu verteidigen. Es sind vor allem die Menschen in der Bundeswehr, die Tag für Tag Außergewöhnliches leisten und sie verdienen unser aller Dank und unsere Anerkennung. Deswegen hat die personelle Einsatzbereitschaft für mich besonders in diesen Tagen absolute Priorität. Die neuen Nato-Fähigkeitsziele und der Operationsplan Deutschland verlangen von uns einen massiven Aufwuchs. Mindestens 60.000 zusätzliche aktive Soldatinnen und Soldaten braucht es. Hinzu kommt eine leistungsfähige Reserve von mindestens 200.000 gut ausgebildeten und ausgerüsteten Frauen und Männern.

Klar ist damit auch: Unsere Zielgröße von 203.000 Soldatinnen und Soldaten muss angehoben werden. Auch die Wehrverwaltung braucht mehr Personal. Mit dem angemeldeten Personalhaushalt – und ich weiß, er ist in seinem Umfang beachtlich – machen wir einen wichtigen Schritt in diese Richtung. Erfreulich ist – das wissen Sie –: Die Trendwende in der Nachwuchsgewinnung ist da; das Interesse an der Bundeswehr wächst spürbar. Das ist in jeder Hinsicht ein gutes Zeichen. Ich bin davon überzeugt: Der neue Wehrdienst wird diese Entwicklung weiter verstärken. Der neue Wehrdienst ist unser Angebot an junge Menschen, ihrem Land zu dienen – freiwillig und mit Perspektive. Wir wollen damit die Reserve und unsere Durchhaltefähigkeit stärken.

All das zeigt – und das ist wichtig in diesen Tagen –: Unser Land geht sicherheitspolitisch voran – als Schrittmacher. Als solcher werden wir unter den Nato-Partnern, in der Europäischen Union, unter unseren europäischen Nachbarn wahrgenommen.

Wir müssen gerade jetzt, in einer Phase, wo es darum geht, Tempo zu machen, beherzt handeln. Wir werden in allen Belangen ein verlässlicher Partner sein. Das gilt auch und besonders für die Ukraine, die seit über 40 Monaten ihre Souveränität gegen einen brutalen Aggressor verteidigt. Wir werden sicherstellen, dass wir auch weiterhin das dringend benötigte Material an die Ukraine liefern können. Wir bleiben der größte Unterstützer der Ukraine nach den USA.

Lassen Sie mich abschließend den Blick nach vorn werfen. Die von der Bundesregierung beschlossenen Eckwerte sehen für den Verteidigungshaushalt einen klaren Aufwuchs vor: von rund 83 Milliarden Euro im Jahr 2026 bis hin zu 153 Milliarden Euro im Jahr 2029. Und ja, ich weiß: Das sind gewaltige Beträge. Aber sie stehen auch für einen gewaltigen Auftrag, eine gewaltige Aufgabe und einen klaren Kurs.

Dieser klare Kurs heißt: ein verteidigungsbereites Deutschland in Europa und der Nato, in dem wir, unsere Kinder und unsere Enkel frei und in Frieden miteinander leben können, und das auch noch in zehn oder 20 Jahren. Dieser Kurs braucht politische Klarheit. Dieser Kurs braucht haushaltspolitische Verlässlichkeit.

Wir leben in einer Zeit der Unsicherheit; wir leben aber auch in einer Zeit der Entscheidungen. Ein starkes, geeintes Europa, verankert in der Nato, ist kein Automatismus. Es ist das Ergebnis politischen Handelns. Und dieser Haushalt ist ein Teil davon. Er steht für Wehrhaftigkeit, er steht für Verantwortung, er steht für Zukunft. Und er zeigt: Deutschland ist da – partnerschaftlich, verlässlich, verteidigungsbereit. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung und Ihre Zusammenarbeit.

Vielen Dank.

 

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung